Daten zum Objekt
Standort
Salzburg/AT
Bauherr:in
Heimat Österreich gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft m. b. H., Wien/AT, www.heimat-oesterreich.at
Architektur
cs-architektur, Salzburg/AT, www.cs-architektur.at; Stijn Nagels Architecture Atelier, Salzburg/AT, www.stijnnagels.com
Statik
Marius Ziviltechniker, Salzburg/AT, www.marius.at
Holzbau
Ebster Bau Gesellschaft m. b. H., Henndorf/AT, www.ebster-gruppe.at
Fertigstellung
2021
Typologie
Sanierung und Aufstockung mit Kontur
Leistbarer Wohnraum ist ein begehrtes Gut, der Bestand an Gebäuden eine wertvolle Ressource. Die Sanierung und Aufstockung der Wohnanlage Friedrich-Inhauser-Straße im Stadtteil Aigen, östlich der Salzburger Innenstadt, ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie dieses Wissen in die Planungspraxis einfließen kann. Von der Heimat Österreich 1985 errichtet, war die Siedlung mit ihren drei Baukörpern und insgesamt 75 Wohnungen bautechnisch in die Jahre gekommen. Der energetische Zustand, fehlende Barrierefreiheit, unzureichende Belichtung und ein dringender Sanierungsbedarf bei Balkonen, Dächern und der Feuchteisolierung zwangen die gemeinnützige Wohnungsgesellschaft zum Handeln. Statt einem Abriss oder einer gewöhnlichen Sanierung sollte hier ein neues Modell erprobt werden: Im Rahmen eines Forschungsprojektes wurden zwei Studien in Auftrag gegeben, deren Ziel es war, Lösungen für eine wirtschaftlich und sozial verträgliche Ertüchtigung auszuloten. Der Bestand sollte erhalten und unter Einsatz ökologischer Baustoffe durch Aufstockung nachverdichtet, der CO2-Ausstoß so weit wie möglich reduziert werden. Dazu wurde ein Gesamtpaket erarbeitet, das neben dem Bekenntnis zum Holzbau ein Energiekonzept mit Abluftwärmepumpe und Wärmerückgewinnung aus Abwasser umfasst; auch die PKW-Nutzung wurde durch ein gezieltes Mobilitätsangebot eingeschränkt und der Stellplatzschlüssel für PKWs von 1,2 auf 0,8 gesenkt. In der vorhandenen Tiefgarage konnten die Fahrradstellplätze großzügig ausgeweitet werden.
Alt trifft auf Neu
Die baulichen Maßnahmen waren der Aufgabe entsprechend umfassend. Der Bestand in Massivbauweise wurde bis auf die tragenden Decken und Wände komplett entkernt, die Wohnungen wurden barrierefrei zugänglich gemacht und die Grundrisse optimiert. Soweit ein eher standardisierter Zugang. Für die Aufstockung haben die Architekten Christoph Scheithauer und Stijn Nagels einen unkonventionellen Ansatz gewählt, und genau der verleiht dem Projekt letztendlich seine signifikante Kontur. Diese ist nicht zuletzt als Antwort auf die Vorgaben des Gestaltungsbeirats der Stadt, dem die Wiedererkennbarkeit der Siedlung und ein identitätsstiftender Charakter ein besonderes Anliegen waren, entstanden.
Auf den zwei- bis dreigeschossigen Bestand wurde eine Holz-Hybridkonstruktion aufgesetzt, wobei die Silhouette der Giebelwände als visuelle Referenz jeweils erhalten blieb. Die tragenden Wände sind aus Massivholz, alle anderen als Holzriegelkonstruktion ausgeführt. Aus Brandschutzgründen wurden die Zwischendecken aus Stahlbeton errichtet und die Innenwände mit Gipskartonplatten verkleidet. Die Außenhaut besteht aus einer vorvergrauten vertikalen Holzlattenschalung in Fichte. Die Aufbauten thronen über dem strahlenden Weiß der neu verputzten Bestandskörper, die mittels einer Einblasdämmung aus Zellulose hinter Holzwolle-Leichtbauplatten thermisch saniert wurden. Durch die zusätzlichen zwei Geschosse sind 24 weitere geförderte Wohnungen entstanden, jede der nun insgesamt 99 Einheiten verfügt über eine Loggia oder einen Balkon. Zwei Gemeinschaftsterrassen bieten die Möglichkeit zu sozialem Austausch, ebenso der neu gestaltete Freiraum mit ausreichend Sitzmobiliar, Flächen zum Garteln und einem großzügigen Spielplatz.
Ein Novum für den Bauträger: die Sanierung einer bewohnten Anlage durchzuführen. Dazu mussten ein Übersiedlungskonzept und Ausweichangebot für die teils schon seit der Errichtung dort wohnhaften Menschen erarbeitet werden. Kein Mietvertrag wurde gekündigt. Mithilfe professioneller sozialer Begleitung wurden individuelle Lösungen entwickelt, Umzüge organisiert und, sofern gewünscht, Rückkehrvereinbarungen getroffen. Letzteres haben 25 Prozent bzw. 22 Parteien in Anspruch genommen. Die Heimat Österreich hat in der Friedrich-Inhauser-Straße auf nachhaltiges und ökologisches Bauen gesetzt und zeigt mit der 2021 fertiggestellte Wohnanlage, wie Gebäudesanierung und kommunale Nachverdichtung im Sinne des Klimaschutzes und der Ressourcenschonung funktionieren können. Ein Projekt mit Vorbildcharakter.