Mit der Entwicklung neuer Fertigungs- und Entwurfstechniken und neuer Konstruktionsweisen bauten die Holzbaubetriebe auch ihre Kompetenzen aus. Vor allem jene Betriebe, die auch Groß- und Sonderprojekte errichten, sind längst nicht mehr nur im Bereich der Produktion und Errichtung tätig. Sie bieten vom Entwurf bis zur Ausführungsplanung in jeder Projektphase ihre Leistungen an. Wir haben bei vier Holzbaubetrieben nachgefragt.
Wie hat sich der Markt für Ingenieurholzbau entwickelt?
Michael Bauer Im Ausland entwickelt sich der Ingenieurholzbau hin zu freien Formen und aufgelösten Konstruktionen. Auf dem österreichischen Markt hingegen hat sich der Ingenieurholzbau zum Bauen mit Vollwandbindern entwickelt. Hier liegt der Hauptanteil im Industriebau. Der Holzbau kann sich vor allem bei weitgespannten Konstruktionen (größer als 25 Meter) behaupten und wenn es höhere Anforderungen an den Brandschutz gibt.
Roman Fritz Der Markt des Ingenieurholzbaus entwickelt sich global laufend weiter. Die Nachfrage nach dem Material Holz bei Hochbauten steigt laufend, vor allem im Bereich der mehrgeschossigen Bauten. Dies bedeutet auch eine steigende Nachfrage an Ingenieurleistungen in diesem Bereich.
Richard Jussel Der Holzbau ist in die Höhe und Breite gewachsen und mit ihm die Anforderungen.
Erich Wiesner Anfang der 1980er Jahre, als ich in das Unternehmen gekommen bin, wurde Brettschichtholz noch immer fast ausschließlich von Holzbau- und Zimmereibetrieben produziert, also von Betrieben, die dieses dann auch großteils selbst verbaut haben. Mit dem Aufbau der ersten Produktionen von Standardbrettschichtholz hat sich das rasch geändert. Heute verfügt der Holzbau über eine moderne Zulieferindustrie, die ähnlich wie der Betonbau fertige Bauteile an die Bauwirtschaft liefert. Der Markt für Ingenieurholzbauprojekte ist insgesamt größer geworden.
Welche Entwicklungen im Ingenieurholzbau erwarten Sie?
Michael Bauer Grundsätzlich ist der Marktanteil im Holzbau in den letzten drei Jahrzehnten gestiegen. Der Holzbau ist leistungsstark und verzeichnet insgesamt eine positive Entwicklung.
Roman Fritz Wenn die positive Entwicklung weiter anhält – und vieles spricht dafür – gewinnt der Ingenieurholzbau weiter an Bedeutung und kann sich im besten Fall als dritte »Material-Branche« im Hochbau etablieren. Parallel dazu erfolgt eine laufende Professionalisierung und Industrialisierung. Dies erhöht kontinuierlich die Leistungsfähigkeit der Branche.
Richard Jussel Der Holzbau wird weiter wachsen und mit ihm alle Disziplinen im Holzbau. Er hat in den letzten Jahren bereits einen großen Marktanteil gewonnen, was wiederum Know-how und Wissen fördert. Wenn ganze Stadtteile in Holz geplant werden, wird auch das Produktionsnetzwerk gefördert.
Erich Wiesner Dass Architekten wie Norman Foster, Shigeru Ban und andere Stars der Architektur den Rohstoff Holz wiederentdeckt haben, ist für uns eine große Chance. Wir konnten dadurch viel Aufmerksamkeit auf uns ziehen, was für die gesamte Holzbranche einen hohen Vorteil bietet. Auch wenn nur ein paar wenige Betriebe diese Speerspitze bilden, öffnen sich damit auch für alle anderen Betriebe neue Märkte und Anwendungsbereiche.
Woran muss aktuell geforscht werden?
Michael Bauer Ich sehe die große Herausforderung in der Digitalisierung. Auch das Material ist ein globales Thema. Wenn man die Entwicklung der Fichte betrachtet, die großen Schadholzmengen, stellt sich die Frage, ob es Alternativen zur Fichte gibt. Im Bereich der Normung sollte man die Beschaffenheit der Lamellen genauer spezifizieren: Welche Lamellenstärke ist wo erlaubt, gerade im Hinblick auf Rissigkeit, Quellen und Schwinden?
Roman Fritz Kernthemen beim Ingenieurholzbau sind z. B. die Ausbildung von Zwischendecken bei mehrgeschossigen Hochbauten, die Verbindungstechnik von Knoten und der Schallschutz. Die aktuellen Herausforderungen sehe ich zudem in der Etablierung eines Industriestandards, in der Leistungsfähigkeit, um die Nachfrage mit entsprechender Qualität und Quantität zu decken. Die Wirtschaftlichkeit muss im Durchschnitt gleich bzw. konkurrenzfähig zu den Materialalternativen sein. Es ist darauf achtzugeben, dass, speziell in Zusammenhang mit wachsenden Projektgrößen, keine Fehler passieren, die dem Ruf des Ingenieurholzbaus schaden.
Richard Jussel In enger Zusammenarbeit mit der Praxis muss an der digitalen Wertschöpfungskette geforscht werden mit dem Ziel, den zukünftigen Bauprozess zu optimieren und teilweise zu automatisieren. Die Herausforderung liegt auch darin, die Berufsausbildung weiter zu optimieren und damit die Zukunft des Holzbaus zu sichern.
Erich Wiesner Wir haben nun die ersten Freiformen und parametrisierten Projekte erfolgreich abgewickelt und umgesetzt. Dabei stellen die Digitalisierung, die Schließung der CNC-Kette und die Logistik große Herausforderungen dar. Die Digitalisierung im Holzbau geht sicher noch viel weiter. Auch im Bereich der Holzarten und der Kombination mit anderen Materialien sind wir noch lange nicht am Ende. Forschungsbedarf gibt es darüber hinaus in der Verbindungsmitteltechnologie.
Michael Bauer ist Geschäftsführer der Graf-Holztechnik GmbH
Roman Fritz ist Geschäftsführer der Rubner Holzbau GmbH
Richard Jussel ist Geschäftsführer der Blumer-Lehmann AG
Erich Wiesner ist Geschäftsführer der WIEHAG GmbH