Zuschnitt: Was war für Sie das Highlight der letzten 25 Jahre?
Gerhard Schickhofer: Für mich ist Brettsperrholz das bedeutendste Produkt dieser Zeit. 1989 habe ich meine Dissertation über flächenhafte Strukturen im Holzbau begonnen und 1994 abgeschlossen. Bauen mit Stäben, mit Brettschichtholz und mit Konstruktionsvollholz war bekannt, es hat die Fläche im Holzbau gefehlt. Brettsperrholz hat das Bauen in der Fläche erst ermöglicht.
Wie ist das damals entstanden?
Die steirische Sägeindustrie hat nach Einsatzmöglichkeiten für die Seitenware gesucht. 15 Prozent des Materials vom Einschnitt konnten nicht wirklich optimal genutzt werden. Das war der Anlass dafür, nach Lösungen zu suchen. Viele vertraten die Meinung, man muss die Bretter stapeln und vernageln. Die Brettstapelkonstruktionen kamen insbesondere in der Schweiz zur Anwendung. Wir haben das auch versucht, haben es aber schnell wieder fallen gelassen und uns der Fläche zugewandt, indem wir die Bretter nicht mehr stehend eingebaut haben, sondern liegend in Form verklebter Strukturen. Aus dem Projekt heraus hat sich dann das Brettsperrholz entwickelt.
Wann war das circa?
1998 gab es die erste österreichische Zulassung. Zwischen 2005 und 2010 wurde mit dem Markteintritt der heute bekannten Brettsperrholz-Hersteller aus dem Nischen ein Industrieprodukt. Die Produktionsmenge liegt weltweit gegenwärtig bei rund 600.000 m3 pro Jahr und ich bin davon überzeugt, dass in Zukunft noch größere Mengen produziert werden.
Kann man sagen, dass Brettsperrholz das Produkt einer zielgerichteten Forschung gewesen war?
Für mich persönlich war es die Fläche generell, die mich interessiert hat. Ich habe gespürt, dass man im Holzbau mit der Fläche noch mehr als mit Stäben machen kann. Die heutigen Dimensionen im Geschosswohnbau haben wir damals nicht einmal zu denken gewagt. Die ersten Pionierbauten mit Brettsperrholz gab es dann ja in der Steiermark von Hubert Rieß, oder?
Der erste wirkliche Brettsperrholzbau, bei dem die großformatige Fläche sichtbar war, war für mich das Projekt von Karl Moser und seiner Holzbaufirma Merk in Aichach. Das war 1994/95. Karl Moser war für mich einer der Pioniere auf der Unternehmerseite.
Und von dort kam die Bewegung dann in die Steiermark?
Wir an der tu Graz haben uns zur selben Zeit auf wissenschaftlicher Ebene mit diesem Thema befasst. Die Holzbaufirmen Stingl, klh und Santner waren auf österreichischer Seite jene Unternehmen, die das Potenzial sehr früh erkannt haben. Die haben sehr viel investiert und Pionierarbeit geleistet. An der TU Graz und am Kompetenzzentrum holz.bau forschungs gmbh haben wir in den letzten 25 Jahren Brettsperrholz-Forschung vom Produkt bis zum Bausystem betrieben und auch letztlich – gemeinsam mit den Unternehmen – Innovationen mit herausgebracht.
Wo stehen wir heute in dieser Entwicklung der Systematik und der Lösung?
Es reicht nicht aus, nur die Platte auf die Baustelle zu bringen. Wir werden die Vorfertigung weiter vorantreiben müssen. Es gefällt mir persönlich sehr gut, dass sich einige Betriebe in die Modularisierung hineinbewegen, dass sie versuchen, hier – ähnlich wie beim Containerbau –, eine gewisse Systematik in die Grundriss- und die Gebäudegestaltung zu bringen. So können wir noch mehr Fertigungszeit in die Produktionshalle verlagern. Gibt es beim Brettsperrholz aus ihrer Sicht noch etwas zu erforschen? Man könnte zum Beispiel den Holzeinsatz optimieren. Es geht zurzeit sehr stark um die Qualitätsverbesserung. Man muss das Bausystem noch bekannter und für den Architekten noch einfacher handhabbar machen. Außerdem gibt es noch Spezialthemen in der Bemessung zu lösen, wie die Punktlagerung, das Durchstanzen und den Stabilitätsnachweis. Das geht für mich bis hin zu Softwarelösungen.
Wie sind die rechtlichen Rahmenbedingungen?
Wir haben eine äußerst unvollständige Produktnorm. Ich empfehle dringend, die derzeit gültige Brettsperrholz-Produktnorm, die en 16351, zu überarbeiten und ein Festigkeitsklassensystem für Brettsperrholz und die entsprechenden fehlenden Prüfkonfigurationen hineinzubringen.Es gibt zwei Länder, Kanada und Japan, mit denen Sie im Austausch sind – bis hin zu Kooperationen. Da könnten sich schon Exportmöglichkeiten für Österreich und Mitteleuropa eröffnen. Für mich persönlich spielt sich jetzt sehr viel im Wissenstransfer ab. Ich denke, das wird zukünftig unser eigentliches Exportgut sein. Wir haben eine Riesenchance, mit unserem Know-how und unseren Erfahrungen dort zu punkten, sowohl auf wissenschaftlicher als auch auf wirtschaftlicher Ebene. Die Brettsperrholzproduktion ist ein globaler Entwicklungsprozess, der lokal umgesetzt werden soll.
Eine letzte Frage habe ich noch: Es wird mehr Laubholz und weniger Nadelholz geben. Was heißt das aus ihrer Sicht für die Produktentwicklung?
Ich habe ein weiteres Standbein im Bereich der Forschung. Da geht es um Furniere und die damit machbaren Produkte – Furnierschicht- und Furniersperrhölzer. Ich bin der Meinung, Laubholz sollte geschält werden. Die Schälfurniere sind dann die Basis für die Weiterverarbeitung zu Bauprodukten.
Wir werden Laubholz aber auch für den Bau, für Tragkonstruktionen einsetzen.
Selbstverständlich. Da werden wir in der Zukunft noch schöne Entwicklungen erleben – dazu werden wir und andere Institute beitragen.
Gerhard Schickhofer
Leiter des Instituts für Holzbau und Holztechnologie an der Fakultät für Bauingenieurwissenschaften der TU Graz, www.tugraz.at, www.lignum.at