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Franz-Liszt-Konzertsaal in Raiding

erschienen in
Zuschnitt 56 Holz hören, Dezember 2014

Daten zum Objekt

Standort

Raiding/AT Google Maps

Bauherr:in

Franz-Liszt-Gesellschaft Burgenland, Eisenstadt/AT, www.lisztfestival.at

Architektur

Atelier Kempe Thill, Rotterdam/NL, www.atelierkempethill.com

Holzbau

Bau- und Möbeltischlerei Heinz Diklic, Wampersdorf/AT, www.diklic.at

Akustik

Müller-BBM, Planegg/D, www.muellerbbm.de

Fertigstellung

2006

Die klingende Scheune

So groß und doch so unscheinbar: Das Konzerthaus ist mit Abstand das größte Bauwerk in der burgenländischen 800-Seelen-Gemeinde Raiding, und doch ist es leicht zu übersehen. Eingebettet in einen Park, direkt neben dem Geburtshaus des berühmtesten Raidinger Sohnes Franz Liszt, fügt sich der schlichte kubische Bau erstaunlich problemlos ins dörfliche Umfeld. Entworfen vom Rotterdamer Architektur büro Kempe Thill, wurde der Bau zum Franz-Liszt-Jahr 2006 eröffnet. Wer im Inneren die Türen zum Herzstück, dem Konzertsaal, öffnet, wird überrascht: Was außen weiß und glatt ist, ist im Inneren komplett mit Holz verkleidet und sieht aus wie eine Scheune oder wie das Innere eines Instruments. In seiner fensterlosschlichten, deutlich gemaserten Fichtenholz-Serialität wirkt der Konzertsaal auf den ersten Blick fast wie ein vom Maler Anselm Kiefer gestalteter Turnsaal. Wand und Decke sind von einem 2,6 mal 3,6 Meter messenden Raster aus Holzleimbindern strukturiert. Darin eingelegt sind dreifach gekrümmte massive Tafeln aus Fichtenholz. Was hart und somit akustisch nachteilig scheint, ist im Detail äußerst raffiniert gelöst.

Entwickelt wurde die Raumakustik von den Architekten gemeinsam mit dem Münchner Büro Müller-BBM. Nach einigem Tüfteln fand man die ideale Lösung: Die Kassetten, die zwischen dem Raster aus Holzleimbindern eingefügt sind, setzen sich aus einer Dreischichtplatte und einer Fichteneinschichtplatte auf der Sichtseite zusammen. Die Einschichtplatte wurde per CNC-Fräse doppelt konvex abgeschliffen, sodass sich eine Gesamtdicke von 8 cm außen und 12 cm in der Plattenmitte ergibt.

»Da die Schallabsorption komplett durch Publikum und Bestuhlung erfolgt, müssen die Wände relativ glatt sein«, erklärt Michael Wahl, Projektleiter bei Müller-BBM. »Gleichzeitig mussten parallele Flächen vermieden werden, sonst würden Flatterechos entstehen. Daher haben wir die doppelt konvexe Plattenoberfläche entwickelt. Für die niedrigen Frequenzen benötigen wir ein hohes Flächengewicht. Daher sind die Platten mit bis zu 350 Kilogramm pro Element relativ schwer.«

Der Raum weist die für Konzertsäle bewährte Schuhschachtelform auf. Wichtiger noch als das Material ist schließlich das Volumen, erklärt Michael Wahl: »Der Saal in Raiding hat etwa 5.000 Kubikmeter. Das ist ideal für Kammermusik, für größere Orchester wäre es zu klein.« Um störende Lüftungsgeräusche zu vermeiden, wurde die Zuluft im aufgeständerten Boden untergebracht, die Perforation des Parketts wurde genau austariert, sodass sie akustisch möglichst wenig Schallabsorption aufweist und trotzdem der notwendige Lüftungsquerschnitt erreicht wird. Die Abluft wurde diskret in der Lücke zwischen Deckenträgern und Deckenelementen versteckt.

Dass sich die Akustik bewährt hat, zeigen die unzähligen Tonaufnahmen von Kammermusik bis Elektronik, die seit der Eröffnung hier gemacht wurden. Wie hört sich der Saal nun an? Gibt es ein speziell hölzernes Klangbild? Johannes Kutrowatz, mit seinem Bruder Eduard seit 2009 Intendant des Liszt Festivals, ist heute noch voller Enthusiasmus: »Es ist ein fantastischer Klavier- und Kammermusiksaal.« Mit der in Raiding gewählten Kassettenstruktur von Wand und Decke lehnt man sich akustisch an die Kassettendecke der klassischen Konzertsäle an.

Aus Sicht von Musiker und Dirigent wird das spezielle Raidinger Klangbild vor allem durch seine anspruchsvolle Präzision charakterisiert, sagt Kutrowatz. »Man sitzt mitten im Klang. Manchmal hat man das Gefühl, der Saal kann Gedanken lesen. Die dynamischen Kontraste werden hier wirklich ausgelotet und sind bis in den letzten Winkel hörbar. Emotionen lassen sich unmittelbar mitteilen. Das heißt, als Musiker muss man hier genau differenzieren.«

Das Klangbild sei also ähnlich anspruchsvoll wie im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins, so Kutrowatz. Die Materialität dürfte dafür weniger verantwortlich sein, schließlich liegt der Holzanteil beim Musikverein unter 15 Prozent. Trotzdem lieben die Musiker das Holz: »Physikalisch können Beton oder Glas dasselbe leisten, aber psychologisch hat sich Holz bei Musikern als warme Oberfläche eingeprägt«, resümiert Michael Wahl von Müller-BBM. Man sieht: Raumakustik ist immer auch Psychoakustik.


verfasst von

Maik Novotny

ist Architekturjournalist und schreibt regelmäßig für die Tageszeitung Der Standard, die Wochenzeitung Falter sowie für Fachmedien über Architektur, Stadtentwicklung und Design.
www.maiknovotny.com

Erschienen in

Zuschnitt 56
Holz hören

Wie Tonspuren sehen die Jahrringe dieses Baumes aus. Sie führen uns in die faszinierende Klangwelt des Holzes.

8,00 €

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Zuschnitt 56 - Holz hören