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Zuschnitt 5
Holz zu Gast


Es gibt sie, die Bauten für Gäste, die beweisen, dass touristische Begehrlichkeiten nicht mit falscher Heimeligkeit, sinnentleerter Symbolik und billigen Repliken erfüllt werden müssen. Mit »Zeitgemäßer Architektur im Tiroler Stil« und künstlicher »Dorfplatzidylle« herrscht dennoch immer noch mehr Schein als Sein. Umso wichtiger sind jene, die versuchen, diese Front zu durchbrechen und zu einer Architektur – auch in Holz – zu stehen, die in heutiger Sprache auf das Besondere von Orten antwortet, dabei auf Traditionen, Erinnerungen und Sehnsüchte eingeht. Bewahren heißt nicht konservieren, sondern das Erhaltenswerte weiterentwickeln.

Format DIN A4
Seiten 28
Ausgabe März - Juni 2002
Vergriffen!

Editorial

In ländlichen Regionen wurde der Gast immer mit Holz »bedient«. Traditionelle Bauweisen und Interieurs - naturgemäß mit Holz und Stein - eigneten sich bestens als Projektion einer heilen Welt, die der moderne, urban geprägte Großstadtmensch während weniger Wochen im Jahr zu finden hoffte. Bauen mit Holz wurde Teil einer touristischen Vermarktungsstrategie, die mit Bildern des Ruralen Sehnsüchte nach Heimeligkeit befriedigen will. Zeitgleich mit dem Verlust regionaler Identitäten - durch strukturelle Veränderungen und vermutlich auch im Zusammenhang damit - ist eine Urbanisierung touristischer Begehrlichkeiten zu bemerken. Diese beschränkt sich allerdings auf coole Events, am Lederhosenimage des alpinen Baustils kratzt sie kaum.

Dabei ist Erneuerung dort, wo Authentizität längst nicht mehr gegeben ist, wo Holz zur rein dekorativen Schablone verkommt, höchst an der Zeit. In seiner vielgesichtigen Materialität ist es durchaus in der Lage, Wirkung zu erzeugen mit Schlichtheit. Die Wärme, die es a priori in sich trägt, gibt genug her. Neben Atmosphärischem sprechen handfeste Motive für die Verwendung von Holz im alpinen Tourismus. Moderne, leistungsstarke Holzwerkstoffe und neue Technologien ermöglichen einen hohen Grad an Vorfertigung. Die Vorteile der Fabrikation ganzer Wandelemente und Raumzellen in der Werkstatt liegen auf der Hand: In der witterungsunabhängigen Halle kann unter optimalen Bedingungen mit Unterstützung computergesteuerter Maschinen schnell und präzise gearbeitet werden. Die Montage, der »Rohbau« bis zum schützenden Dach, erfolgt in wenigen Tagen. Neubauten wie das Apartmenthaus Lechblick in Warth, das Zuschnitt vorstellt, entstehen in der kurzen Schönwetterperiode alpiner Regionen.

Extremer in den Bedingungen für die Errichtung und mit höheren Ansprüchen auf Wetterfestigkeit, eignet sich vorgefertigter Holzbau für Schutzhütten im schwer zugänglichen hochalpinen Raum. Dort, wo es keine Zufahrtsmöglichkeiten gibt, wo schlechte Fundierungsmöglichkeit zu Leichtbau und instabile Wetterlagen zu rascher Montage zwingen, können der hohe logistische Planungsaufwand und der Zwang zu äußerster Ökonomie, der der Präfabrikation immanent ist, zu hoher Reife führen. In dieser Baukategorie gibt es Erneuerungsbedarf, aber noch wenige gebaute Vorbilder. Die Berghütte auf dem Plateau de Saleinaz im Schweizer Wallis, die Zuschnitt zeigt, könnte ein solches sein.

In die urbane Gastlichkeit, in städtische Cafés und Restaurants, kehrt Holz nach Jahren der Unterrepräsentanz verstärkt zurück. Es tritt nicht länger nur als Möbel auf. Sorgfältig abgestimmte Hölzer werden flächig eingesetzt: als Wandtäfelung, exquisit ausgewählter Fußboden und raumbildendes Element. Holz bedient den Gast wieder - mit Atmosphäre ganz ohne Schnickschnack.

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