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Essay
Die Ressourcenwende steht vor der Tür

erschienen in
Zuschnitt 75 Potenzial Holz, September 2019

Die Geschichte lehrt uns, dass der Mensch mit einem Überfluss an Ressourcen noch nie wirklich verantwortungsvoll umgegangen ist. Nach einer ungehemmten und sorglosen Nutzung oder Ausbeutung folgte postwendend eine Verknappung, die meist zu gesellschaftlichen Umwälzungen führte. Heute befinden wir uns in einer ähnlichen Situation, und das bei allen Ressourcen, die der Mensch für die Erhaltung seines gewohnten Lebensstandards benötigt.

Im Bereich der nachwachsenden Rohstoffe besteht derzeit noch großes Potenzial. Noch haben wir keine wirklichen Engpässe beim Holz. Doch die Ressourcenwende steht vor der Tür. Holz als wichtigster nachwachsender Baustoff wird weltweit zunehmend nachgefragt werden, der Kampf um den Rohstoff wird auch durch das Interesse anderer Branchen wie Energie, Chemie, Textilindustrie, Papier härter werden. Hinzu kommt die Tatsache, dass gewohnte Baumarten durch die klimatischen Veränderungen unter Druck geraten und damit die Lage verschärft wird. Es ist ein Gebot der Stunde, jetzt verstärkt darüber nachzudenken, wie wir damit umgehen wollen, dass auch diese Ressource knapp wird, und wie wir es vermeiden können, den alten Fehler der Übernutzung zu wiederholen.

Die potenzielle Leistungsfähigkeit von Holz und holzbasierten Produkten ist noch nicht voll ausgeschöpft. Zielsetzung künftiger Forschung im Holzbau muss es sein, Lösungen für nachhaltige Holzverwendung und die wiederholte stoffliche Nutzung der daraus erzeugten Produkte zu entwickeln. Die Forderung, den nachwachsenden Rohstoff Holz möglichst effizient zu nutzen, kann durch die kontinuierliche Optimierung der Prozesse und Produkte sowie die Entwicklung innovativer neuer Werkstoffe erfüllt werden.

Im Bereich der Baukonstruktionen hat teilweise einseitiges und kurzfristiges wirtschaftliches Denken zu Lösungen geführt, die nur mit hohem Aufwand wiederverwertbar sind bzw. zu wenig auf sparsamen Ressourcenverbrauch fokussieren. Sie sind zwar derzeit noch wirtschaftlich umsetzbar, weil genügend Ressourcen vorhanden sind. Aber das wird sich in absehbarer Zeit ändern.
Noch haben wir genug Rohstoff in den Märkten und damit auch Zeit, die richtigen Lösungen zu entwickeln.

Ganz konkret müssen folgende Themen bearbeitet werden:

  • Angepasste Lösungen und Konzepte für gleichbleibende oder sogar steigende technische Anforderungen an Endprodukte bei gleichzeitig reduziertem Materialeinsatz
    Hier geht es darum, die derzeitigen Konstruktionsmethoden auf ihre Ressourceneffizienz hin zu hinterfragen. Wo setze ich welches Material ein und in welcher Menge? Bevor das gezwungenermaßen durch den Preis geregelt wird, müssen wir, auch um konkurrenzfähig zu bleiben, jetzt schon Lösungen dafür entwickeln.
     
  • Nutzung potenzieller Holzquellen und Adaption von Bauprodukten aufgrund der sich ändernden Holzartenangebote
    Wir verwenden derzeit für das Bauwesen hauptsächlich Fichte. Es gibt aber Möglichkeiten, andere Holzarten, die derzeit wenig stofflich genutzt werden, für das Bauwesen zu erschließen. Insbesondere ihre Integration in Brettschicht- bzw. Brettsperrholz, Furnierschichtholz etc. ist eine relevante Forschungsfrage mit dem Nebeneffekt, dass die Produkte gleichzeitig leistungsfähiger werden können. 
     
  • Erhöhung der Recyclingquote durch Entwicklung von Baumethoden mit garantierter Rückbaubarkeit und Wiederverwendung der eingesetzten Rohstoffe: »Design for Recycling, Urban Mining«
    Hier liegt der eigentliche Schlüssel zur Lösung der Ressourcenfrage auf lange Sicht. Wir müssen beginnen, so zu konstruieren, dass unsere Neubauten die Rohstoffquellen der Zukunft sein werden. Damit werden sich Konstruktions- und Baumethoden sowie das »Design« von Holzwerkstoffen stark verändern. Es wird eine Rückbesinnung auf einfache Konstruktionen erforderlich sein, eine Wiederentdeckung monolithischer und damit schichtenreduzierter Bauteile ist in diesem Zusammenhang zu erwarten. Auch wenn dafür mehr Holz notwendig ist, gleicht die dokumentierte Rückbau- und Wiederverwendbarkeit diesen Mehrverbrauch an Material wieder aus.

Anpassung etablierter Bewertungsmethoden

Die derzeit gängigen Ökobilanzierungen im Bauwesen weisen Vorteile beim Einsatz großer Holzmengen in einem Bauwerk aus, weil damit ein Kohlenstoffspeicher aufgebaut und das Klima entlastet wird. Einzig die thermische Verwertung am Ende des Lebenszyklus ist die Basis der Berechnungen. Hier muss ein geänderter Ansatz verfolgt werden, der auch die nachzuweisende Wiederverwendung und damit eine zerstörungsfreie Demontage ins Kalkül nimmt. Ebenso ist eine Quantifizierung nach verwendeten Holzarten und Holzqualitäten vorzunehmen, um dadurch die Erweiterung des Rohstoffspektrums zu fördern.


verfasst von

Hermann Kaufmann

Architekt in Schwarzach, von 2002 bis zu seiner Emeritierung 2021 Professor am Institut für Entwerfen und Bautechnik, Fachgebiet Holzbau, an der TU München

Erschienen in

Zuschnitt 75
Potenzial Holz

Wir können mehr mit Holz bauen und dabei mehr endliche Ressourcen ersetzen, wenn wir ressourceneffizientere Lösungen entwickeln, das Material länger im Kreislauf halten und auch andere Holzarten vermehrt stofflich nutzen. Das Potenzial von Holz ist längst noch nicht ausgeschöpft.

8,00 €

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Zuschnitt 75 - Potenzial Holz