Wir fragten Philipp zu Guttenberg, Präsident der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände und Vizepräsident des europäischen Waldbesitzerverbandes cepf, sowie Hermann Hinterstoisser, Leiter des Referates Naturschutzgrundlagen des Amtes der Salzburger Landesregierung, über ihren Zugang zum Wald.
Was beutetet für Sie Nachhaltigkeit?
Philipp zu Guttenberg Für mich persönlich und für meinen Betrieb bedeutet das: in der Zukunft meinen Kindern das zu übergeben, was ich Zeit meines Lebens für sie verwalten und hoffentlich mehren durfte, also persönliche Vorsorge für die nächste Generation zu treffen und Verantwortung wahrzunehmen. Im Allgemeinen bedeutet das auch, ganz nah am Brundtland-Bericht »Unsere gemeinsame Zukunft« sämtliche Handlungen immer an den Bedürfnissen der künftigen Generation auszurichten. Dabei sollte es kein Korsett geben. Nachhaltigkeit ist dauerhaft immer ein dynamischer, ausgewogener Kompromiss, der versucht, möglichst viele verschiedene Aspekte miteinander zu verbinden – interdisziplinär, verantwortungsvoll und generationenübergreifend.
Hermann Hinterstoisser Nachhaltigkeit ist für mich das Bestreben, ökologische Ressourcenverfügbarkeit und Bedarfsdeckung für den Menschen in einer ökologisch und sozial ausgewogenen Weise in Einklang zu bringen und dauerhaft zu sichern. Dabei muss, der Biodiversitätskonvention folgend, die Nutzung von Bestandteilen der biologischen Vielfalt in einer Weise und in einem Ausmaß erfolgen, die nicht zum langfristigen Rückgang der Biodiversität führen. Ihr Potenzial muss erhalten bleiben, die daran orientierten Bedürfnisse künftiger Generationen müssen ungeschmälert erfüllt werden. Gerade aus forstlicher Sicht kann dabei nicht übersehen werden, dass die Produktion von Holz funktionierender Ökosysteme bedarf und diese ihre Leistungen nur dann auf Dauer erbringen können, wenn die organismische Vielfalt in vollem Umfang erhalten bleibt.
Welche Rolle übernimmt der Wald in Bezug auf die globalen Herausforderungen (Klimawandel / Nutzungskonflikte / Ressourcenverknappung)?
Philipp zu Guttenberg Der Wald übernimmt die globale Schlüsselrolle: Er ist die wohl wichtigste nachhaltig nachwachsende Ressource, die wir in Europa besitzen. Nutzen wir unseren Wald vernünftig und bewusst, praktizieren eine weiterhin multifunktionale und nachhaltige Bewirtschaftung, dann können wir bestehende Nutzungskonflikte minimieren. Dies setzt aber auch voraus, dass andere Interessengruppen auf Kompromisse eingehen und nicht auf ihren Maximalforderungen beharren.
Hermann Hinterstoisser Nachhaltige Forstwirtschaft muss neben der Gewährleistung der forst-gesetzlich vorgesehenen Waldfunktionen (Nutz-, Schutz-, Wohlfahrts-, Erholungswirkung) auch die Lebensraumfunktion des Waldes im Sinne ganzheitlicher Biodiversitätssicherung, speziell für waldspezifische Arten und WaldLebensraumtypen, umfassen. In Hinblick auf die sozialen Aspekte kommt der Landschaftsgestaltung durch die Waldbehandlung steigende Bedeutung zu. Wald hat aber auch wichtige ökonomische Funktionen zur Sicherung des ländlichen Raumes und zur (nachhaltigen) Deckung des Holzbedarfs der Menschen.
Welcher Änderungen bedarf der Umgang mit unserem Wald und warum?
Philipp zu Guttenberg Grundvoraussetzung ist und bleibt die unbedingte Sicherung des Eigentums und der Freiheit als Voraussetzung für nachhaltiges Leben und Arbeiten in unserem Wald. Wichtig ist, dass das öffentliche Bewusstsein für die Allgemeinwohlleistungen steigt, die der Wald für uns alle bereitstellt. Gleichzeitig müssen wir Waldbesitzer, die die steigenden Anforderungen auf der Fläche umzusetzen und das finanzielle Risiko zu tragen haben, mit ins Boot genommen werden. Von uns kann nicht immer mehr ohne Gegenleistung gefordert werden. Deshalb brauchen wir endlich eine umfassende Kostenfolgeabschätzung mit allen verschiedenen Faktoren, die auf den Wald einwirken. In einem Satz: Es fehlt derzeit ein politisch verbindliches Instrument, das für den globalen Ressourcenverbrauch eine tatsächliche Nachhaltigkeit einfordert und auch für den Wald definiert, wo die Reise in dem Gemenge der steigenden Anforderungen an unseren Wald hingehen soll.
Hermann Hinterstoisser Der moderne Wirtschaftswald mitteleuropäischer Prägung setzt mit der Endnutzung üblicherweise in der Optimalphase der Waldentwicklung ein. Reife- und Zerfallsphasen kommen nicht mehr vor. Darauf spezialisierte Organismen verlieren damit ihre (Über-)Lebensmöglichkeiten. Es bedarf einer naturnahen Waldwirtschaft, die eine breite (aber nicht vollständige) Amplitude an Lebensräumen/ökologischen Nischen offerieren kann. Es sind daher ausreichend große (nicht: größtmögliche) Flächen der natürlichen Entwicklung zu widmen. Durch aktuelle Wirtschaftsweisen wie Ganzbaumernte und zunehmenden Biomasseentzug besteht die eminente Gefahr, dass nachhaltiger Schaden am Bodennährstoffkomplex verursacht und bei schablonenhafter Homogenisierung von Waldbeständen die Besiedelbarkeit insbesondere für seltene Arten eingeschränkt bis verunmöglicht wird.