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Wohnbau Dalston Lane in London

erschienen in
Zuschnitt 71 Wohnbau mit System, September 2018

Daten zum Objekt

Standort

London/UK Google Maps

Bauherr:in

Regal Homes, London/UK, www.regal-london.co.uk

Architektur

Waugh Thistleton Architects, London/UK, waughthistleton.com

Statik

Ramboll, London/UK, www.ramboll.co.uk

Holzbau

B & K Structures Ltd, Derby/UK, www.bkstructures.co.uk

Anzahl Wohnungen

121 (davon 15 geförderte)

Nettonutzfläche

12.500m²

Fertigstellung

2017

Typologie

Wohnbauten

Mit der Erfahrung kommt die Materialeffizienz

Der Wohnbau in der Dalston Lane ist der neueste und zugleich ambitionierteste Holzbau des Londoner Architekturbüros Waugh Thistleton. Mit seinen 12.500m² Wohnfläche und 3.400m² Büro- und Verkaufsflächen wurde er auf einem schmalen, schwer zugänglichen Grundstück mit einer kleinen Baumannschaft und in kurzer Zeit gebaut. Allein die hohe Vorfertigung führte zu einer erheblich geringeren Verkehrs- und Lärmbelastung für den Stadtteil. Die Decken sind aus 140 bis 180mm starken Brettsperrholzplatten, die Wände aus 100 bis 160mm starken Platten. Die Gesamtkonstruktion wiegt gerade einmal 3.500 Tonnen. Ein Stahlbetonbau hätte im Vergleich dazu bis zu 10.700 Tonnen, also drei Mal so viel gewogen, aber über 35 Prozent weniger Wohnfläche verfügt.

Hinter Backsteinen versteckt

Der Wohnbau besteht aus drei Bauteilen mit fünf bis zehn Geschossen, liegt etwas zurückversetzt von der Straße und wirkt viel zurückhaltender als die angrenzenden Wohnhochhäuser des Dalston Square. Von den 121 Mietwohnungen sind 15 gefördert, im Erdgeschoss und Untergeschoss befinden sich Büro- und Verkaufsflächen. Backsteine in drei Rottönen und einem Schwarzton bekleiden die Außenfassaden. Sie spiegeln die Bautradition der lokalen viktorianischen Lagerhäuser wider und lassen von der dahinterliegenden wabenförmigen Tragstruktur aus Holz kaum etwas erahnen. Mit dieser Strategie begegnen Waugh Thistleton seit Jahren der großen Skepsis der Bauträger gegenüber dem Baustoff Holz.

Andrew Waugh von Waugh Thistleton, in Großbritannien einer der größten Verfechter der Holzmassivbauweise, überzeugte die Bauträger von Regal London davon, nicht drei Betonturmblöcke mit jeweils zwanzig Geschossen zu bauen, sondern niedrigere Gebäude aus Holz, die aber die gleiche Raumdichte aufweisen und zu wettbewerbsfähigen Kosten errichtet werden konnten. »Nur bei zwei unserer zwanzig Holzgebäude wurden wir ausdrücklich darum gebeten, in Holz zu bauen«, so Waugh. Überhaupt sind alle neueren Projekte von Waugh Thistleton wie Gray’s Inn Road, King’s Cross oder der Vorort Aubervilliers in Paris in ihrer Höhenentwicklung zurückhaltend. Andrew Waugh kritisierte in den letzten Jahren immer schärfer den Bau von Hochhäusern, sei es aus Holz oder aus anderem Material.

Ohne Holzbauerfahrung begonnen

Mit ihrem ersten Wohnbau aus Brettsperrholz, dem achtgeschossigen Murray Grove (2008), hatten Waugh Thistleton Architects den Weg für den mehrgeschossigen Wohnbau in Holz bereitet. Weltweit entstehen seitdem immer mehr und höhere Holzhäuser. Seit Murray Grove propagiert das Studio – so wie dRMM auch – sehr stark das Bauen mit Holz und plädiert für eine Architektur, die auf modernen vorgefertigten Holzwerkstoffen basiert. Aber Waugh und seine Kollegen betonen sogleich, dass sie im Holzbau selbst ohne Erfahrung begonnen haben. Erst durch Murray Grove lernte das damals noch kleine Team im Laufe des Projekts und darüber hinaus viel über das Bauen mit Holz. In den folgenden Jahren wuchs ihre Expertise rund ums Bauen mit Brettsperrholz weiter. Seit einigen Jahren widmen sich Waugh Thistleton vollkommen dem Holzbau. Damit können sie stärker auf Nachhaltigkeit setzen.

Materialeffizient

Wie hoch mittlerweile das Holzbauwissen von Waugh Thistleton ist, zeigt sich auch am ausgeklügelten Tragwerk von Dalston Lane. Im Vergleich zum Wohnbau Murray Grove ist die prototypische Brettsperrholzstruktur viel materialsparender konzipiert. Hier werden die Brettsperrholzplatten nach oben hin immer dünner. Zudem haben sich Andrew Waugh, Anthony Thistleton und ihr Team längst von reinen Brettsperrholzkonstruktionen in Richtung hybrider Bauteile bewegt. Heute setzen sie dort, wo es Sinn ergibt, auch andere, passendere und effizientere Holzfertigprodukte ein, bei ihrem aktuellen Fabrikgebäude Leamington Spa Vitsœ sind dies Leimholzträger und Buchenfurnierschichtholz. Man sieht, dass auch Waugh Thistleton nicht auslernen und ihre Expertise mit jedem neuen Projekt weiter wächst.


verfasst von

Oliver Lowenstein

ist Chefredakteur von Fourth Door Review, einem britischen Kultur- und Öko­logiemagazin. www.fourthdoor.co.uk

Erschienen in

Zuschnitt 71
Wohnbau mit System

Mehrgeschossige Wohnbauten in Holz ergeben Sinn, haben System und zeichnen sich durch hohe Wohnqualität aus.

8,00 €

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Zuschnitt 71 - Wohnbau mit System