Hubert Matthias Sanktjohanser macht Möbel. Möbel aus Holz. Doch das Material Holz ist für ihn nicht Ausgangspunkt – er wählt es, weil es das geeignetste ist, um einen bestimmten Zweck zu erfüllen. Dass er gerade dadurch alle Vorzüge und die volle Schönheit eben dieses Materials deutlich macht, gehört zu den wunderbaren Selbstverständlichkeiten guter Gestaltung.
In der väterlichen Tischlerei kam er schon in früher Jugend mit Holz und dessen Verarbeitung in Berührung. Ebenso wichtig war aber auch die Idee des Wohnens, die ihm von seinem Zuhause vermittelt wurde – eine sehr individuelle Idee, die später durch seine Frau, die Architektin ist, zu einer ständigen Auseinandersetzung mit dem Raum wurde. Die prägenden Eindrücke verdichteten sich unter dem Gesamtbegriff der Qualität. Eine Qualität, die er allerdings mit möglichst geringem Aufwand an Formen, aber auch an Material – und dadurch auch kostengünstig – zu erreichen sucht.
»Ich arbeite grundsätzlich kontextorientiert.« sagt Sanktjohanser. »Etwas zu schaffen, das keinen mir wertvoll erscheinenden Verwendungszweck hat, entspricht nicht meiner Vorstellung von einem kreativen Entwurfsprozess. Mit jedem Stück, das ich plane und herstelle, übernehme ich eine Verantwortung. Das ist die Ethik des Entwerfens.« Das planende Vorgehen ist eines von außen nach innen, von der Begrenzung zum Zentrum. Außen: Das sind die Wände. Aus ihnen werden Möbelteile, Möbelflächen herausgekippt. Sie lösen sich ab und werden zu räumlichen Elementen, ohne die Einheit mit der Wand ganz aufzugeben. Der nächste Schritt erfolgt damit, dass diese Möbel sich gewissermaßen in Bewegung setzen. Sie lösen sich als bewegliche Einheiten heraus, sind aber oft faltbar oder stapelbar, d.h. sie bilden immer wieder neue Räume (wie etwa die »Öffentliche und private Bibliothek«).
Manche werden auch als Regale autonome Teile vor einer Wand. Zuletzt rücken sie in die Mitte vor: Kuben, die frei beweglich sind, die Gruppen bilden und mit einfachen Additiven wie Platten Sitze, Tische oder Behälter entstehen lassen. Eine besondere Rolle spielen die Stühle. Einfache Grundkörper, die durch unterschiedliches Aufstecken der Lehnen die verschiedensten Kombinationen ermöglichen: Reihen oder Kleingruppen. Die Armstützen werden zu kleinen Ablagetischen oder Schreibpulten. Es gibt je nach Bedarf ein Nebeneinander oder Gegenüber. Das ultimative System ist ein Sperrholzkubus von eigenwilligem Zuschnitt, dessen leichte Kurvenform eine große Vielfalt sehr reizvoller Konstellationen erlaubt. Trotz der konsequenten Reduktion wirkt das alles locker und leicht und aus sich heraus bewegt.
Zufälle gibt es nicht bei Sanktjohanser. Alle Maße sind genau geplant. Unnötiges gibt es auch nicht. Die Details sind aber gerade durch ihren Minimalismus so überzeugend. Die Voraussetzungen sind die saubere Verarbeitung und die liebevolle Vorbereitung. Außer dünnen Filzauflagen bei den Sesseln werden keine Zusatzmaterialien verwendet. Das Holz wirkt durch seine optischen und haptischen Eigenschaften, ohne jemals aufdringlich zu sein. Diese Möbel stehen im Dialog mit dem Raum. Sie machen ihn trotz ihrer Einfachheit und Strenge bewohnbar, weil sie Harmonie, Bewegung und Rhythmus einbringen. Sie atmen, so wie das Holz atmet.
Hubert Matthias Sanktjohanser
1960 geboren in München. Matura und handwerkliche Ausbildung als Tischler. Seit 1984 freischaffend tätig. 1998 Förderpreis der Stadt München für angewandte Kunst.
Seit 1992 verschiedene Ausstellungsbeteiligungen.
Ausstellungen (Auswahl)
1999 Galerie Wittenbrink, München (mit Gordon Matta-Clark, USA)
artforum Berlin
2000 Stadtmuseum Penzberg (Einzelausstellung)
Galerie Wittenbrink, München
2001 1. Preis beim Wettbewerb für Kunst am Bau des Konzerns Roche Diagnostics, Basel.
Museum für Angewandte Kunst Wien (Einzelausstellung)
Stadtmuseum München