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Fahrradparkhaus in Eberswalde

erschienen in
Zuschnitt 92 Infrastrukturbauten, März 2024

Daten zum Objekt

Standort

Eberswalde/DE

Architektur

Leitplan, Berlin/DE, www.leitplan.com

Bauherr:in

Stadt Eberswalde, Eberswalde/DE, www.eberswalde.de

Statik

ifb frohloff staffa kühl ecker, Beratende Ingenieure PartG mbB, Berlin/DE, www.ifb-berlin.de

Holzbau

Zimmerei Thielke GmbH & Co. KG, Luckau/DE, www.zimmerei-thielke.de

Fertigstellung

2022

Typologie

Verkehr

Alle unter einem Dach

Die Brandenburger Kleinstadt Eberswalde 40 km nordöstlich von Berlin soll als „Stadt der zweiten Reihe“ die Metropole entlasten. Seit der Wende verzeichnet sie zwar insgesamt einen Bevölkerungsrückgang, doch zugleich einen Zuzug von jungen Menschen und Familien. Nicht wenige von ihnen pendeln nach Berlin – zum Hauptbahnhof in nur 37 Minuten per Bahn und damit doppelt so schnell wie mit dem Auto. Auch innerhalb der Stadt wird nachhaltige Mobilität forciert. Um den Anteil der Fahrradfahrer:innen bis 2030 um etwa 4 Prozent auf 20,3 Prozent zu erhöhen, baut die Stadt die Fahrradinfrastruktur aus. Am Eberswalder Hauptbahnhof, wo noch vor wenigen Jahren „Wildparker“ das Bild prägten, steht daher heute ein Fahrradparkhaus als Statement für moderne Mobilität.

So viel Holz wie möglich

Das Berliner Architekturbüro Leitplan folgte dem Auftrag der Stadt, „so viel Holz wie möglich zu verwenden, allerdings unter Berücksichtigung der Kosten und unter dem Gesichtspunkt der sinnvollen Konstruktionsmöglichkeiten“, so Projektarchitektin Nora Zimmermann. Von den drei zum Vergleich ausgearbeiteten Varianten – Stahlbeton, Stahlbeton-Holz-Hybrid und Holzkonstruktion – wurde nach Abwägung aller maßgeblicher Kriterien die dritte ausgewählt. In dem etwa 40 mal 17 Meter großen zweigeschossigen Gebäude wurden sichtbare und tragende Holzbauteile aus unbehandelter sibirischer Lärche im Ausmaß von rund 230 m3 verbaut. Heimisches Lärchenholz hätte die Anforderungen der Festigkeitsklasse GL 24 h für die tragenden, frei bewitterten und unbehandelten Stützen aus Brettschichtholz nicht erfüllt. Die Gründungen, die innen liegende Rampe und die außen liegende Treppe wurden aus wartungstechnischen Überlegungen in Stahlbeton ausgeführt.

Auf einer Bruttogeschossfläche von rund 1.300 m2 finden 406 Räder – größtenteils kostenlos – Platz: auf einfachen Bügeln, in absperrbaren Radboxen und an E-Ladestationen, die mit Solarstrom vom Dach gespeist werden. Für schnelle Reparaturen stehen zwei Stationen mit geeignetem Werkzeug zur Verfügung.

Konstruktion

Die tragende Fassade des Fahrradparkhauses besteht aus rautenförmig angeordneten Brettschichtholz-Stützen (16 × 22 cm), die sich im Bereich des Fußbodens des Obergeschosses und des Daches kreuzen. Zwei weitere Reihen gekreuzter Stützen liegen innen und flankieren die Rampe in der Mitte. Sie bilden in Längsrichtung vier statisch tragende Achsen. Ein zwischen den Stützen gespanntes Edelstahlnetz dient als Absturzsicherung und Vogelschutz und erlaubt eine natürliche Belichtung und Belüftung. Ein umlaufender Betonsockel schützt die Holzkonstruktion vor Feuchtigkeit. Die Gründung des Gebäudes auf Streifenfundamenten ermöglichte eine kostengünstige Pflasterung der Erdgeschossflächen. Die Decke zum Obergeschoss ist ebenfalls als sichtbare Holzkonstruktion mit Brettschichtholz-Unterzügen (16 × 32 cm) ausgeführt. Als Bodenbelag im Obergeschoss dient Asphalt. Die Dachkonstruktion als Balkenstapelrost (22 × 16 cm, Raster 1,7 Meter) ermöglicht auch in den Eckbereichen Auskragungen bis zu 3,26 Metern, die zum konstruktiven Holzschutz beitragen. Vertikal schließt die Konstruktion mit einem begrünten Dach mit bienenfreundlicher Bepflanzung und Photovoltaikmodulen ab.

Das Fahrradparkhaus am Bahnhof Eberswalde ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie gute Architektur zu nachhaltiger Mobilität motivieren kann. Wer also einen Beitrag zum Klimaschutz leisten will, baut mit Holz oder, um die Projektarchitektin zu zitieren: „Wer ernsthaft einen Beitrag zum Klimaschutz leisten will, sollte Fahrrad fahren.“ Die Infrastruktur dafür steht in Eberswalde jedenfalls schon bereit.


verfasst von

Linda Lackner

studierte Architektur an der TU Wien und der Akademie der bildenden Künste Wien, forscht und publiziert zu Themen der Architektur und Stadtplanung, von 2019 bis 2023 war sie Redakteurin der Zeitschrift Zuschnitt.

Erschienen in

Zuschnitt 92
Infrastrukturbauten

Mobilitätswende mit Holz

8,00 €

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Zuschnitt 92 - Infrastrukturbauten