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Wie baut man im Hochgebirge?
Die deutschsprachigen Alpenvereine, oft Bauherren der Schutzhütten, antworten

erschienen in
Zuschnitt 69 Bauen am Berg, März 2018
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Haben sich im Hochgebirge eher technisch einfache (Lowtech) oder aufwendigere Baulösungen (z. B. Passivhäuser) bewährt?

Martin Niedrist Höhenstufe, Betriebszeit, verfügbare Energie, Erreichbarkeit der Baustelle und viele weitere Aspekte müssen von Beginn an in der Planung aufgegriffen werden. Es hat sich gezeigt, dass Lowtech am Berg auch weiterhin seine Berechtigung hat. Aufwendige Lösungen müssen perfekt durchdacht sein, sonst bleiben installierte Systeme anfällig für Störungen und hohe Wartungskosten machen sich rasch bemerkbar.

Xaver Wankerl Der Deutsche Alpenverein ist davon überzeugt, dass man im Hochgebirge so einfach wie nur irgend möglich bauen sollte. Je einfacher ein Gebäude aufgebaut ist, desto weniger anfällig ist es für Fehler und Fehlfunktionen. Und darauf ist man beim Betrieb einer Hütte angewiesen, denn es kann nicht einfach schnell einmal ein Techniker vorbeikommen, um etwas zu reparieren.

Peter Kapelari Der Stand der Technik im Schutzhüttenbau ist heute die Fertigteilbauweise mit Brettsperrholz. Kurze Montagezeiten auf dem Berg und Versatz mittels Hubschrauber bringen enorme Vorteile. Wir suchen nach möglichst einfachen Lösungen und bauen mit heimischem, nachwachsendem Rohstoff mit idealen Dämmeigenschaften. Die Erfahrung hat gezeigt: Je mehr Technik, desto mehr Fehler und Pannen.

Ulrich Delang Je mehr Lowtech eine Hütte ist, desto zufriedener sind wir. Bei einer Hightech-Lösung sind die Bau-, Betriebs- und Unterhaltskosten in der Regel höher. Wir aber möchten die Kosten gering und den Betrieb einfach halten.

Wie viel Komfort und Technik braucht überhaupt eine Hütte in den Bergen?

Martin Niedrist Immer mehr – leider! Dazu tragen nicht nur gestiegene Ansprüche der Gäste bei, auch gesetzliche Vorgaben lassen den Energiebedarf eher ansteigen als sinken. Durch Bewusstseinsbildung versuchen die Alpenvereine, auf das oftmals begrenzte Angebot an Ressourcen hinzuweisen.

Xaver Wankerl Wir sind bestrebt, übertriebenen Komfort in Hütten zu vermeiden. Technik ist jedoch auf jeder Hütte erforderlich. Wir achten sehr darauf, dass für die jeweiligen Erfordernisse möglichst einfache technische Lösungen zur Anwendung kommen.

Peter Kapelari Die Hütten sollen bewusst einfach und gemütlich sein. Das bedeutet keinesfalls eine »Lederhosenarchitektur«, sondern vielmehr ein warmes Raumklima und Ambiente – dies führt automatisch zum Werkstoff Holz. Das Augenmerk im Hüttenbau liegt heute vermehrt auf Funktionalität und, wo immer möglich, auf mehr »Intimsphäre« im Vergleich zu früheren Zeiten. Das heißt kleinere Schlafräume statt der großen Matratzenlager von früher.

Ulrich Delang »Der Charakter von einfachen Gebirgsunterkünften bleibt ihr herausragendes Merkmal.« Unser Leitbild bei der Planung der Hütten gilt sowohl für den Komfort als auch für die Technik. Die Frage kann nicht abschließend beantwortet werden, da jede Generation ihre eigenen Maßstäbe setzt.

Wie sieht es mit der Materialwahl für Berghütten aus? Welche Materialien werden von Ihnen für den Bau von Berghütten befürwortet?

Martin Niedrist Es geht weniger um das Material an sich, als vielmehr um den baulich korrekten Einsatz. Die Ausführung der Details muss den Anforderungen vor Ort genügen. Aufgrund der Vorteile der Fertigbauweise – schnelles und präzises Bauen – ist der Einsatz der Holzbauweise zu begrüßen. Neben dem relativ geringen Transportgewicht bringt Holz gute Eigenschaften hinsichtlich Wärmedämmung und Haptik mit.

Xaver Wankerl Die Materialien müssen ökologisch verträglich, langlebig und am besten leicht transportierbar sein. Materialien, die bei der Herstellung oder Entsorgung problematisch sind, sollten weitgehend vermieden werden (Aluminium, PVC etc.). Klassischerweise wird man im erdberührten Bereich nicht um Stahlbeton herumkommen. Darüber werden Gebäude meist aus vorgefertigten Holzelementen errichtet (überwiegend Brettsperrholz).

Peter Kapelari Im Bereich der Fundamente kommt man nicht ohne Beton aus, auch wenn hier durch den Hubschraubertransport gewaltige Kosten entstehen. Darüber wird fast ausschließlich in Holz gebaut – zuletzt fast immer in Form von Brettsperrholzelementen. Bewährt und beliebt ist die Fassadengestaltung mit Lärchenschindeln. Wo das Niederschlagswasser gesammelt werden muss, verwenden wir zur Dacheindeckung und für geneigte Fassaden Aluminium.

Ulrich Delang Wir wünschen uns Langlebigkeit, Hochgebirgstauglichkeit und Unterhaltsfreundlichkeit sowie einfache Montage: Da die Hütten in den Sommermonaten gebaut werden müssen, kommt es auf eine schnelle Montage und die Leichtigkeit der Elemente für den Transport an. Daher verwenden wir oft vorfabrizierte Holzemente. Es gibt aber auch Ausnahmen, zum Beispiel vor Ort errichtete Steinfassaden. Wir geben aber keine Materialwahl vor, die überlassen wir dem Planer und der Planerin.

Ist die Öko-Bilanz für Sie ein Thema – wie etwa der CO2-Verbrauch für Errichtung und Betrieb?

Martin Niedrist Der Bewertung der Öko-Bilanz wird ein hoher Stellenwert beigemessen. Man sollte ja nicht nur Erbauung und Installation, sondern auch Betrieb, Wartung und bestenfalls den Rückbau in die Gesamtrechnung miteinbeziehen.

Xaver Wankerl Das ist ein großes Thema, wobei die CO2-Bilanz nur ein Bewertungskriterium unter mehreren ist.

Peter Kapelari Ja, absolut! Wir versuchen den ökologischen Fußabdruck für Bau und Betrieb einer Hütte zu bewerten und möglichst gering zu halten. In der CO2-Bilanz ist Holz natürlich wie erwartet unschlagbar.

Ulrich Delang Die CO2-Bilanz spielt bei der Wahl des Energieversorgungssystems eine wichtige Rolle. Deshalb bevorzugen wir die Nutzung von erneuerbaren, vor Ort verfügbar gemachten Energiequellen (Sonne, Wasser, Wind) und streben zugleich ein möglichst kompaktes und gut isoliertes Gebäude an.

Martin Niedrist

ist Mitarbeiter des Alpenvereins Südtirol (AVS) und Sachbearbeiter für den Bereich Schutzhütten. Der AVS betreibt zwölf Alpenvereinshütten, neun Bergheime und sechs Biwaks und ist beratend tätig bei 17 weiteren Schutzhütten des Landes Südtirol. www.alpenverein.it

Xaver Wankerl

ist Architekt und beim Deutschen Alpenverein (DAV) für den Bereich Hüttenbau und technik zuständig. Der DAV betreibt 322 Hütten, davon 201 Hütten der Kategorie I. Das sind Stützpunkte für Bergsteiger und Bergwanderer, die in der Regel nicht mit mechanischen Hilfen erreichbar sind. www.alpenverein.de

Peter Kapelari

ist Generalsekretär-Stellvertreter des Österreichischen Alpenvereins sowie Abteilungsleiter Hütten, Wege und Kartographie und Leiter Bergwaldprojekt. Der Österreichische Alpenverein betreibt 242 Schutzhütten inklusive einiger Biwaks. www.alpenverein.at

Ulrich Delang

ist Mitglied der Geschäftsleitung und Ressortleiter Hütten und Infrastruktur beim Schweizer Alpen Club (SAC). Der SAC betreibt 152 Hütten und Biwaks. www.sac-cas.ch

Der Club Arc Alpin (CAA) ist der Dachverband der acht führenden Alpenvereine. Die im CAA zusammengeschlossenen alpinen Vereine haben ein Energieeffizienz-Tool zur Berechnung der CO2-Bilanz für Hütten entwickelt. www.club-arc-alpin.eu


verfasst von

Anne Isopp

ist freie Architekturjournalistin, -publizistin und Podcasterin in Wien. Sie war von 2009 bis 2020 Chefredakteurin der Zeitschrift Zuschnitt. In ihrem Architekturpodcast Morgenbau spricht sie mit Menschen aus der Baubranche über nachhaltiges Bauen.

Erschienen in

Zuschnitt 69
Bauen am Berg

Bauen am Berg ist Bauen unter Extrembedingungen. Genau hier punktet der Holzbau mit all seinen Eigenschaften wie Leichtigkeit, Robustheit und Atmosphäre.

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Zuschnitt 69 - Bauen am Berg