Daten zum Objekt
Standort
Berlin/DE
Bauherr:in
Stiftung Edith Maryon, Basel/CH, www.maryon.ch
Architektur
Hütten & Paläste, Berlin/DE, www.huettenundpalaeste.de
Statik
Ingenieurbüro Rüdiger, Berlin/DE
Holzbau (Aufstockung)
Œcus GmbH Bauausführungen, Berlin/DE, www.oecus.berlin
Fertigstellung
2021
Typologie
Minimale Eingriffe, maximale Flexibilität
Nachdem die Brauerei Berliner Kindl ihren Stammsitz im Neuköllner Rollbergviertel 2005 aufgegeben hatte, prägten zahlreiche Zwischennutzungen das heute sogenannte Vollgut-Areal.
An seinem Rand adaptierte das Architekturbüro Hütten & Paläste eines der ehemaligen Wirtschaftsgebäude. Statt Duschen, Umkleiden und Sozialräumen für 280 Beschäftigte beherbergt der Bau in der Neckarstraße nun Wohn- und Arbeitsräume. Die Reorganisation und Aufstockung des sogenannten Neckarhofgebäudes ist Teil einer schrittweisen, partizipativen Quartiersentwicklung auf dem insgesamt an die 14.000 m2 großen Gelände. Von Anfang an zielte das Planungsteam darauf ab, den Bestand zu erhalten und als Ressource zu nutzen. Das bestehende Gebäude wurde um ein Geschoss in Holzbauweise aufgestockt, der Keller als Souterrain für eine höherwertige Nutzung geöffnet. In Summe wurden 278 m2 an Fläche aktiviert – ein Zugewinn von annähernd 20 Prozent –, ohne einen einzigen zusätzlichen Quadratmeter Boden zu versiegeln.
Während auf die bestehenden Außenwände südseitig 140 mm Mineralwolle-Dämmplatten aufgebracht wurden, blieb die massivere Nordseite unverändert. Ihre Speicherwirkung dient der passiven Klimatisierung des Gebäudes. Im Sommer wirkt sie kühlend, im Winter speichert sie die Sonnenenergie. Um diesen Effekt zu verstärken, Sonnenlicht tiefer ins Gebäude zu lassen und eine Querlüftung zu ermöglichen, wurden die Zwischenwände aus den Bestandsgeschossen entfernt. Stattdessen erlauben nun versetzbare und sortenrein rückbaubare Holzrahmenwände und Schiebetüren verschiedene Nutzungen wie Wohnen und Arbeiten. Fix eingebaut sind lediglich die in allen Geschossen übereinander angeordneten Sanitär- und Kocheinheiten.
Das neue, vierte Obergeschoss wurde als Holzrahmenbau mit Lehmputz auf Lehmbauplatten ausgeführt. Außen nimmt der mineralische Außenputz das Rot des Bestandsmauerwerks auf. Für das Material Holz entschieden sich die Architekt:innen aufgrund des geringen Gewichts, der ökologischen Eigenschaften, der Möglichkeit der Vorfabrikation sowie der guten Anpassungsfähigkeit an den Bestand. Straßenseitig sind die Eingriffe eher zurückhaltend gestaltet. Der neuen südseitigen Hoffassade haben sie hingegen Balkone als „begehbaren Sonnenschutz“ vorgestellt. Diese sind ebenso wie die Inneneinbauten im Sinne des „Design for Disassembly“ konstruiert. Ein Gitterrostboden sowie ein Wellengitter als Geländer sorgen im Sommer für die nötige Verschattung, im Winter für einen tiefen Lichteinfall und tragen wie die Nordfassade zur passiven Heizung und Kühlung bei. So minimal die getätigten Eingriffe auch sind, so groß ist ihre Wirkung. Sie zeigen einen Weg auf, wie man die (inner-)städtischen Hinterlassenschaften der Industrie als Ressource erhalten und für die Allgemeinheit nutzbar machen kann.