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Einfach bauen
Ein Forschungsprojekt an der TU München

erschienen in
Zuschnitt 75 Potenzial Holz, September 2019

Einfach zu bauen, versteht sich als eine Gegenbewegung zur steigenden Komplexität von Konstruktion und Gebäudetechnik. In einem Forschungsprojekt wurde an der TU München 2018 die Hypothese überprüft, ob Gebäude mit einfacher und robuster Konstruktion und Gebäudetechnik gegenüber Wohngebäuden in Standard- und Niedrigenergiebauweise überlegen sind. Im Fokus standen die Umweltwirkung und Lebenszykluskosten über einen Betrachtungszeitraum von hundert Jahren.

Dabei wurden verschiedene Raumvarianten in den Bauweisen Leichtbeton, hochwärmedämmendes Mauerwerk und Massivholz untersucht. Die Entscheidung für monolithische Wand- und Deckenkonstruktionen wurde bereits in der Antragsphase gefällt. Grund hierfür war der Wunsch, durch eine einschichtige Bauweise die Komplexität der Gebäude in der Planungs- und Bauphase, aber auch während der Instandsetzung und dem Rückbau zu reduzieren. Jeder Knotenpunkt im Detail, jede Übergabestelle von verschiedenen Gewerken auf der Baustelle birgt das Risiko für Fehler. Bei mehrschichtigen Bauteilen übernehmen die einzelnen Schichten jeweils spezielle Anforderungen. Durch die unterschiedliche Haltbarkeit und Nutzungsdauer der Bauteilschichten müssen diese während und auch am Ende der Lebenszeit eines Gebäudes wieder voneinander getrennt werden.

Für den Holzbau bedeutete dies die Wahl eines Vollholzwandbauteils, das die Anforderungen an die deutsche Energiesparverordnung (EnEV) erfüllen musste, und zwar mit möglichst wenig Ressourceneinsatz. Es gibt bereits ein zugelassenes Produkt auf dem Markt, das durch schmale, vertikale Schlitze in den
vertikalen Mittellagen des Holzquerschnitts – einem Hohlkammerziegel ähnlich – Lufteinschlüsse ins Bauteil integriert.

Durch diese Luftkammern im Querschnitt ist eine Verringerung der Wärmeleitfähigkeit auf λ = 0,07 W/mK möglich, womit ein U-Wert von 0,28 W/m²K bereits bei Wandelementen mit einer Dicke von 23 cm erreicht wird.
Allerdings zeigte sich in den Simulationen, dass nur ein Holz-Hybridbau robust genug ist, um in Bezug auf Speichermasse und Wirtschaftlichkeit mit Bauten aus Beton oder Mauerwerk mithalten zu können. Um die Anzahl der Übertemperaturgradstunden zu senken, wurde für den Holzbau daher eine Betondecke eingeplant.

Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass sich die drei Einfach-Bauen-Varianten unter normalen Umständen in Bezug auf Umwelteinwirkung und Kosten etwa vergleichbar mit dem Standard- und dem Niedrigenergiehaus verhielten. Ändern sich jedoch die Randbedingungen, zeigen die einfachen Bauten eine höhere Robustheit sowohl gegen unvorhergesehenes Nutzerverhalten als auch gegen Wetterextreme oder nicht funktionsfähige Haustechniksysteme. Folgt man der Annahme, dass ein Gebäude hundert Jahre oder mehr Bestand hat, zahlt sich ein etwas größerer Materialeinsatz in der Konstruktion also langfristig aus.

Derzeit entstehen drei Forschungshäuser in einfacher Bauweise in Bad Aibling. In einem Monitoring-Verfahren werden Verbräuche und Raumkomfort gemessen und ausgewertet. Dies ist Teil des laufenden Forschungsprojekts Einfach Bauen 2, das bis Ende 2020 läuft.

Ausführungsplanung für eines der drei Forschungshäuser für Bad Aibling. Architekt Florian Nagler verwendete hier Vollholzwandbauteile mit schmalen Schlitzen in den vertikalen Mittellagen. Einem Hohlkammerziegel ähnlich, verringern die Lufteinschlüsse die Wärmeleitfähigkeit der Bauteile.

Einfach Bauen. Ein Forschungsprojekt an der TU München, www.einfach-bauen.net


verfasst von

Anne Niemann

studierte Architektur und ist seit 2008 an der TU München am Lehrstuhl für Entwerfen und Holzbau bei Prof. Kaufmann, seit 2017 zusätzlich am Lehrstuhl für Entwerfen und Konstruieren bei Prof. Nagler in Forschung und Lehre tätig. Seit 2018 hat sie einen Lehrauftrag an der Hochschule Augsburg. Sie leitet das Forschungsprojekt Einfach Bauen gemeinsam mit Florian Nagler und Tilmann Jarmer.

Erschienen in

Zuschnitt 75
Potenzial Holz

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Zuschnitt 75 - Potenzial Holz