Nicht nur Adolf Loos wollte die Wiener »... zwecks trockener Köpfe und ausdrucksvoller Gesichter« (1) zur Haferspeise bekehren. Auch aus dem Bregenzerwald kam Hilfe nach Wien, um dem herrschenden Hunger mit kultivierter Bereitung einer einfachen Grundsubstanz zu begegnen.
Die Rede ist vom damaligen Abgeordneten im Parlament, Jodok Fink aus Andelsbuch, der 1917 seine Tochter, Köchin im Gasthaus Taube, aus dem »Haferland« nach Wien schickte. Nach ihren Rezepten verpflegten die Wiener Volksküchen eine breite Masse auf solide Weise. Zu dieser Zeit war die Taube in Andelsbuch auch Zunftlokal des örtlichen Handwerkervereins, einer Gemeinschaft von Menschen, die den aus Lebensformen gewachsenen Umgang mit elementaren Substanzen pflegte und deren Lebensgefühl noch keinen präzisen Normen gewichen war. Doch in die Welt des Dorfmenschen kehrt auch im Bregenzerwald die Welt des globalisierten Menschen ein: Aus den alten Handwerkergemeinschaften haben sich moderne, der Technik zugewandte Betriebe gebildet. Erwähnenswert ist die über eine vitale Holzbauindustrie repräsentierte regionale Holzbautradition, auf die sich eine international anerkannte Vorarlberger Architektur seit ihren Anfängen stützen kann. Für eine Vielzahl von Handwerkern ist die Zusammenarbeit mit einem Architekten daher kein Neuland. Sie wissen von den Vorteilen einer gegenseitigen Befruchtung.
Beispiel einer solchen Kooperation ist der vom Architekten Hermann Kaufmann geplante Umbau des Gasthofes Adler in Schwarzenberg, wo die Verknüpfung von Alt und Neu an alle beteiligten Handwerker eine Herausforderung darstellte. So dürfte es kein Zufall sein, dass sich nahezu alle hier Tätigen einige Jahre später als Mitglieder im 1999 gegründeten Werkraum wiederfinden: Ein regionaler Zusammenschluss von 100 Handwerkern - ein knappes Drittel sind Tischler - aus verschiedenen Branchen. Es sind mehrere Umstände, die Anlass für eine solche Inititiative gaben. Zum traditionellen Aufgabenbereich des Innenausbaus, der im Gasthof Adler auf die bäuerliche Semantik von rustikalen Holztelstuben bewusst verzichtet und dabei an Gastlichkeit nichts einbüßt, tritt die Auseinandersetzung mit dem Objekt, dem Tisch, dem Stuhl: dem mobilen Möbel. Vermehrt taucht in der Produktentwicklung der Gestalter bzw. Designer auf, der das Produkt vom Entwurf bis zur Herstellung begleitet.
»handwerk + form«
Alltagsästhetische Orientierungen sind heute von einem patchworkartigen Nebeneinander der Lebensstile und Wertstrukturen bestimmt, in welchem sich der Handwerker positionieren muss. Erste Anzeichen einer neuen Orientierung sind bereits in der 1991 vom Handwerkerverein Andelsbuch organisierten Ausstellung »handwerk + form« zu sehen, deren reflektierte Weiterführung als Wettbewerb zu den Hauptaktivitäten des »Werkraum« zählt. Eine Auswahl der bei »handwerk + form 2000« präsentierten Objekte - von einer Jury nach den Kriterien Form, Materialgerechtigkeit, Zweckmäßigkeit und Alltagstauglichkeit bewertet - wandert im Frühjahr 2002 nach Wien, wo sie in der Galerie im Ringturm als »Einrichtungsgegenstände von architektonischem Wert« (Adolph Stiller) in einer ersten Station auf ein internationales Publikum treffen. Im Bregenzerwald selbst denkt man an ein eigenes Ausstellungshaus, wo im Zuge eines regen Architekturtourismus auch die neuesten Entwicklungen im Handwerk sichtbar werden sollen. Neben dem Vertrieb der in Wien gezeigten Objekte leistet der Werkraum Bregenzerwald primär institutionalisierte Hilfestellung in den Bereichen Mitgliederservice, Produkt- und Designinnovation, Aus- und Weiterbildung und Baukultur. Das »Kontaktbüro« ist mit einem Geschäftsführer in Egg angesiedelt, weitere Plattformen bilden das Internet sowie die Edition einer Werkraum-Zeitung, die nach den gesetzten Jahresschwerpunkten den inhaltlichen Diskurs aufgreift.
Im Vordergrund steht ein auf seine Alltagstauglichkeit geprüftes Erzeugnis, das sich nicht nur über den Namen seine Identität verschafft. Ein Tisch bleibt ein Tisch, so wie ein Käse ganz einfach ein Käse ist. Was nicht heißt, dass ein Käse ganz wie der andere schmeckt, ein Tisch wie der andere ausschaut oder Hafersuppe gleich Hafersuppe ist. Nach wie vor sind es die einfachen Dinge, die wir auch, oder gerade in Zeiten der Redundanz, am meisten vermissen. Mit Hilfe des Werkraums sollte die Suche danach erleichtert werden.
Bild: Adolf Bereuter
Gasthof Adler, Schwarzenberg
Umbau Hermann Kaufmann,
1991. Innenausbau Tischlerei
Rüscher GmbH, Schnepfau
(1) Siehe dazu: Loos, Adolf:
Trotzdem. 1900 - 1930.
Zweiter Band, S. 193,
Neuauflage Prachner Verlag,
Wien 1988
Werkraum Bregenzerwald
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