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Zimmermanns­handwerk im Wandel

erschienen in
Zuschnitt 53 Digitaler Holzbau, März 2014

Daten zum Objekt

Standort

Wulzeshofen/AT Google Maps

Bauherr:in

Jungbunzlauer Austria AK, Wulzeshofen/AT

Architektur

Architekt Krischanitz, Wien/AT, www.krischanitz.ch

Statik

gmeiner haferl, Wien/AT, www.gmeiner-haferl.com

Holzbau

Holzbau Kast, Gols/AT, www.kast.co.at

Fertigstellung

2013

Und plötzlich war er da der Computer

Gerade bei Familienbetrieben ist die Erinnerung an die maschinenlose Zeit noch präsent, hier weiß man noch von der Art und Weise, wie Vater und Großvater die Bauwerke errichtet haben, zu berichten. An einem Beispiel aus dem Burgenland – das exemplarisch für viele andere über Generationen hinweg geführte Zimmereien in Österreich steht – wollen wir veranschaulichen, wie radikal sich die Arbeit der Zimmerleute in den letzten Jahrzehnten verändert hat.

Die Zimmerei Kast in Gols besteht seit über 130 Jahren. Auch heuer warteten sie wie all die Jahre zuvor darauf, dass der Neusiedlersee zufriert, damit sie beginnen können, die Pfähle und Stege zu erneuern. Früher schlug man händisch die Pfähle für die Stege im See ein. Dafür brauchte man vier Mann und den so genannten Handhoyer. »Je mehr Pfähle wir am Tag einschlugen, desto weiter schauten sie aus dem Wasser raus, weil die Kraft immer mehr nachließ«, erzählt Gerhard Kast. Doch hat die Zimmerei hierfür längst – wie für so viele andere Zimmermannsarbeiten – Hilfswerkzeuge, Maschinen, die die Arbeit erleichtern. Die körperliche Anstrengung für den Handwerker ist durch den Einsatz der Maschinen wesentlich geringer und die Arbeit effizienter und präziser geworden.

Gerhard Kast, der seit Mai 2012 auch Innungsmeister für Holzbau im Burgenland ist, führt die Zimmerei Kast in der fünften Generation. Es ist ein Familienbetrieb, wie er im Buche steht: Sohn und Tochter arbeiten beide im Betrieb mit und seine Frau hütet den vor kurzem geborenen Enkel. »Bei mir war es klar, dass ich Zimmermann werde«, erinnert sich Gerhard Kast, »da gab es keine Alternative.« Dass sich seine Kinder für den Familienbetrieb entschieden haben, ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Heutzutage errichtet Holzbau Kast ganze Häuser aus Holz. Früher baute man hier traditionell mit Stein, deshalb waren Dachtragwerke und die eingangs erwähnten Stege und Pfähle im See die Hauptaufgabenfelder der Zimmerei. Gerhard Kasts Onkel hatte ein Sägewerk gleich nebenan, »da haben wir die noch nassen Balken händisch rübergetragen und auf dem eigenen Grundstück aufgelegt und zugeschnitten«. Um die Deckenoberkante zu markieren, wurde eine Schnur auf den Boden gelegt. Die einzelnen Sparren wurden angezeichnet und zugeschnitten. 1979 habe man angefangen, erinnert er sich, mit dem Taschenrechner zu rechnen, Schablonen aus Papier anzufertigen und diese auf die Sparren zu übertragen. Meist wurde das Holz aber direkt auf die Baustelle geliefert, dann waren sein Vater und sein Großvater, bevor sie ein eigenes Auto hatten, mit dem Fahrrad im Burgenland unterwegs und schliefen während der Bauzeit in Heustadeln.

Heute besitzt die Zimmerei Kast einen großen Fuhrpark; die hier in der Halle vorgefertigten Bauelemente müssen ja auf die Baustelle geliefert werden. Mit der Elementbauweise hat die Zimmerei Kast in den 1980er Jahren angefangen. Seit 2004 haben sie eine eigene Abbundmaschine. Auch im Büro hat der Computer längst Einzug gehalten, immer mehr Arbeit hat sich von der Werkstatt ins Büro verlagert. Gerhard Kast zeigt uns Bilder und Pläne von einem kürzlich fertiggestellten Bauwerk. 

Der Baukörper, den der Wiener Architekt Adolf Krischanitz entworfen hat, ist kubisch und elegant. Er steht auf einem Firmengelände bei Laa an der Thaya und beherbergt im Erdgeschoss die Betriebskantine und darüber Büros. Es ist ein Holzrahmenbau aus Leimholz mit aussteifenden Decken und Wänden in Massivholz. Sobald der Architekt mit der Planung fertig war, begann die Zimmerei, die Werkpläne zu erstellen. Diese braucht sie für die eigene Vorfertigung sowie für den Massivholzhersteller, der auf Grundlage der Pläne die Platten mit allen dazugehörigen Aussparungen zugeschnitten und die Logistik erarbeitet hat: wann welche Platten verladen werden und auf der Baustelle sein müssen. Bevor der Architekt aber die fertigen Pläne übergeben konnte, gab es einen intensiven Abstimmungsprozess zwischen ihm und dem Holzbauer. Wie gelingt es, das vom Architekten vorgegebene Fugenraster von 3,15 Metern vom Bodenbelag über die mit Dreischichtplatten verkleideten Wände bis in die Deckenuntersichten konsequent einzuhalten? Wie kann man die Fußbodenoberkante des Obergeschosses höhengleich an das innere und äußere Fensterparapet anschließen? Skizzen und Detailzeichnungen wanderten vom Architekten zum Holzbauer und wieder retour. Adolf Krischanitz und sein Team erarbeiten äußerst detailgenaue Pläne – bis hin zu der Position der Verschraubungen war hier alles vorgegeben –, damit auch alles nach ihren Vorstellungen umgesetzt werden konnte. »Die Fassade ist äußert präzise geworden«, sagt Stefan Just, Projektleiter und Mitarbeiter von Architekt Krischanitz, »selbst bei den Verschraubungen ist mit bloßem Auge keine Abweichung vom Raster zu erkennen.« Eine solche Präzision ist durch die modernen Vorfertigungsbedingungen in der Werkhalle möglich geworden und wäre auf der Baustelle nie so ausführbar gewesen.


verfasst von

Anne Isopp

ist freie Architekturjournalistin, -publizistin und Podcasterin in Wien. Sie war von 2009 bis 2020 Chefredakteurin der Zeitschrift Zuschnitt. In ihrem Architekturpodcast Morgenbau spricht sie mit Menschen aus der Baubranche über nachhaltiges Bauen.

Erschienen in

Zuschnitt 53
Digitaler Holzbau

Der Computer ist längst mehr als nur ein Hilfsmittel, er führt uns in eine neue Welt der Möglichkeiten – man muss nur genau wissen, wohin man will.

8,00 €

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Zuschnitt 53 - Digitaler Holzbau