Bogenbaurenaissance
Ein Mann in gespannter Haltung, einen Holzbogen in der Hand, den Pfeil auf der Sehne, ist ein archetypisches Bild, das weit in unsere Ursprünge zurückgeht. In der westlichen Welt und in Japan gibt es eine Renaissance des Bogenschießens als meditative und sportliche Freizeitgestaltung. Das instinktive Schießen mit dem einfachen Holzbogen erfreut sich steigender Beliebtheit, auch der traditionelle Bogenbau wurde wiederentdeckt. Es gibt zunehmend professionelle Bogenbauer, die das fast vergessene Wissen und Können in Kursen weitergeben.
Geeignete Bogenhölzer
Die geeigneten Hölzer für den Bogenbau haben sich durch die, geschichtlich gesehen, sehr lange handwerkliche und fachliche Entwicklungs- und Bewährungszeit deutlich herausgestellt. Die enorm hohen dynamischen Belastungen in der Zug- und Druckzone und das gewünschte Rückstellvermögen (Energiespeicherpotenzial) beanspruchen das Holz bis an seine Grenzen. Dieser Kombination von verschiedenen Ansprüchen werden nur wenige Hölzer gerecht.
Entscheidend für die Qualität des Bogenholzes ist eine individuelle Eignung, die mit den Wachstumsbedingungen wie z.B. standortbestimmtes Kleinklima, pH- und Mineralgehalt des Bodens und der Nährstoff- und Lichtsituation zu tun hat.
Diese Wachstumsbedingungen spiegeln sich im Hirnholz (Querschnitt) wider. Im Frühjahr, wenn der Baum aus seiner Winterruhe erwacht, bildet er eine weiche, mit großen Poren und Kanälen durchsetzte Schicht, das Frühholz. Diese Kanäle dienen hauptsächlich dem Transport von Nährstoffen. Im Anschluss übernimmt das Kambium (Bast) den Nährstofftransport und durch die Reifung und chemische Veränderung (Einbau von Lignin) übernimmt nun der Zuwachs die statischen Aufgaben. Das zugewachsene harte und dichte Holz wird Spätholz genannt und ist für den Bogenbau ausschlaggebend.
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass der Spätholzanteil bei Laubhölzern im Verhältnis zum Frühholzanteil möglichst groß sein soll. Bei Laubhölzern ergibt die Schnellwüchsigkeit die beste Qualität der dynamisch beanspruchten Hölzer. Im Gegensatz dazu ist bei Nadelhölzern die Eng- und Langsamwüchsigkeit die geeignete Voraussetzung für den Bogenbau. Sehr wertvolle Eibenbogenstäbe bester Qualität verfügen über zwölf Jahresringe auf einem Zentimeter.
Geeignete Bogenhölzer
Nadelbäume: Eibe, Wacholder
Laubbäume: Walnuss, Hickory, Haselnuss, Bergulme, Feldulme, Robinie, Esche, Osage Orange, Vogelbeere, Weißdorn, Pflaume
Der Bogenbau
Was der Bogenbauer braucht, ist ein gutgelagertes, trockenes (9 bis 12% Feuchtigkeit) und zur Ruhe gekommenes Bogenholz, das je nach Stärke drei bis vier Jahre fachgerecht, am besten in gespaltenen Stammsegmenten, gelagert wurde.
Dieser Rohling wird dann nach Jahresringen in der gewünschten und notwendigen Qualität untersucht (siehe obige Hirnholzbeispiele), wobei ein geeigneter Jahresring als Bogenrücken bestimmt wird. Als »Rücken« wird die dem Schützen abgewandte Seite bezeichnet, der »Bogenbauch« dagegen ist die dem Schützen zugewandte Seite.
Der ausgesuchte Jahresring wird über die ganze Bogenlänge freigelegt, ohne ihn zu durchschneiden oder zu verletzen. Ein Durchtrennen würde zu einer Sollbruchstelle führen, denn die enorme Zugbelastung des Rückens wird nur von einer unverletzten Jahresschicht ausgehalten. Daraus folgert, dass das Profil des werdenden Bogens sich nach dem Wuchs des Holzes richtet: ein welliger Wuchs ergibt einen welligen Bogen, der interessant aussehen kann und als Charakterbogen bezeichnet wird. In der Regel haben solche Bögen keine Nachteile, sie erfordern allerdings wie astige oder knotige Rohlinge mehr handwerkliches Geschick und Erfahrung im Bogenbau.
Nun folgt das Zuschneiden auf die gewünschte Bogenart. Vereinfacht gibt es zwei Bogenarten: Den Stabbogen mit einem eher runden Profil und den Flachbogen, der flach und breit gebaut wird.
Das Design wird durch die Holzart bestimmt.
Hölzer, welche die enorme Kompressionsbelastung am Bogenbauch schlechter aushalten, baut man als Flachbogen (etwa aus Esche oder Robinie) wogegen kompressionsbeständige Hölzer als Stabbogen gebaut werden (Eibe, Ulme).
Nun folgt der sensibelste Abschnitt des Bogenbaus, das Tillern. Hier handelt es sich um einen entscheidenden Arbeitsgang, da ein Bogen keinen Fehler verzeiht und gegebenenfalls mit Bruch antwortet. Unter Tillern versteht man die Bearbeitung der Kompressionsseite des Bogens, mit dem Ziel, eine perfekte Aufteilung der Belastung im Wurfarm zu erreichen. Zur Kontrolle verwendet der Bogenbauer den Tillerstock und die Tillerwand.
Die Wurfarme werden solange vorsichtig bearbeitet, bis die perfekte Durchbiegung und das gewünschte Zuggewicht erreicht sind. Das Zuggewicht richtet sich nach den körperlichen Gegebenheiten und der Kraft des Schützen und entspricht der Pfundzahl, die ihm bei einem Auszug von 28 Zoll auf seinen drei Zugfingern lasten, z.B. 55 Pfund bei 28 Zoll. Diese 55 Pfund, aufgebracht durch die Kraft des Schützen, werden nun durch den Bogen über den Schub der Sehne auf den Pfeil übertragen und beschleunigen ihn auf über 180km/h. Diese enorme Beschleunigung findet auf einer Strecke von 55cm statt!
Heute, da man die Pfeile nicht mehr mit tödlichem Auftrag auf den Weg schickt, und daher keine so hohen Zuggewichte benötigt, wird der Bogen mit starrem Griff gebaut. Das bedeutet, dass er sich nicht über die gesamte Bogenlänge durchbiegt und man daher über zwei unabhängig voneinander arbeitende Wurfarme verfügt. Diese Bauart ermöglicht komfortables Schießen, ohne den unangenehmen Handschock, der durch den Abschuss im Griff empfunden wird.
Der Pfeil
Auch der Pfeil muss enormen dynamischen Belastungen standhalten. Durch den hohen Druck der beschleunigenden Sehne und die Trägheit des Pfeils entsteht ein Phänomen, das in der Bogensprache als »the archer's paradox« bezeichnet wird.
In der ersten Beschleunigungsphase biegt sich der Pfeil schlangengleich um den Bogen, stabilisiert sich dann und fliegt so weiter, als wäre er durch die Mitte des Bogens hindurchgeschossen worden. Dieses sich »Um den Bogen Biegen« des Pfeilschaftes funktioniert nur dann perfekt, wenn er die richtige Steifheit passend zur Wurfkraft des Bogens hat. Das bedeutet, ein starker Bogen verlangt nach einem steifen Pfeil, ein schwacher Bogen nach einem weichen.
Der tiefere Wert des Schießens mit dem einfachen Bogen liegt aber jenseits der technisch- wissenschaftlichen Ebene. Er ist dort zu finden, wo unser analytisch berechnendes Bewusstsein sich nur störend auswirkt. Der Moment des Lösens eines Schusses sollte frei sein von bewusster Kontrolle und Berechnung, denn Bogenschießen ist die Kunst des Loslassens.