Diese Frage stellte sich lange Zeit nicht, denn es war klar, dass ein Baustoff, der aus dem Kohlenstoff der Atmosphäre unter Zuhilfenahme der Energie der Sonne erzeugt wird, logischerweise allen anderen Baustoffen in der Umweltwirkung überlegen ist. Heute rückt ein neues Verständnis von Natur in den Vordergrund, das jeden Eingriff des Menschen in diese als Zerstörung sieht. Das bedingt eine breite Verunsicherung darüber, ob denn das Fällen von Bäumen, also die Nutzung des Holzes unserer Wälder, aus ökologischer Sicht noch vertretbar ist. Zudem vertreten einige Kollegen scheinbar einfache Wahrheiten, etwa der Architekt und Universitätsprofessor Dietmar Eberle, der in einem Interview mit der Zeitung Der Standard äußerte: „Wer einen aktiven Beitrag zur Klimaerwärmung leisten will, baut ein Holzhaus. 20 Prozent der Emissionen absorbieren die Wälder. Das heißt, wenn wir viele Holzhäuser bauen, reduzieren wir die Dimension der Absorption.“1 Wer das unhinterfragt glaubt, der verliert eine bis dato unbestrittene, zukunftsfähige Alternative zum herkömmlichen Bauen, nämlich den Holzbau. Denn dass der Holzbau einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zum klimaschonenden Bauen leistet, ist wissenschaftlich gut belegt.
Ein Forschungsteam des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) hat errechnet, dass Wälder in mittleren und hohen Breiten den Klimawandel stärker bremsen als tropische Wälder. Das trifft vor allem auf jüngere Bäume zu, sie sind bessere CO2-Speicher. Die Wissenschaftler:innen hatten dafür globale Daten über das Alter der Wälder für die Jahre 1981 bis 2010 mit Modellen der terrestrischen Biosphäre und des Baumwachstums kombiniert. So konnten sie unterscheiden, wie groß der Anteil junger beziehungsweise alter Wälder an der Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre ist. Wälder, die sich nach natürlichen Störungen oder Holzernten durch Aufforstungen erneuern, banden den Berechnungen zufolge mehr Kohlendioxid als tropische Regenwälder oder sibirische Urwälder.2 Sollten die Wälder der Erde auch künftig im gleichen Maß wie im Untersuchungszeitraum der Studie durch natürliche Störungen, Holzernten und Aufforstungen beeinflusst werden, könnte allein diese demografische Veränderung der Waldpopulationen dazu führen, dass die Wälder eine beträchtliche Menge an Kohlenstoff zusätzlich in ihre Biomasse einlagern.
Das bedeutet, dass der vor langer Zeit eingeschlagene Weg der Bewirtschaftung des Waldes grundsätzlich richtig war. Die Idee, durch das Fällen von Bäumen Platz für neue Bäume zu schaffen und mit dem damit gewonnenen Material einen Kohlenstoffspeicher in unseren Dörfern und Städten zu errichten, gilt nach wie vor. Allerdings kann man auch das nicht unhinterfragt stehen lassen. Gerade in Sachen der Waldbewirtschaftung liegt einiges im Argen. Der Raubbau in Europas Wäldern ist nach wie vor im Gange. Das gilt weniger für die mitteleuropäischen Regionen, die strenge Waldgesetze haben, sondern eher für Ost- und Nordeuropa, wo die Holzgewinnung meist durch Kahlschlag organisiert wird. Dieser nicht gerade naturschonende Vorgang wird zu Recht kritisiert. Auch gibt es nach wie vor zu viele Fichtenmonokulturen. Bedingt durch den Klimawandel, sterben diese langsam ab, die Fichte wird aus niedrigen Lagen verschwinden. Das stellt die Forstwirtschaft vor die enorme Aufgabe, einen klimafitten Wald zu pflanzen, aber es heißt auch, dass in nächster Zukunft sehr viel Holz anfallen wird.
Interessant im Zusammenhang mit der Waldnutzung ist die Position des WWF. Dieser kritisiert den weltweit stark zunehmenden Raubbau an den Urwäldern, fordert mehr Außernutzungstellung von Wirtschaftswäldern, spricht sich aber auch ganz klar für den Holzbau, also die stoffliche Verwertung von Holz aus: „Im Bauwesen ist es hingegen sinnvoll, auf Holz zurückzugreifen, da die Herstellung von Beton äußerst energie- und ressourcenintensiv ist. Im Vergleich zur Verbrennung bindet Holz im Bau langfristig Kohlendioxid. Dennoch können in Zukunft nicht alle Häuser aus Holz gebaut werden, wenn gleichzeitig unsere Wälder für die biologische Vielfalt und den Schutz des Klimas erhalten werden sollen.“ Der WWF schlägt daher die „Förderung einer Holzverwendung [vor], die langfristige, nachhaltige Versorgungskapazitäten im Blick hat; eine, die langfristige Verwendungszwecke, langlebige Produkte und eine auf Wiederverwendung ausgerichtete Gestaltung bevorzugt“.3
Eine ähnliche Position nimmt Gerd Wegener, ehemaliger Ordinarius für Holzkunde und Holztechnik an der TUM School of Life Sciences, ein: „Unsere Kultur- und Wirtschaftswälder sind seit Jahrhunderten von Menschen gepflegte und gestaltete, also kultivierte Ökosysteme. Unter den Herausforderungen von Nachhaltigkeit, ökologischer Vielfalt, Klimaschutz sowie Energie-, Ressourcen- und Materialwende kommt den Wäldern als Lebens- und Wirtschaftsraum, aber vor allem auch als Speicher und Lieferant von Rohstoffen eine herausragende Bedeutung zu. Wenn Gesellschaft und Politik den Übergang in eine dekarbonisierte Wirtschaft mit nachwachsenden und erneuerbaren Ressourcen ernst nehmen, müssen die Wälder sowie die nachhaltige und naturnahe Forstwirtschaft weltweit eine hohe gesellschaftliche Wertschätzung erfahren. Diese Zielsetzung verträgt sich nicht mit unveränderter Nadelholzwirtschaft, großen Kahlschlägen und ausschließlich wirtschaftlich ausgerichteten Erntemethoden, wie sie auch in Teilen Europas bis heute praktiziert werden. Nur Waldpflege und Holznutzung sowie der Umbau in klimagerechte Zukunftswälder garantieren langfristig die vielfältigen gesellschaftlich wichtigen Waldfunktionen und damit letztlich auch das Bauen mit Holz als einen anerkannten Beitrag zum praktizierten Klimaschutz.“ 4
Zusammenfassend ergibt sich daraus eine positive Haltung zum Holzbau, aber auch die Forderung nach zukünftig zu beachtenden Weiterentwicklungen sowohl in der Forstwirtschaft als auch im Bauwesen. Dort ist die Langlebigkeit des Materials oberstes Prinzip, somit sind wir gefordert, Konstruktionen im Hinblick auf Wiederverwendung neu zu denken. Jedenfalls werden wir in den nächsten Jahrzehnten aufgrund des Waldumbaus und der zunehmenden Kalamitäten viel Holz zur Verfügung haben, das stofflich verwertet werden muss. Der Holzbau ist die einzige Methode, die garantiert, dass ein langfristiger Kohlenstoffspeicher angelegt wird und dass große Mengen an mit fossiler Energie hergestellten Materialien substituiert werden. Die Quantitäten sind durch zahlreiche wissenschaftliche Aussagen belegt. Holzbau ist unbestritten aktiver Klimaschutz.
1 „Das Einfamilienhaus ist ein flächenfressendes Monster“. Interview mit Dietmar Eberle, Podcast Edition Zukunft, Der Standard, 28. April 2023.
2 Thomas A. M. Pugh et al.: Role of forest regrowth in global carbon sink dynamics, in: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS), Februar 2019.
3 Meghan Beck-O’Brien et al.: Alles aus Holz – Rohstoff der Zukunft oder kommende Krise. Ansätze zu einer ausgewogenen Bioökonomie, WWF Deutschland (Hg.), Berlin 2022.
4 Gerd Wegener: Ressource Holz, in: Hermann Kaufmann, Stefan Krötsch, Stefan Winter: Atlas Mehrgeschossiger Holzbau, detail Business Information GmbH (Hg.), München 2021, 3. Auflage.