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Lawinendynamische Optimierung von Holzfenstern

Das Forschungsprojekt »Lawinendynamische Optimierung von Holzfenstern« will Bauten, die bis zu einem bestimmten Maß durch Lawinen gefährdet sind, durch die Entwicklung von Lawinenschutzfenster schützen.

erschienen in
Zuschnitt 5 Holz zu Gast, März - Juni 2002
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Hintergründe
Von Bergen gehen natürliche Bedrohungen aus, die in Form von Hochwässern, Hangrutschungen, Muren, Felsstürzen, Steinschlägen und Lawinen in Erscheinung treten. Lawinen können trotz Schutzmaßnahmen von Seiten des Forsttechnischen Dienstes für Wildbach- und Lawinenverbauung nach außergewöhnlich heftigen Schneefällen katastrophale Ausmaße annehmen und bis in menschliche Siedlungsräume vordringen. Neben den Bewohnern des alpinen Raumes sind auch viele Winterurlauber gefährdet, die sich erwarten, dass sie in ihren Unterkünften vor Lawinen geschützt sind. Wenn auch ein hundertprozentiger Lawinenschutz in Gebäuden, die durch Lawinen bis zu einem bestimmten Maß gefährdet sind, nie versprochen werden kann, soll durch die Entwicklung und den Einsatz von Lawinenschutzfenstern der Aufenthalt sicherer werden. Die Lawinenkatastrophe von Galtür war der ausschlaggebende Anstoß für die Holzforschung Austria, das Forschungsprojekt »Lawinendynamische Optimierung von Holzfenstern« zu initiieren. Es wurde vom Verein Tiroler Maßfensterhersteller, von zwei Tiroler Fensterkantelproduzenten und proHolz Tirol getragen.

Problemstellung
Die in Österreich verwendeten Fenster sind auf Beanspruchung durch Wind und Schlagregen, Wärme- und Schallschutz sowie in speziellen Fällen auch auf Einbruchhemmung optimiert. Darüber hinaus existieren Fenster, von denen aufgrund statischer Berechnungen angenommen wird, dass sie bestimmten Belastungen durch Lawinen standhalten. Die Konstruktion dieser letztgenannten Fenster erfolgt derart, dass sie nicht geöffnet werden können. Durch solche fest verschlossenen Fenster ergeben sich nicht unerhebliche Nachteile für die Benutzer von Gebäuden. Vereinzelt werden auch massive Fensterläden als Lawinenschutz eingesetzt, welche bei Lawinengefahr geschlossen sein müssen und so auch den Blick nach draußen verhindern. Um diesen Nachteilen zu entgehen, wäre der Einsatz von zu öffnenden Fenstern zweckmäßig, die in geschlossenem Zustand den Belastungen einer Lawine genügend Festigkeit entgegensetzen.

Forschungsziel
Ziel der Forschung war es daher 
_Eine Prüfmethodik festzulegen, welche die Belastung von Fenstern und Fenstertüren durch eine Lawine möglichst naturgetreu simuliert. 
_Anhand von empirischen Versuchen dreh- und kippbare Lawinenschutzfenster aus Holz zu entwickeln, die den Anforderungen der Prüfmethodik und somit der Belastung einer Lawine ausreichend Widerstand entgegensetzen. 
Durch die Prüfmethodik sollten Kräfte erzeugt werden, die in ihrer Höhe den Lastannahmen des Forsttechnischen Dienstes für Wildbach- und Lawinenverbauung an der Grenze zwischen der roten und gelben Gefahrenzone entsprechen. Das Resultat der Fensterentwicklung war eine objektive Bestätigung, dass zu öffnende Fenster genügend Festigkeit gegenüber Belastungen einer Lawine aufweisen.

Resultate
In Zusammenarbeit mit dem Institut für alpine Naturgefahren der Universität für Bodenkultur Wien konnte von der Holzforschung Austria eine dreiteilige Prüfmethodik festgelegt werden, die eine lawinendynamische Belastung von Fenstern und Türen ermöglicht. Durch diese Prüfmethodik werden jene drei Vorgänge und Belastungen simuliert, die beim Aufprall einer Lawine auf ein Hindernis stattfinden:
_Ein kurzfristig wirkender, flächig verteilter Kraftstoß, der durch den Aufprall der Schneemassen einer Lawine entsteht.
_Ein kurzfristig, punktförmig angreifender Kraftstoß, der durch den Aufprall von in den Schneemassen einer Lawine mitgeführten Festkörpern entsteht.
_Eine flächig wirkende Belastung, die durch den eigentlichen stationären Druck einer Lawine an der Grenze zwischen der roten und gelben Gefahrenzone hervorgerufen wird.

Verschiedene Fensterkonstruktionen wurden durch die oben erläuterte Prüfmethodik hinsichtlich ihrer Festigkeit gegenüber lawinendynamischen Belastungen untersucht. Als Ergebnis der Forschung konnten die folgenden allgemeinen Konstruktionsregeln für den Bau von Lawinenschutzfenstern aus Holz gewonnen werden:
_Rahmenprofile entsprechender Dimension aus einer Holzart mit hoher mechanischer Festigkeit
_Glasscheiben aus Sicherheitssonderglas_speziell befestigtes Glashaltesystem
_Beschläge in verstärkter Ausführung zur Ableitung hoher Kräfte vom Flügelrahmen auf den Stockrahmen
_Zusätzlich zu den Anforderungen an die Konstruktion und die verwendeten Materialien gelten für die Befestigung der Lawinenschutzfenster am Baukörper spezielle Verankerungsvorschriften.

Die detaillierten Konstruktionsregeln für den Bau von ein- und zweiflügeligen Lawinenschutzfenstern aus Holz stehen derzeit exklusiv dem Verein der Tiroler Maßfensterhersteller zur Verfügung. Für diese Lawinenschutzfenster wurde von Seiten der Holzforschung Austria der prüftechnische Nachweis erbracht, dass sie den Belastungen der Prüfmethodik für Lawinenschutzfenster standhalten. Die Festigkeiten dieser Bauteile genügen somit den Lastannahmen des Forsttechnischen Dienstes für Wildbachund Lawinenverbauung, und widerstehen damit der Belastung eines Gebäudes durch alle 150 Jahre wiederkehrende Lawinen an der Grenze der roten zur gelben Gefahrenzone.

Text
Martin Wieser
1971 geboren in Neunkirchen, NÖ. Lehre zum Bau- und Möbeltischler. Holztechnische Ausbildung an der HTBLuVA Mödling, Abteilung Holztechnik für Praktiker. 
Seit 1994 Studium der Holzwirtschaft an der Universität für Bodenkultur, Wien. 
Seit 1997 Mitarbeiter der Holzforschung Austria im Bereich Fenster- und Türentechnik.


Martin Wieser
Holzforschung Austria
Fenster- und Türentechnik
Franz-Grill Straße 7
A-1030 Wien
T +43 (0)1/7982623-47
F +43 (0)1/7982623-50
m.wieser(at)holzforschung.at
www.holzforschung.at


verfasst von

Martin Wieser

  • 1971 geboren in Neunkirchen, NÖ
  • Lehre zum Bau- und Möbeltischler
  • Holztechnische Ausbildung an der HTBLuVA Mödling, Abteilung Holztechnik für Praktiker
  • seit 1994 Studium der Holzwirtschaft an der Universität für Bodenkultur, Wien
  • seit 1997 Mitarbeiter der Holzforschung Austria im Bereich Fenster- und Türentechnik

Erschienen in

Zuschnitt 5
Holz zu Gast

Es gibt sie, die Bauten für Gäste, die beweisen, dass touristische Begehrlichkeiten nicht mit falscher Heimeligkeit, sinnentleerter Symbolik und billigen Repliken erfüllt werden müssen. Mit »Zeitgemäßer Architektur im Tiroler Stil« und künstlicher »Dorfplatzidylle« herrscht dennoch immer noch mehr Schein als Sein. Umso wichtiger sind jene, die versuchen, diese Front zu durchbrechen und zu einer Architektur – auch in Holz – zu stehen, die in heutiger Sprache auf das Besondere von Orten antwortet, dabei auf Traditionen, Erinnerungen und Sehnsüchte eingeht. Bewahren heißt nicht konservieren, sondern das Erhaltenswerte weiterentwickeln.

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Zuschnitt 5 - Holz zu Gast