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Gemeindekulturzentrum in Ischgl

erschienen in
Zuschnitt 56 Holz hören, Dezember 2014

Daten zum Objekt

Standort

Ischgl/AT Google Maps

Bauherr:in

Gemeinde Ischgl, Ischgl/AT, www.ischgl.tirol.gv.at

Architektur

parc architekten, Michael Fuchs Barbara Poberschnigg, Innsbruck/AT, www.parc.at

Holzbau

Tischlerei Kuen Alois GesmbH & Co KG, Innsbruck/AT, www.tischlerei-kuen.at

Akustik

Peter Fiby, Innsbruck/A, fiby.peter@speed.at

Fertigstellung

2013

Tonpuzzle

Auf dem ehemaligen Dorfanger – zwischen altem und neuem Widum sowie der Kirche – errichteten parc architekten ein Gemeindekulturzentrum, dessen Herz der Musikprobesaal für die mehr als hundertköpfige Dorfkapelle ist.

Das Bauwerk, dessen Planung neben den funktionalen Erfordernissen durch die Hanglage des Grundstücks sowie den unterirdisch querenden und anzubindenden Dorftunnel bestimmt war, schiebt sich in den begrünten Hügel hinein, öffnet sich jedoch zur Kirche, wodurch ein Vorplatz mit überdachter Bühne an der Nordseite sowie Sitzstufen im ansteigenden Gelände an der Südseite geschaffen wurde. Obwohl der Bau großteils unter Terrain situiert ist, dringt über die verglaste Eingangsfront bzw. das an einer Ecke über das Gelände hinausragende Dach viel Tageslicht ins Foyer, den Musiksaal und den Gemeinschaftsraum, es besteht vielfacher Sichtbezug nach außen. Durch die Integrierung ins Gelände, das begrünte Dach und die reduzierte Materialwahl – Sichtbeton, Glas und Eichenholz – nimmt sich das Gebäude gegenüber den dominanten Hotelbauten stark zurück und bildet einen atmosphärischen Kontrapunkt.


Akustisch gab es für die Planer Michael Fuchs und Barbara Poberschnigg von parc architekten zwei verschiedene Anforderungen: Im Musikproberaum steht der Kapellmeister buchstäblich im Zentrum. Bei ihm »konzentriert« sich der Klang, für ihn muss jedes einzelne Instrument hör- und ortbar sein. Zugleich war es wichtig, den Raum akustisch »trocken«, das heißt, mit möglichst wenig Nachhall zu konzipieren, damit die Lärmbelastung für die Musikerinnen und Musiker nicht zu groß ist. Um Flatterechos zu vermeiden, stehen Wände und Decke zueinander nicht parallel. Die Oberflächen werden nun fast zur Gänze aus Absorberelementen gebildet, die vom Fachplaner für Bauphysik und Akustik auf Grundlage von Berechnungen definiert wurden. Prinzipiell bestehen sie aus einer durch Löcher perforierten Deckschicht aus Eichenfurnier mit einer dahinterliegenden, weichen Absorberschicht, die aus einem Akustikvlies und einer 30 mm starken Mineralwolldämmung besteht. Diese weist an ihrer Rückseite ebenfalls Perforierungen auf, um den Schall ein weiteres Mal zu reflektieren und eine präzise Schalllenkung zur ermöglichen. Je nach Absorbertyp haben diese Elemente bestimmte Eigenschaften und schlucken entweder hohe oder tiefe Frequenzen. Wichtig war es, durch die richtige Mischung unterschiedlicher Absorberelemente ein ausgewogenes Klangbild zu erzeugen und ihre Stellung für eine optimale Probenakustik auszurichten.

Insgesamt gibt es 500 sich großteils geometrisch voneinander unterscheidende Akustikelemente, die mittels 3D-Planung auf die Raumgeometrie abgestimmt wurden. Zusätzlich mussten Belichtung, Fugenbild und Furnierrichtung bedacht werden, was einen hochkomplexen Planungs-, Produktions- und Montageablauf erforderte. An diesem waren neben Architekten und Fachplanern auch Holzindustrie und Tischler beteiligt, die von Anfang an in den Prozess eingebunden waren. So wurden die Grundelemente gemeinsam entwickelt, industriell gefertigt und schließlich vom Tischler auf Grundlage einer Werkplanung der Architekten montiert.

Im Gegensatz zum Musikproberaum wurde die überdachte Bühne für die Auftritte der Kapelle so konzipiert, dass der Schall nicht geschluckt, sondern zum Publikum gelenkt wird. Hier gibt es daher keine absorbierenden, sondern schalllenkende Elemente, wie die Rückwand der Bühne, die Paneele der Decke bzw. die schräg gestellten, vertikalen Lamellen vor dem Gemeinschaftsraum.

Die Materialwahl für das gesamte Bauwerk erfolgte unter dem Aspekt, der expliziten Form eine reduzierte Materialität zur Seite zu stellen. Alle Holzelemente – Böden, Wände, Decken, Musikpavillon und Sitzstufen – wurden in heller Eiche ausgeführt, wofür einerseits das elegante Erscheinungsbild, andererseits die Dauerhaftigkeit dieser Holzart ausschlaggebend war. Der Betonkörper bildet nun eine »harte Kruste«, die den »weichen Kern« schützt und die Wirkung des kostbaren, warmen und haptischen Inneren des Proberaums, der wie eine Schatulle in den Baukörper implementiert wurde, unterstreicht und verstärkt.

Die Akustikpaneele unterscheiden sich nicht nur in ihrer Form, sondern auch in ihren akustischen Eigenschaften.

Aufbau Akustikpaneel:

  • Eiche furniert, 20 mm
  • teilweise gelocht
  • Akustikvlies schwarz
  • Unterkonstruktion
  • dazwischen Mineralwolle 30 mm
  • Stahlbetondecke/-wand

verfasst von

Eva Guttmann

ist Autorin, Lektorin und Herausgeberin im Fachbereich Architektur

Erschienen in

Zuschnitt 56
Holz hören

Wie Tonspuren sehen die Jahrringe dieses Baumes aus. Sie führen uns in die faszinierende Klangwelt des Holzes.

8,00 €

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Zuschnitt 56 - Holz hören