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Parkhäuser aus Holz

erschienen in
Zuschnitt 92 Infrastrukturbauten, März 2024

In diesem Jahr wird das von herrmann+bosch architekten geplante Parkhaus Schwanenweg in Wendlingen fertiggestellt. Als erstes Holzparkhaus dieser Größenordnung markiert es den Höhepunkt einer Reihe von Bauprojekten, in denen das Parken unter Dächern und zwischen Wänden aus Holz langsam erwachsen wurde.

Im schwedischen Växjö gestaltete das Planungsbüro Liljewall die 2018 errichtete Parkgarage mit Aussichtsplattform wie einen Teil der Landschaft. Die oberste Plattform ist offen und frei zugänglich konzipiert. Mit seinen abgerundeten Ecken und der Pfosten-Riegel-Fassade aus 424 mit einem Holzschutzmittel auf Silikonbasis imprägnierten Brettschichtholz-Lamellen erweckt der Baukörper tagsüber den Eindruck von Bäumen und nachts von einem beleuchteten Pavillon im Wald. Die gesamte Tragstruktur der Garage ist aus Brettschichtholz. Lediglich die Bodenplatte und die Hauptstützen im Zentrum des Parkhauses bestehen – wegen der extrem hohen Belastung – aus Beton bzw. Betonfertigteilen, die mit Holz kombiniert wurden. Reine Holzstützen hätten entweder stärker dimensioniert oder in größerer Anzahl verwendet werden müssen. Als Bodenbelag dient Asphalt, die Verbindungen wurden mit Stahlbauteilen erstellt. Ziel des Planungsteams war ein Gebäude, dessen reduzierter CO2-Fußabdruck sich mit dem derzeitigen Fokus der Automobilindustrie deckt. Nach dem Kreislaufprinzip kann die Konstruktion bei Bedarf ab- und an einem anderen Standort wieder aufgebaut werden. Auf dem Dach lädt eine Aussichtsplattform mit Balkon und Bank zum Stadtblick von oben. Das Parkhaus im nördlichen Bahnhofsviertel der Stadt ist nur eines von zahlreichen Neubauprojekten in Holzbauweise in der schwedischen Kleinstadt Växjö, denn sie will spätestens 2050 die erste Stadt der Welt ohne fossile Energieträger sein. Ein anderes Ziel setzte man sich in Antwerpen – doch auch dabei entstand ein Parkhaus aus Holz.

Ein Hub aus Holz

Antwerpen möchte die Mobilitätsströme der Stadt nachhaltiger und kollektiver gestalten und die Zahl der Autos im historischen Zentrum reduzieren. Drei Park+Ride-Anlagen am Stadtrand sollen den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel ermöglichen: Luchtbal, Linkeroever und Merksem mit 1.800, 1.500 und 680 Stellplätzen. Das belgische Architekturbüro HUB wurde mit der Gestaltung der drei 2022 fertiggestellten Transitbereiche beauftragt. Als repräsentative Eingangstore zur Stadt und zur Region prägen die Gebäude den ersten Eindruck des Antwerpener Stadtgebiets. Zentrale Innenhöfe versorgen sie mit Tageslicht und helfen bei der Orientierung. Alle drei Anlagen verzichten auf Fassaden. Stattdessen liegt der gestalterische Fokus auf der sauberen, hybriden Tragstruktur – mit Bodenplatten und Stützen aus Beton sowie auf Betonkonsolen aufliegenden Leimholzträgern.

Dank dieser Leimholzträger konnte die lichte Höhe der einzelnen Geschosse und damit die Tageslichtausbeute und die Transparenz der Bauwerke optimiert werden. Die zentralen Innenhöfe verbessern die Maßstäblichkeit der Gebäude und ihre Wahrnehmbarkeit, wobei im Erdgeschoss jeweils auch eine übergreifende öffentliche Nutzung möglich ist. Außergewöhnliche architektonische Elemente wie eine Wendeltreppe aus Ortbeton erleichtern die Orientierung. Die Grundrissstruktur ist eng, sodass die Fußwege aus Sicherheitsgründen an den Fassaden und entlang der Innenhöfe und nicht auf der Fahrbahn verlaufen. Alle Gebäude entstanden nach den gleichen Gestaltungsprinzipien und reagieren trotzdem spezifisch auf ihren jeweiligen Kontext. Die Innenhöfe, die glatten Böden und die großzügigen Geschosshöhen machen die Bauten flexibel veränderbar. So können sie beispielsweise bei abnehmender Autonutzung (teilweise) zu Geschäftszentren, Büros oder Wohngebäuden mit mehreren Mietparteien umgenutzt werden.

Fünf Geschosse für die Mobilität

Ebenfalls auf die Kombination von Individualverkehr und öffentlichen Verkehrsmitteln setzt das baden-württembergische Wendlingen. Hier plante das Stuttgarter Büro herrmann+bosch architekten zwischen dem Bahnhof und dem geplanten OTTO-Quartier ein fünfgeschossiges Parkhaus in Holzbauweise. Mit 349 Stellplätzen auf fünf Ebenen ersetzt das Park+Ride-Parkhaus die Parkplätze auf dem sogenannten Behr Areal. Durch seine verkehrsgünstige Lage, E-Ladestationen für Autos und E-Bikes sowie 200 Fahrradstellplätze fördert es zudem die umweltfreundliche Mobilität und entlastet den Verkehr in der Region.

Die dem Grundstück geschuldete ovale Gebäudeform ermöglicht eine maximale Flächeneffizienz mit stützenfreien, in der Breite variablen Stellplätzen. Das Tragwerk aus Brettsperrholz-Decken und Brettschichtholz-Stützen wurde mit einem Minimum an Stahl und Beton realisiert. Rampendecken und Treppenhäuser sind aus statischen und brandschutztechnischen Gründen aus Beton, als Deckenbelag dient Gussasphalt. An der Nordseite des Gebäudes sorgt eine Fassade aus transluzentem Profilglas für den nötigen Schallschutz, die Südseite ist offen und ebenso wie das Dach begrünt. Die geringen Lasten des symmetrischen Holzbaus führten zu einem einfachen Tragwerk aus vorgefertigten Holzbauteilen, die auf der Baustelle mit einfachen Stecksystemen schnell und kostengünstig verbunden wurden. Dank der Schraubverbindungen und dem Verzicht auf Verbundwerkstoffe kann das Gebäude leicht zurückgebaut und das Material sortenrein getrennt und wiederverwendet werden. Mit einer Höhe von 2,35 Metern unter und 3,4 Metern zwischen den Trägern lässt sich die weitgehend stützenfreie Konstruktion zudem einfach in eine Wohn- oder Arbeitsumgebung mit natürlich belichtetem Innenhof anstelle der mittig angeordneten Fahrrampen umnutzen. Die natürliche Belüftung, die Regenwassernutzung und eine Photovoltaikanlage runden das Gebäudekonzept hinsichtlich seiner Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit ab. Das Parkhaus Schwanenweg nutzt die Vorteile von Holz zur Reduktion des CO2-Ausstoßes und für eine schnelle und wirtschaftliche Bauweise. Es markiert den letzten Schritt in einer Reihe von Parkhäusern aus Holz, in denen der Einsatz des Materials sukzessive optimiert und zugleich materialgerechte Lösungen für herausfordernde Details gefunden wurden.


verfasst von

Christine Ryll

ist Architektin und Fachredakteurin. Sie schreibt hauptsächlich über Themen im Bereich Bau, Architektur, Immobilien, IT und Digitalisierung (vor allem im Baubereich), Green Building, Innenausbau und Design.
www.rylltext.com

Erschienen in

Zuschnitt 92
Infrastrukturbauten

Mobilitätswende mit Holz

8,00 €

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Zuschnitt 92 - Infrastrukturbauten