Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts und der Wende zur architektonischen Moderne kam die Schweizermode zum Erliegen; die Reformer brandmarkten sie als eine weitere Spielart des Historismus. Architekten wie Le Corbusier orientierten sich zwar durchaus am vernakulären Bauen, begeisterten sich aber eher an den weißen kubischen Bauten der Mittelmeerregion. Holzhäuser spielten im Neuen Bauen eher eine marginale Rolle. Natürlich gibt es Ausnahmen, so das 1930 von Adolf Loos fertiggestellte Landhaus im niederösterreichischen Payerbach, ein beeindruckendes System aus alpiner Bautradition, moderner Formgesinnung und japanischen Inspirationen.
Die Dogmatik der Moderne erwies sich auch nach dem Krieg als relativ nachhaltig und konstant, Häuser mit Satteldach und Holzbauten führten ein Schattendasein, als seien diese Bauformen provinzlerisch kontaminiert. Seit den 1990er-Jahren ist aber ein Revival der Giebelhäuser zu verzeichnen. Architekten wie MVRDV oder Herzog & de Meuron experimentierten damit, doch musste die Bauform gleichsam gegen den Strich gebürstet werden. Dachüberstände verschwanden, um das Haus zum plastischen Körper, gewissermaßen zu einem archaischen Urhaus zu stilisieren. Die Bildhaftigkeit siegte über die Konstruktionslogik. In Kauf genommen werden muss, dass der chemische den konstruktiven Holzschutz ersetzt und dass die hölzerne Außenhaut nach einiger Zeit erneuert werden muss.
Doch seit einiger Zeit fällt auf, dass Architekten sich vermehrt mit der klassischen Form des Holzbaus mit seinen auskragenden Dächern auseinandersetzen. Hier ist zum Beispiel auf Bauten von Gion Caminada hinzuweisen, aber auch auf das Haus K. des jungen Luzerner Architekturbüros Seiler Linhart, eine zeitgemäße Interpretation der traditionellen Innerschweizer Architektur mit ihren seitlichen Lauben und ihrer vorstehenden Giebelstirn in Massivholzbauweise. Auch Herzog & de Meuron errichteten auf dem Chäserrugg im Kanton St. Gallen ein Berggasthaus, unter dessen schützendem Dach ganz verschiedene Funktionen Platz finden, nicht zuletzt die Endstation der Seilbahn. Dass das Dach mehr übersteht als 30 cm ist dafür Voraussetzung.
»Wenn möglich einen Dachüberstand vorsehen (mindestens 30 cm weiter auskragend als der vorderste Holzbauteil)«, so lauten die üblichen Empfehlungen für Holzbauten – hier seitens der Plattform infoholz.at. Historisch gesehen war der Dachüberstand an der Trauf- und der Giebelseite als ein Element des konstruktiven Holzschutzes eine Selbstverständlichkeit bei Holzbauten, die vor allem dort entstanden, wo Holz in großem Maße zur Verfügung stand – also vor allem in ländlichen Regionen. Das zeigt sich kulturübergreifend, ob man auf Berghütten in Norwegen oder Bauernhäuser in Österreich und der Schweiz blickt – oder auf die Holzbauten in Japan. Dazu kam häufig ein weiterer Vorteil: Die vorgezogenen Dächer schützten nicht nur das Holz vor dem Eindringen der Feuchtigkeit, sondern gaben bei weiterer Auskragung die Möglichkeit, Zwischenzonen zwischen innen und außen zu schaffen: wettergeschützte Balkone, Lauben oder überdeckte Terrassen – in Japan den Engawa, die raumhaltige Zone zwischen innen und außen. Bei stark vorstoßenden Dachstirnen mussten die Vordächer mit Streben ausgesteift werden, damit sie dem Winddruck standhalten konnten. In der Schweiz, besonders im Gebiet um Bern, wurden die Dachuntersichten mit einer konkaven Bretterverschalung versehen, der sogenannten Ründe.
Im 19. Jahrhundert kam es zum ersten Revival ruraler Architektur. Nachdem die Schweiz durch nordeuropäische Reisende als vorgeblich einfaches, ursprüngliches und hinsichtlich ihrer Landesnatur als erhaben verstandenes Land idealisiert worden war, entstanden »Schweizerhäuser« an unterschiedlichen Orten. Zunächst als Staffagebauten in Parks, dann vor allem im Kontext der Tourismusarchitektur für Gaststätten, Hotels oder Sanatorien, wo die unter den Vordächern installierten Lauben, Balkone und Veranden zur Attraktivität der jeweiligen Lokalität beitrugen. Der Schweizer Stil in der Tourismusarchitektur verbreitete sich an den Küsten der Nord- und Ostsee, an den Fjorden Norwegens, in den Mittelgebirgen, aber auch in seinem Ursprungsgebiet: in den Alpenländern Schweiz und Österreich. Dabei handelte es sich nur um vage Bezugnahmen auf historische Vorbilder; mancherorts figurierten die Bauten auch als »Tiroler Häuser«. Eine wissenschaftliche Erforschung der historischen ruralen Bauten des Alpenraums, die auch die Differenzierung der unterschiedlichen regionalen Ausprägungen erlaubte, begann erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Die produktionstechnischen Neuerungen der Zeit erlaubten es, Holzhäuser in Serie zu fertigen und sozusagen als Bausätze zu exportieren. Damit hatte beispielsweise der Schweizer Architekt Jacques Gros großen Erfolg.