Holz, Lehm und Stroh sind ideale Partner, wenn es ums Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen geht. In entsprechender Kombination kann jedes Material seine spezifischen Eigenschaften am besten entfalten. Holz übernimmt in dieser Partnerschaft meist die tragende Rolle. Wir zeigen, durch welche Eigenschaften sich Lehm und Stroh jeweils auszeichnen und in welcher Form und Einsatzweise sie im Bereich des Bauens Anwendung finden.
Lehm
Lehm ist eine körnig-bindige Mischung verschiedener Erden aus Ton, Schluff und Sand. Erweitert spricht man beim Ausgangsmaterial auch von „Pechschotter“, wenn in oberen Schichtlagen der Schotter lehmig verwittert und deshalb nicht rentabel für die Ziegel- oder Betonherstellung ist. Der Rohstoff Lehm lässt sich vielfältig als Baumaterial einsetzen und auf unterschiedliche Weise im Holzbau kombinieren. Die Stampflehmtechnik wird für teilweise tragende Innen- und Außenwände oder für fugenlose, terrazzoähnliche Fußböden eigesetzt. Im Innenbereich kann Lehm beispielsweise in Form von Lehmplatten (ähnlich wie Gipskarton- oder Gipsfaserplatten) zur Anwendung kommen, die Ausbildung schwerer Trennwände erfolgt u. a. durch ein Lehmsteinmauerwerk. Lehmputze bieten eine weitere Möglichkeit: Aus Lehm, Sand und gegebenenfalls pflanzlichen Fasern hergestellt, stehen einerseits klassische braune Lehmputze oder farbige Lehmdünnlagenputze zur Verfügung.
Brandschutz
Lehm ist nicht brennbar. Lehmplatten und Lehmputze, die mindestens feuerhemmende Eigenschaften aufweisen, können im Holzbau brandschützende Funktionen übernehmen und eignen sich daher als ideale Materialpartner für Holz.
Schallschutz
Lehm verleiht den üblicherweise „leichten“ Aufbauten im Holzbau Gewicht und Masse und verbessert somit deren Schallschutz. Mit Lehm gefüllte oder bekleidete Bauteile aus Holz geraten weniger stark in Schwingung. Durch die Beschwerung wird die Schalllängsleitung gedämpft.
Feuchteschutz
Lehm hat feuchteregulierende Eigenschaften. Er kann Feuchte rasch aufnehmen, vorübergehend problemlos zwischenspeichern, trocknet aber auch schnell wieder aus. Diese Eigenschaften sorgen für einen idealen Feuchteausgleich in Bauteilen und begünstigen die Feuchtebilanz der Raumluft positiv.
Anwendungsformen
- Lehmsteine/Lehmvollsteine Im Handstrich- oder Pressverfahren wird der Lehm in Formen eingedrückt. Nach Abziehen der Oberfläche wird die Form abgenommen und die Steine können trocknen und verbaut werden.
- Strohlehm/Leichtlehm Stroh, Holzhäcksel, Kornschrot u. Ä. wird mit Lehmschlämme vermischt, in die Holzkonstruktion eingefüllt und leicht verdichtet.
- Wellerbau Die Wand wird mit einem feucht angemischten und durchwalkten Strohlehmgemisch aufgeschichtet. Unebene seitliche Oberflächen werden mit einem Spaten gleichmäßig abgestochen.
- Stampflehm – am Ort/vorfabriziert Erdfeuchte, bindige Lehmsteinmischungen werden lagenweise in eine druckfeste Schalung geschüttet und durch Bearbeiten mit verschiedenen Stampftechniken oder Vibrationswalzen verdichtet. Der Wandaufbau vor Ort erfolgt Schicht für Schicht in Wanderschalungen. Bei der Vorfertigung werden Wandstränge in der Werkhalle gestampft und für das Zusammenfügen auf der Baustelle entsprechend den logistischen Möglichkeiten, bis zu einem Gewicht von sieben Tonnen, portioniert.
- Lehmputz Je nach Werkzeug oder Verarbeitung werden Lehmputze in verschiedenen Schichtstärken und Körnungen ausgeführt. Der Putz wird mit einer Putzmaschine oder von Hand meist mehrlagig aufgetragen und mit Stuckateurwerkzeugen verzogen.
- Lehmplatten Lehmplatten werden im Innen- und witterungsgeschützten Außenbereich wie übliche Trockenbauplatten als Wand- und Deckenverkleidungen eingesetzt. Sie finden zunehmend auch für Fußboden- oder Dachaufbauten Verwendung. Ab einer gewissen Stärke sind sie auch für die Konstruktion selbsttragender Trennwände im Trockenbau geeignet.
Stroh
Baustrohballen können zwar auch als tragende Elemente eingesetzt werden, vorwiegend finden sie jedoch als Dämmmaterial im Bereich von Wänden, Decken und Dach Verwendung. Ob in Form von Strohballen, Stroheinblasdämmung oder Strohdämmplatten: Eine Wand in Holzrahmenbauweise kann mithilfe von Stroh mit sehr hohem Wärmewiderstand konstruiert werden. Durch die guten Wärmedämmeigenschaften von Stroh lassen sich Gebäude aller Dämmstoffstandards erreichen. Die Wärmeleitfähigkeit von Baustrohballen beträgt etwa 0,045 W/mK und liegt damit im Bereich anderer gängiger mineralischer Dämmstoffe wie Glas- und Steinwolle oder biogener Dämmstoffe wie Schafwolle und Flachs. Als faserverstärkender Zuschlag kommt Stroh beispielsweise in Lehmziegeln zum Einsatz, es fungiert als Putzträger oder wird in Form von Bauplatten aus Strohfasern für den Innenausbau verwendet.
Brandschutz
Während loses Stroh sehr gut brennt, ist dies bei Baustroh in Form gepresster Ballen nicht der Fall. Baustrohballen gelten als „normal brennbar“. Bauteile mit entsprechender Ausführung erreichen eine bis zu 90-minütige Brandbeständigkeit. Beispielsweise erreicht ein Wandaufbau einer beidseitig verputzten, mit Strohballen gedämmten Holzständerkonstruktion in einem Brandtest die höchste Brandwiderstandsklasse (F90).
Schallschutz
Hinsichtlich des Schallschutzes erreichen Wände mit Strohdämmung sehr gute Werte, was auf die relativ hohe Rohdichte des Materials zurückzuführen ist. Als Beispiel: Eine einseitig verputzte Strohballenwand mit 1 cm Putz und 36 cm Strohballen in Holzständerwerk mit jeweils 2 cm Holzfaserdämmmatte als Putzträger erreicht ein bewährtes Schalldämmmaß von 43 dB.
Feuchteschutz
Die Strohballen müssen zu jedem Zeitpunkt (Transport, Lagerung, Einbau) bis zum Aufbringen eines Witterungsschutzes (z. B. Putz) vor Feuchtigkeit geschützt werden, eine Kondensatbildung ist unbedingt zu vermeiden.
Anwendungsformen
- Tragender Strohballenbau Gepresste Strohballen werden wie Bausteine zu lastabtragenden Außen- und Innenwänden aufeinandergeschichtet. Die Wände werden entweder verputzt oder auch im Außenbereich beispielsweise als hinterlüftete Holzfassade ausgeführt.
- Stroh im Rahmenbau Vorgepresstes Stroh wird in die vorgefertigten Holzrahmen- oder Holzkastenelemente gepresst. In den Gefachen wird es nochmals verdichtet und rahmenbündig geschnitten.
- Stroh-Einblasdämmung Geschnittenes und gereinigtes Stroh wird in Wände, Dächer, Decken, Fußböden mittels herkömmlicher Einblasmaschinen eingebracht.
- Strohdämmplatten Gereinigtes und entkeimtes Stroh wird mit ökologischem Bindemittel unter Wärmezufuhr in Form gepresst und getrocknet. Die normal entflammbare Dämmplatte kann wie herkömmliche Außen- oder Innenputzträgerplatten verarbeitet werden.
Literatur
Lehm
- Martin Rauch – Gebaute Erde. Gestalten & Konstruieren mit Stampflehm
Otto Kapfinger, Marko Sauer (Hrsg.); München 2022 - Bauen mit Leichtlehm. Handbuch für das Bauen mit Holz und Lehm
Franz Volhard; Basel 2021 - Lehmbau-Praxis. Planung und Ausführung
Ulrich Röhlen, Christof Ziegert; Berlin 2020 - Gewerbebauten in Lehm und Holz. Mehrwert durch Material
Sabine Djahanschah; DBU Bauband 3, München 2020 - Upscaling Earth. Material, Process, Catalyst
Anna Heringer, Lindsay Blair Howe, Martin Rauch; Zürich 2019 - Pisé – Stampflehm. Tradition und Potenzial
Roger Boltshauser, Cyril Veillon, Nadja Maillard (Hrsg.); Zürich 2019 - Lehmbau. Mit Lehm ökologisch planen und bauen
Horst Schroeder; Wiesbaden 2019 - Lehmarchitektur heute
Dominique Gauzin-Müller; Zürich 2018
Stroh
- Pflanzenfaserarchitektur heute
Dominique Gauzin-Müller; Zürich 2020 - Handbuch Strohballenbau. Grundlagen, Konstruktionen, Beispiele
Gernot Minke, Benjamin Krick; Staufen bei Freiburg im Breisgau 2009 - Neues Bauen mit Stroh in Europa
Herbert Gruber, Astrid Gruber, Helmuth Santler; Staufen bei Freiburg im Breisgau 2008 - Untersuchung von Strohballen und Strohballenkonstruktionen hinsichtlich ihrer Anwendung für ein energiesparendes Bauen unter besonderer Berücksichtigung der lasttragenden Bauweise
Benjamin Krick; Kassel 2008