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Schwarzensteinhütte

erschienen in
Zuschnitt 69 Bauen am Berg, März 2018

Daten zum Objekt

Standort

Ahrntal/IT Google Maps

Bauherr:in

Autonome Provinz Bozen-Südtirol, Bozen/IT, www.provinz.bz.it/bauen-wohnen

Architektur

Stifter + Bachmann, Pfalzen/IT, www.stifter-bachmann.com

Statik

Stefano Brunetti, Bruneck/IT, www.ing-brunetti.com

Holzbau

HOKU GmbH, Toblach/IT, www.hoku.it

Höhe

3.026m ü.M.

Fertigstellung

2018

Ein Turm mit minimaler Bodenhaftung

Die neue Schwarzensteinhütte steht als höchstgelegene Hütte der Zillertaler Alpen auf 3.026 Metern Seehöhe und erscheint aus der Entfernung betrachtet als Teil der Felsformation. Sie ist der Ersatzbau für die alte, 1894 erbaute Schwarzensteinhütte. Die neue Hütte ist hoch, zugleich klein in der Grunfläche, somit zurückhaltend gegenüber dem Bauplatz.

Die Alpenvereine haben das Erschließungsprojekt der Alpen abgeschlossen, neue Hütten werden grundsätzlich keine mehr errichtet. Ersatzbauten sind, wie in diesem Fall, zwar möglich, aber sehr selten. Auch ging der Bau der Schwarzensteinhütte, wie die Planungen zweier weiterer Schutzhütten in Südtirol, aus einem geladenen Architekturwettbewerb hervor, den die Autonome Provinz Bozen-Südtirol 2011 ausgelobt hat. Das ist neu und eine klare Folge der jungen, aber häufiger werdenden Auseinandersetzung mit Architektur im Hüttenbau.

Aufgabe des Wettbewerbs war eine Schutzhütte mit bekannter Raumorganisation: im Erdgeschoss ein Eingangsbereich, der Speisebereich und Küche erschließt, darüber Schlafplätze in möglichst kleinen Einheiten sowie Waschräume mit jeweils einer Dusche für Frauen und Männer. Komfort ist, wie bei Berghütten üblich, gegenüber der Schutzfunktion zweitrangig. Neben einem brandschutztechnischen Kern sind auch die beiden felsberührten Geschosse aus Betonfertigteilen. Darüber liegen vier Holzgeschosse. Konstruktion und Material entsprechen auch den Bearbeitungs- und Wartungsmöglichkeiten durch örtliche Handwerker. Beim Innenausbau und den Täfelungen kam unbehandelte Fichte zum Einsatz. Gehüllt ist der gesamte Bau in eine Stehfalzdeckung aus Kupferblech.

Was bedeutet es jedoch für die Landschaft, so einen Bau zu platzieren?
Die Landschaft ist beeindruckend schön. Die Architektur unterstreicht das. Mit allen Mitteln der Technik versucht sie schonend mit der Umwelt umzugehen. Sie inszeniert den Blick aus dem Inneren auf den Gletscher. Ihre freie Form passt sich in die Landschaft ein, ist Teil der bestehenden Formationen und hebt sich zugleich durch Künstlichkeit und Perfektion daraus hervor. Will man in solchen Gebieten bauen – und das stand außer Frage –, ist das eine ambivalente, aber sehr gute Antwort.

 »Wir schöpfen den Luxus aus den Dingen, nicht aus den sonst üblichen Standards«
Architekt Helmut Stifter von Stifter+Bachmann über das Bauen am Berg

»Wir haben auf 3.000 Metern Seehöhe gebaut. Das ist schon wieder etwas ganz anderes als 400 bis 500 Höhenmeter weiter unten. Das ist Bauen in Extremen. Ein großer Unterschied zum Bauen im Tal ist neben der Bodengeologie (Permafrost) und der extremen Witterung die Baustellenlogistik. Wie bringe ich die Dinge nach oben? Das erfordert eine extreme Vorausplanung. Alle Materialentscheidungen waren von diesen Extrembedingungen bestimmt. Wir haben alle felsberührenden Teile in Beton gemacht. Für den Rest haben wir uns für einen Holzbau entschieden, weil er binnen Tagen aufgestellt werden kann und die Holzriegelwände und die Decken aus Brettsperrholz schlanke Bauteile ermöglichen und damit Volumen einsparen. Nicht nur das Holz, auch alle anderen Materialien wie die Außenverkleidung aus Kupferblech haben wir so gewählt, dass sie bei jeder Temperatur und auch bei Schlechtwetter verarbeitbar und montierbar sind – sowohl auf der Baustelle als auch später bei der Wartung und Instandhaltung. Es ist ein einfacher und kostengünstiger Holzbau geworden, auch in Bezug auf die Haustechnik. Wir haben nur Technologien eingebaut, die der Hüttenwirt selbst betreuen kann. Das entspricht aber auch dem, wie ich eine Berghütte verstehe: Hier braucht es keine Bewegungsmelder, Einzelraumregler und sonstige Standards, welche man in jedem Hotel im Tal findet. Das haben wir bewusst weggelassen und uns auf das Notwendigste konzentriert. In den Schlafkojen gibt es in der Raummitte ein Licht, einen Schalter und eine Steckdose. Wie in den alten Schutzhütten gibt es auch hier keine Heizung, sondern sparsames Kunstlicht und Konzentration auf das Material. Alle Schlafräume und die Stube sind mit naturbelassener Fichte ausgekleidet.

Es gibt dort nur die Aussicht, das Holz und über dem Tisch ein Licht. Alles nicht unbedingt Notwendige haben wir weggelassen. Wir schöpfen den Luxus nicht aus den sonst üblichen Standards. Der wirkliche Luxus ist der Ausblick in die Landschaft und diese spürbare Exponiertheit des Menschen auf dem Berg.

Bei dieser Baustelle haben wir gelernt, dass man auch mit einem geringen Budget und Beschränkung auf wenige Dinge sehr viel erreichen kann. Wir haben gewisse Vorlieben und Prozesse in der Planung bei diesem Projekt abgelegt, uns aufs Wesentliche beschränkt und dabei erkannt, dass trotzdem etwas Gutes herauskommt. Aber bis ein Projekt so weit abgespeckt ist, dass es nur mehr aus diesen elementaren Dingen besteht – dem Atmosphärischen im Raum, dem Ausblick, dem Einbeziehen der Landschaft –, ist das viel Arbeit.«

Dachaufbau

Kupferblech, Stehfalz 0,7mm
Trennlage
Brandschutzpaneel,
zementgebunden 20mm
Hinterlüftungsebene 150mm
Unterdachbahn
OSB-Platte 25mm
Wärmedämmung, zweilagig mit
Polsterhölzern 200mm
Brettsperrholz 160mm
Dampfbremse
Abhängung
Deckenuntersicht,
Fichte natur 20mm

Wandaufbau ab EG

Kupferblech, Stehfalz 0,7mm
Rauschalung Fichte 30mm
Hinterlüftung 40mm
Windfolie
OSB-Platte 22mm
Holzständerkonstruktion,
dazwischen Wärmedämmung 180mm
OSB-Platte 22mm
Dampfbremse
Installationsebene 30mm
Holzverkleidung, Fichte natur 20mm

Wandaufbau 1. + 2. UG

Kupferblech, Stehfalz 0,7mm
Rauschalung Fichte 30mm
Hinterlüftung 40mm
Windfolie
OSB-Platte 22mm
Wärmedämmung mit
Polsterhölzern 140mm
Stahlbeton 250mm
Innenputz 15mm


verfasst von

Doris Hallama

Architektin und Kunsthistorikerin mit Schwerpunkten in der alpinen Landschafts- und Baukulturforschung. Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Theorie und Geschichte von Architektur, Kunst und Design der TU München.

Erschienen in

Zuschnitt 69
Bauen am Berg

Bauen am Berg ist Bauen unter Extrembedingungen. Genau hier punktet der Holzbau mit all seinen Eigenschaften wie Leichtigkeit, Robustheit und Atmosphäre.

8,00 €

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Zuschnitt 69 - Bauen am Berg