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B&O Holzparkhaus in Bad Aibling

erschienen in
Zuschnitt 92 Infrastrukturbauten, März 2024

Daten zum Objekt

Standort

Bad Aibling/DE

Architektur

Hermann Kaufmann+Partner zt GmbH, Schwarzach/AT, www.hkarchitekten.at

Bauherr:in

B&O Parkgelände GmbH, Bad Aibling/DE, www.buo.de

Statik

merz kley partner GmbH, Dornbirn/AT, www.mkp-ing.com

Holzbau

Eder Holzbau GmbH, Bad Feilnbach/DE, www.eder-holzbau.de

Fertigstellung

2022

Typologie

Verkehr

Nachhaltig parken

Auf einem ehemaligen Militärgelände im Norden der oberbayerischen Stadt Bad Aibling begann das Wohnungsunternehmen B&O im Jahr 2005 mit der Errichtung einer Nullenergiestadt mit Häusern vorwiegend in Holzbauweise. Inzwischen sind die Bestandsgebäude auf dem gut 70 Hektar großen Areal saniert und zahlreiche beispielhafte Neubauten realisiert, sodass ein Mischquartier entstand, in dem sich neben Wohnungen auch Büros, Bildungseinrichtungen, Kindergärten und ein Hotel befinden. Zu den bekanntesten Neubauten zählen ein achtgeschossiges Holz-Wohnhochhaus (2011) von Schankula Architekten sowie nur scheinbar identische Forschungshäuser mit monomateriellen Wandaufbauten aus Holz, Mauerwerk und Beton, die Florian Nagler Architekten 2020 im Rahmen des Forschungsprojekts „Einfach bauen“ der TU München fertigstellten. Zwei Jahre später wurde das Quartier um ein offenes Holzparkhaus ergänzt – eine besondere Herausforderung, weil es mit 2.300 m² Bruttogeschossfläche als Großgarage gilt und tragende Wände und Decken feuerbeständig sein mussten. Mit der Planung des für einen festen Nutzerkreis gedachten Parkhauses beauftragte B&O das Büro Hermann Kaufmann + Partner, das eine 70 Meter lange und 17 Meter breite Skelettkonstruktion entwarf, die auf zwei oberirdischen Ebenen 104 Fahrzeugen Platz bietet. Ein Untergeschoss kam nicht infrage, weil ein Tiefbau angesichts des hohen Grundwasserstands erhebliche Kosten verursacht hätte. Zudem sollte es möglich sein, das nach einer geglückten Mobilitätswende vielleicht nicht mehr benötigte Gebäude leicht und rückstandsfrei zu demontieren und das Grundstück anderweitig zu nutzen.

Durch und durch Holz

Konstruktiv besteht das Parkhaus im Wesentlichen aus Fichten-Brettschichtholz-Stützen, die sich in einem Achsabstand von 2,6 Metern an der Außenfassade gegenüberstehen und dachförmige Holzbinder sowie eine Fichten-Brettsperrholz-Decke tragen. Die Stützen im Erdgeschoss ruhen auf Stahlschwertern über punktförmigen Betonfundamenten und umschließen eine mit Betonsteinen gepflasterte Fläche. Ihr oberes Ende reicht bis 30 cm über die Fahrbahn im Obergeschoss, wo ein Stahl-Gleitlager den Übergang zu den dortigen Stützen übernimmt. Weitere Stützen gibt es hier ebenso wenig wie im Obergeschoss, sodass großzügige, übersichtliche Innenräume entstehen, die von je vier Brettschichtholz-Wandscheiben gegliedert werden. Im oberen Bereich sind die Wandscheiben mit den Holzbindern verzahnt, um deren unter Volllast rechnerisch bis zu 5 cm starke Durchbiegung aufnehmen und zugleich als Queraussteifung dienen zu können.

Für die Holzbinder im Erdgeschoss kam hochtragfähiges Buchen-Furnierschichtholz zum Einsatz, das eine im Vergleich zu Nadelholz wesentlich geringere Trägerhöhe ermöglicht. Das Fußbodenniveau im Obergeschoss konnte man so im Mittel auf unter 3 Metern über Gelände halten, um auf ein geschlossenes Fluchttreppenhaus verzichten zu können. Die Dachbinder im Obergeschoss bestehen aus Fichten-Brettschichtholz, das statt der Verkehrslast nur noch die extensive Begrünung und Schneelasten zu tragen hat.

Herausforderungen Brand, Rauch, Feuchte

Noch herausfordernder als das 17 Meter stützenfrei spannende Holztragwerk war für das Entwurfsteam und die Ingenieur:innen von merz kley partner die Einhaltung der Brand- und Feuchteschutzvorgaben. Hier gab es vor allem zwei kritische Bereiche: die von Autos befahrene Brettsperrholz-Decke und die Stützen. Letztere liegen in beiden Geschossen – vor Schlagregen und Schnee geschützt – hinter dünnen Dreischichtplatten, die sich bei Bedarf leicht auswechseln lassen. Der Schutz der Brettsperrholz-Decke vor stehender Nässe besteht im Wesentlichen aus einer Bitumenabdichtung, die an allen Stützen entlang einer umlaufenden Verblechung 15 cm hochgezogen und anschließend mit einem weiteren Blech ummantelt wurde. Zusammen mit der darauf aufgebrachten zweilagigen Gussasphaltschicht reduziert sie das Risiko für Feuchteschäden auf nahezu null.

Angesichts der laut Bauordnung grundsätzlich erforderlichen feuerbeständigen Materialien war mittels Brandschutzgutachten zu belegen, dass die Holzkonstruktion einen mit Beton oder Stahl vergleichbaren Brandwiderstand von F30 erreichte. Dabei begnügten sich die Planer:innen nicht mit der Berechnung des Abbrands, der die Resttragfähigkeit der Konstruktion nach einem halbstündigen Brand definiert. Sie simulierten vielmehr einen verheerenden Tunnelbrand mit extrem hohen Temperaturen, um sicherzugehen, dass die Konstruktion auch einem Feuer mit brennenden Fahrzeugen widersteht. Das Ergebnis: Mit den letztlich realisierten Holzquerschnitten widersteht das Parkhaus einem solchen Brand knapp 50 Minuten lang – Zeit genug für die Nutzer:innen, das Parkhaus rechtzeitig zu verlassen, entweder über die offenen Seiten im Erdgeschoss oder über die Zufahrtsrampe bzw. die Stahl-Fluchttreppe im Obergeschoss.

Um darüber hinaus auch eine zuverlässige Entrauchung zu gewährleisten, erhielt jeder Stellplatz eine Rauchschürze aus Brettsperrholz. Diese wurde unter der Brettsperrholz-Decke jeweils so zwischen den Holzbindern montiert, dass Rauch nach außen ins Freie entweicht, anstatt in Richtung der Fahrbahn ins Parkhausinnere zu strömen. Die Holzlamellenfassade, die das im Obergeschoss eintretende Tageslicht auf so angenehme Weise filtert und zugleich als Absturzsicherung dient, bietet genau den hierfür erforderlichen Entrauchungsquerschnitt.

Das Holzparkhaus in Bad Aibling erfüllt spielend nicht nur sämtliche Brand- und Feuchteschutzanforderungen, auch winterliches Salz und Korrosion können ihm nichts anhaben. Es bindet überdies erhebliche Mengen CO2, ist zirkulär, wenig wartungsintensiv und strahlt dank des natürlichen, gänzlich unbehandelten Materials eine angenehme Wärme aus. Sollte das Gebäude eines Tages umgenutzt werden, wäre es nach dem Rückbau der nördlichen Beton-Zufahrtsrampe innerhalb kürzester Zeit nicht mehr als Parkhaus identifizierbar.


verfasst von

Roland Pawlitschko

ist freier Architekt, Autor und Redakteur sowie Architekturkritiker. Er lebt und arbeitet in München.

Erschienen in

Zuschnitt 92
Infrastrukturbauten

Mobilitätswende mit Holz

8,00 €

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Zuschnitt 92 - Infrastrukturbauten