Daten zum Objekt
Standort
Nuglar/CH
Bauherr:in
Hürzeler Holzbau AG, Magden/CH, www.huerzeler-holz.ch
Architektur
Lilitt Bollinger Studio, Nuglar/CH, www.lilittbollinger.ch
Statik (Holzbau)
Winter + Walther AG, Gelterkinden/CH, www.winter-walther.ch
Statik
Studer Bauengineering GmbH, Himmelried/CH, www.studer-bauengineering.ch
Holzbau
Hürzeler Holzbau AG, Magden/CH, www.huerzeler-holz.ch
Fertigstellung
2019
Typologie
Vom Weinlager zur Wohngalerie
Es ist schon eine Weile her, dass Urs Saladin im schweizerischen Nuglar noch Schnaps brannte. Pflümli und Kirsch waren das Aushängeschild der hier seit den 1930er Jahren ansässigen Brennerei. Nach dem Auslaufen der Brennkonzession 1983 wurde die Produktion eingestellt, weitere zehn Jahre aus dem Bestand verkauft. Das ehemalige Lager der Destillerie und Weinhandlung, erbaut 1956, ist neben der Schule das größte Gebäude im Dorf. Nachdem der Betrieb zur Gänze eingestellt worden war, stand es leer. Im Zuge einer Umwidmung vom ursprünglich als Gewerbezone ausgewiesenen Grundstück zum Wohngebiet galt die Parzelle als übernutzt – das Gebäude sollte abgerissen werden, so verlangte es die Gemeinde.
Dass es anders gekommen ist, ist der Initiative von Lilitt Bollinger zu verdanken. Sie stieß durch Zufall auf das Gebäude. Der fest in der dörflichen Struktur und Geschichte verankerte Baukörper motivierte sie dazu, eine Studie für eine Überbauung unter größtmöglicher Wahrung des Bestands zu entwickeln. Sie fragte außerdem die Holzbaufirma Hürzeler als Partner an, falls die Gemeinde das Projekt bewilligen würde. Schließlich schaffte sie es, von den zuständigen Behörden eine Ausnahmegenehmigung zu erlangen. Die Hürzeler AG erwarb das Grundstück und übernahm die Zwischenfinanzierung, der Planungs- und Bauprozess konnte beginnen. Die mit der Genehmigung des Projekts einhergehenden Vorgaben ließen ausschließlich den Erhalt des Sockels, der jetzt als Fundament dient, und ein verkleinertes Volumen darüber zu. Der neue Aufbau orientiert sich am Raster der Pilzstützen im Untergeschoss und greift auch die prägende Form des einstigen Satteldaches auf. Dessen Form und Größe wurden beibehalten, die Außenwände sind aber weiter nach innen gerückt, wodurch für die Wohnateliers eine umlaufende halbprivate Freifläche und Platz für eine gemeinsame, überdachte Außenküche auf der Südseite geschaffen werden konnten. Ein Teil der alten Außenmauern dient als Brüstung.
Grundausbau und Weiterbauen
Gegenüber den laut Baugesetz erlaubten zwei Wohnungen konnten hier sechs Einheiten nach einem einfachen Prinzip umgesetzt werden. Die Grundstruktur bilden sieben 9 Meter hohe und 14 Meter breite vorgefertigte Holzrahmenwände, die über die Fassaden und Decken verbunden sind. Um als Wohnungstrennwände ausreichend akustisch und feuerschutztechnisch zu wirken, wurden sie als zwei voneinander durch eine Luftschicht getrennte Doppelständer ausgeführt. Jede Einheit verfügt über eine Grundfläche von 62 m2 mit Küche, Bad, Wohn- und Essbereich und einer Treppe, um den 8,50 Meter hohen Raum zu erschließen. Ob diese zu ein oder zwei weiteren Geschossen führt, ist variabel. Das einfache modulare System der Balkenlage erlaubte es, den Grundausbau selbst zu gestalten und anzupassen. Je nach Bedarf konnten Galerien, Zimmer oder ein zusätzliches WC eingebaut werden. Der Innenausbau besteht fast ausschließlich aus 27 mm dicken, verschraubten Dreischichtplatten. Die Statik gibt lediglich fünf fixe Querbalken vor. Die über alle Geschosse geführte Verglasung an der Ost- und Westseite des Gebäudes bringt Licht in die Wohnateliers. Die davorliegenden schwarz lasierten Holzstützen spannen das Satteldach fest auf den Boden, hell ausgeführte V-förmige Streben tragen die weite Auskragung. Die Wirkung von Farbe und Material zeigt sich nicht nur hier: Die Schlichtheit der zumeist roh belassenen Oberflächen wird hie und da vom satten Grün einer Lasur unterbrochen, leuchtend gelbe Stahlwinkel weisen auf die Last hin, die sie tragen. Der Boden im Erdgeschoss ist in Anlehnung an den Keller betoniert. Und während für die Gebäudestruktur reines Fichtenholz zur Anwendung kam, sind Griffe und Türschwellen aus Eiche. Wer heute ins Zentrum von Nuglar kommt, dem sticht wie eh und je das Wandbild der ehemaligen Brennerei ins Auge. Es erzählt von der Vergangenheit des Gebäudes und setzt ein Zeichen für das Erhalten und Weiterbauen von Bestand. Ein Modell mit Zukunft.