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Typisch Wald!?
Eine Vorschau auf die Wälder und Bäume von morgen

erschienen in
Zuschnitt 91 Wald und Holznutzung, Dezember 2023

Unsere Urenkel werden in anderen Wäldern spielen als in jenen, in denen wir unsere Kindheit verbracht haben. Denn die Klimaveränderung wird dazu führen, dass Regen und Schnee weniger oft und anders verteilt über das Jahr fallen werden. Die Mitteltemperatur wird steigen. Um wissenschaftlich fundierte Aussagen über die zukünftige Entwicklung des Klimas treffen zu können, verwenden Wissenschaftler:innen Emissionsszenarien: die vier sogenannten RCP-Szenarien von optimistisch bis pessimistisch (siehe unten). Diese werden von der internationalen Klimaforschung definiert – kein Blick in die Glaskugel oder Science-Fiction, sondern faktenbasierte Arbeit. Anhand dieser Szenarien kann eine flächendeckende Modellierung von Wäldern durchgeführt werden, die eine Charakterisierung der Standorte und eine Einschätzung der Baumarteneignung im aktuellen und zukünftigen Klima umfasst. Im Zuge des Forschungs- und Entwicklungsprojekts „Dynamische Waldtypisierung – FORSITE“ wurde das am Beispiel Steiermark, dem waldreichsten Bundesland Österreichs, schon umgesetzt.

Auf nach Fürstenfeld

Im Zuge des Klimawandels kommt es durch die Änderung der thermischen Verhältnisse zu einem starken Wandel der Baum­artenzusammensetzung und der Standorte der unterschiedlichen Waldtypen. Für die Steiermark wird bei einer Temperaturer­­höhung um 1 °C eine Verschiebung der Höhenstufen um etwa 200 Meter erwartet. Welche Auswirkungen das mit sich bringt, lässt sich anhand der Betrachtung eines Eichen-Hainbuchen-Waldes nördlich von Fürstenfeld auf 300 Meter ­Seehöhe verdeutlichen. Dieser Waldtyp deckt mehr als 10 Prozent der Waldfläche in der Steiermark ab. Der Boden weist hier eine mittlere Nährstoffversorgung auf und ist gut wasserversorgt.

Wie sich der Wald verändert, lässt sich mit Modellrechnern vorhersagen: Im mäßigen Klimawandelszenario (RCP4.5) wird sich bis zum Jahr 2100 die Jahresmitteltemperatur in dieser Gegend um etwa 1,6 °C erhöhen und der Standort entwickelt sich zu einem kollinen (d. h. unterste Höhenlage bis etwa 500 Meter), mäßig warmen Laubwald mit der Waldgruppe Balkaneichen – Hain­buchen. Im Falle des obersten pessimistischen Szenarios (RCP8.5) wird mit einem mittleren Anstieg der Temperatur von etwa 4 °C gerechnet und künftig eine (sub-)mediterrane, sehr warme Laubwaldzone mit mediterranen Eichenarten zur erwarten sein. Die Konsequenz daraus: Die aktuell dort noch weit verbreiteten Fichtenbestände werden Ende des 21. Jahrhunderts in beiden ­Szenarien nicht mehr vorhanden sein. Neben bereits heute geeigneten Baumarten wie Buche, Hainbuche, Winterlinde, Spitzahorn, Edelkastanie sowie Stiel- und Traubeneiche werden insbesondere Walnuss, Balkaneiche, Zerreiche und Flaumeiche eine gewichtige Rolle spielen. Unsere Urenkel werden künftig mehr Maroni in den Wäldern finden.

Nicht nur das Erscheinungsbild der Wälder wird sich ändern, auch die Tiere im Wald müssen sich auf neue Umweltbedingungen einstellen. Gewisse Arten, wie beispielsweise der Alpenbock, sind an gewisse Baumarten gebunden; die Ankunft des Kuckucks wiede­rum ist exakt auf den temperaturbedingten Vegetationsbeginn im Frühjahr abgestimmt.

Wie sieht der ideale klimafitte Wald aus?

Die Baumartenzusammensetzung wird sich in Zukunft verändern, mit oder ohne menschliche Eingriffe. Da wir auf die Ökosystemleistungen des Waldes angewiesen sind, müssen wir diese Entwicklung lenken, um den Wald in Zukunft gesund und leistungsfähig zu erhalten. Dazu lassen sich drei Strategien ausmachen: Die erste zielt auf die Erhaltung und Vitalisierung der derzeitigen Wald­gesellschaften ab. Zum Beispiel tragen rechtzeitige Pflegemaßnahmen und stärkere Durchforstungen dazu bei, dass Einzelbäume stabiler werden und nicht mehr so leicht von Stürmen umgeworfen oder von Schnee gebrochen werden können. Im Zuge dieser „unterstützten Wanderung – Assisted Migration“ kommen Samenherkünfte aus anderen Regionen wie etwa vom Balkan zum Einsatz.

In einer zweiten Strategie wird die Waldanpassung gefördert, ­indem andere heimische Baumarten an durch den Klimawandel veränderten Standorten gepflanzt werden. Statt Fichte eignen sich zum Beispiel Tanne und Kiefer, als Ersatz für Buche die weitaus trockenresistenteren Baumarten Eiche und Elsbeere. Wichtig ist dabei die Mischung verschiedener Baumarten, dies senkt das Risiko, falls eine Art ausfällt. In einigen Regionen Österreichs, ­insbe­sondere im sommerwarmen Osten, geraten viele heimische Baumarten allerdings an ihre Grenzen. Hier kann mit der dritten Strategie auf derzeit nicht heimische Baumarten zurückgegriffen werden.

Bewirtschaftete Wälder sind besser für den Klimaschutz

Bei Betrachtung der Auswirkungen der Klimaerwärmung ist zu beachten, dass der Wald einerseits Betroffener ist, andererseits das Potenzial hat, den fortschreitenden negativen Veränderungen entgegenzuwirken. Wald und vor allem Holzprodukte spielen bei der Stabilisierung des Klimawandels eine bedeutende Rolle, indem sie langfristig den Kohlenstoff binden und fossile Rohstoffe ersetzen können. Bei der Diskussion um die CO2-Speicherleistung des Waldes wird oftmals nur der Einzelbaum betrachtet. Das entspricht jedoch nicht der Realität. Richtigerweise müssen ganze Bestände betrachtet werden, denn je älter ein Bestand ist, desto weniger Bäume haben Platz und desto weniger Kohlenstoff kann je Hektar gebunden werden. Darüber hinaus steigt in alten, vorratsreichen Wäldern die Gefahr von Kalamitäten sehr stark an. Häufig wird bei der Forderung nach Außernutzungstellung außer Acht gelassen, welche Bedeutung die natürliche Konkurrenz für die Vorrats- und Zuwachsentwicklung und somit für die Kohlenstoffspeicherung hat. Eine Studie von Hans Pretzsch1 unter Mitwirkung des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW) zeigte erstmals, dass in unbewirtschafteten Waldbeständen 30 bis 40 Prozent der gesamten Holzproduktion durch konkurrenzbedingte Mortalität an die Totholzfraktion verloren gehen.

Woher kommen die Daten zum Wald?

Basis aller Aussagen zur historischen Entwicklung, zum Zustand und zur zukünftigen Veränderung der Wälder ist eine möglichst genaue Erhebung und Dokumentation. Ein konkretes Bild des Waldes in Zahlen liefert die sogenannte Waldinventur. Sie wird seit 1961 durchgeführt und ist die größte Untersuchung des ­österreichischen Waldes. Dafür nehmen Expert:innen auf mehr als 11.000 Probeflächen Erhebungen vor. Mit der aktuellen Wald­inventur 2016/21 liegen bereits Daten aus der achten Periode vor. Darüber hinaus kommen modernste Techniken wie Satellitenbilder und Drohnenaufnahmen zum Einsatz. Die Waldbesitzer:innen sind zusätzlich zur „typischen“ Erscheinung bei ihrer forstwirtschaftlichen Arbeit im Wald neben Lodenmantel und Jagdhund vor allem auch mit Mobiltelefon und Tablet ausgestattet. Die ­Digitalisierung hat also Einzug gehalten im Wald.

Am nachhaltigen Umgang unserer Generation wird sich maßgeblich entscheiden, ob unsere Urenkel beim Maroniklauben den Ruf des Kuckucks öfter live aus dem Wald oder als Klingelton eines Handys vernehmen werden.

1 Hans Pretzsch et al.: Competition-based mortality and tree losses. An essential component of net primary productivity, in: Forest Economy and Management, Nr. 544/2023.

RCP-Szenarien – Klimamodellprojektionen des Weltklimarates

Als RCP-Szenarien werden bespielhafte Pfade von Treibhausgasemissionen bezeichnet, anhand derer der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on ­Climate Change, IPCC) unterschiedliche Annahmen zur Veränderung der CO2-Konzen­tration in der ­Atmo­­sphäre in den Jahren von 1850 bis 2100 ­vergleicht. RCP steht als Abkürzung für Repräsentativer Konzentrationspfad (representative concentration pathway). Es werden vier Szenarien beschrieben, die – je nach Einfluss des Menschen auf die Energiebilanz – unter­­­­schiedliche Möglichkeiten der Veränderungen darstellen. Die RCP umfassen ein sogenanntes stringentes Minderungsszenario (RCP2.6, unterstes optimistisches Szenario, die globale Erwärmung kann unter 2 °C im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter gehalten werden), zwei mittlere ­pessi­mistische Szenarien (RCP4.5 und RCP6.0) und ein Szenario, das von sehr hohen Emissionen ausgeht (RCP8.5, oberstes pessimistisches Szenario). Alle Szenarien gehen von einem Anstieg der mittleren globalen Oberflächentemperatur bis 2100 aus: Für RCP2.6 liegt dieser zwischen 0,3 und 1,7 °C, für RCP4.5 zwischen 1,1 und 2,6 °C, für RCP6.0 ­zwischen 1,4 und 3,1 °C und für RCP8.5 zwischen 2,6 und 4,8 °C.

Quelle und weitere Details

Klimaänderung 2023, Synthese­bericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC), online unter: www.ipcc.ch/report/ar6/syr/

Dynamische Waldtypisierung – FORSITE

Im Rahmen des Projekts FORSITE wurden, basierend auf den Erhebungen der Standorteigenschaften und unter Berücksich­tigung der veränderlichen Klimabedingungen, Waldstandorte flächendeckend modelliert und als Waldkartentypen dargestellt. Diese zeigen unter anderem, mit welchen Veränderungen im Rahmen des Klimawandels für diese Standorte zu rechnen ist. Ziel war es, ein praxis­taug­liches Instrument für Waldbesitzer:innen als Entscheidungsgrundlage für eine klima­fitte Waldbewirtschaftung und eine zukunftsfähige Baum­artenwahl zur Ver­fügung zu stellen. Anhand des dabei entstandenen waldbaulichen Beratungstools können die Auswirkungen der Klimaerwärmung auf den steirischen Wald für die nächsten achtzig Jahre digital abgerufen werden. Es umfasst eine ­Vielzahl von Themenkarten zu Baumarteneignung, Klima und Klimawandel sowie zu Standort- und Bodeneigenschaften:
www.waldtypisierung.steiermark.at
www.waldbauberater.at

Waldinventur

Die Österreichische Waldinventur (ÖWI) ist ein Groß­raummonitoring des österreichischen Waldes mit dem Ziel, Informationen zu den Ressourcen des Rohstoffs Holz und über Zustand und Veränderung des Ökosystems Wald zu liefern. Geplant, durchgeführt und ausgewertet wird die ÖWI vom gleichnami­gen Institut des Bundesforschungszentrums für Wald. Die Ergebnisse dienen als Entscheidungsgrundlage für die österreichische Wald- und Umweltpolitik.
www.waldinventur.at


verfasst von

Christian Lackner

ist Leiter des Fachbereichs Kommunikation und Wissensvermittlung am Bundesforschungszentrum für Wald.

Erschienen in

Zuschnitt 91
Wald und Holznutzung

Wald und Holznutzung im Spiegel der Zeit und im Kontext des Klimawandels

8,00 €

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Zuschnitt 91 - Wald und Holznutzung