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Roman Singer

Der in Appenzell geborene Künstler entwickelt ausgetüftelte Strategien, wenn es darum geht, die Fronten seiner Kunst gegen jegliche Vereinnahmung anderer Kunstströmungen abzudichten.

erschienen in
Zuschnitt 25 Aber sicher, März 2007
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Piaggio

Der in Appenzell geborene Künstler Roman Signer entwickelt ausgetüftelte und immer wieder erprobte Strategien, wenn es darum geht, die Fronten seiner Kunst gegen jegliche Vereinnahmung anderer Kunstströmungen abzudichten.

Seine Arbeiten, die er mitunter auch vor Publikum ausführt, zielen nie ab auf den performativen Akt, wie ihn die Kunstgeschichte seit den 1960er Jahren kennt, sondern auf die Erweiterung des Skulpturbegriffs. Die von Roman Signer vor Publikum ausgeführten Aktionen oder die von ihm alleine praktizierten Ereignisse sind den Gesetzen der Physik unterworfene Interventionen. Es sind Versuche, durch kontrollierten Einsatz von zum Beispiel Sprengstoff oder Wasser, den statischen Skulpturbegriff um eine dynamische und somit zeitliche Komponente zu erweitern. Besonders eindrucksvoll zeigt sich diese Ausdehnung der Zeit in Signers Aktion mit einer Zündschnur.

Am 11. September 1989 um 16:00 Uhr entzündete der Künstler mit einem Schwarzpulverkegel eine 20km lange Zündschnur am Bahnhof Appenzell. In der Folge dauerte es 35 Tage und Nächte, bis sich die Flamme nach St. Gallen brannte. Dokumentiert werden solche Ereignisse mittels Film und Fotografie, die ebenfalls kompositorischen und skulpturalen Gesetzmäßigkeiten folgen. So werden etwa die gefilmten präzisen Explosionen mittels Filmstills aus ihrer Dynamik herausgeholt und zur Verdeutlichung der unterschiedlichen Stadien einer Skulptur zeitlich eingefroren, um sie dem Auge des Betrachters leichter zugänglich zu machen. Materialien, derer sich Roman Signer bedient, sind Wasser, Feuer, Luft oder Sand, die im Wechselspiel mit einfachen Gegenständen wie Fässern, Kübeln oder Leitern jenen erweiterten Skulpturbegriff definieren, den Signer für seine Werke in Anspruch nimmt.

Neben Fahrrädern und Kajaks sind es vor allem Dreirad-Kleintransporter und ferngesteuerte Helikopter, die Signer als Fahrzeuge in die Skulptur-Choreografien einbezieht. Dabei werden auch oft die Grenzen zwischen rein technoidem Werkzeug und lebendigen Protagonisten verwischt, etwa wenn Roman Signer in Schweben in einer Kiste, 1999, den Todeskampf eines eingesperrten Modellflug-Helikopters zeigt, der sich sukzessive selbst zerstört und dabei wie ein dem Tode geweihtes Insekt wirkt, das sich immer wieder aufbäumt, bis die Rotorblätter abgebrochen und der gesamte Flugkörper ramponiert sind. Aufgrund der präzisen Vorarbeit und der unzähligen Materialtests liegt in den Arbeiten von Roman Signer eine gewisse Vorhersehbarkeit bzw. die Sicherheit, dass das kalkulierte Unsichere ganz gewiss eintreten wird. Der Zufall wird minimiert und die Wahrscheinlichkeit vorangetrieben, ohne jedoch den Arbeiten den Anschein der Gewissheit zu geben. Roman Signers Piaggio, 2003, ist so ein Beispiel der veränderlichen Skulptur. Diese Arbeit besteht aus vier Filmstills, die einen Dreirad-Kleintransporter zeigen, eine sogenannte Ape der italienischen Firma Piaggio, die unbemannt eine Holzrampe hinunterrast. Fotografisch festgehalten sind dabei der Start, die Fahrt, der Zeitpunkt vor dem Abheben und der Flug. Der Moment der Sicherheit und der Unsicherheit sind zeitgleich vertreten. Sicher ist, dass die Fahrt nach Plan verläuft und Signer alle physikalischen Parameter berechet hat, um der Ape zum Flug zu verhelfen. Unsicher ist aber, ob der Dreirad-Transporter unmittelbar nach dem Absprung absackt oder seinem Namen Ape (ital. Biene) alle Ehre macht und tatsächlich abhebt und fliegt.

Roman Signer

1938 geboren in Appenzell
lebt und arbeitet in St. Gallen (CH)
1966 Studium (Bildhauerklasse) an der Schule für
Gestaltung, Zürich
1969–71 Studium (Bildhauerklasse) an der Schule für Gestaltung, Luzern
1971–72 Studium an der Academy of Fine Arts, Warschau

Einzelausstellungen (Auswahl)

  • 2006 Aller/Retour 3, Centre Culturel Suisse Paris
  • Galician Centre of Contemporary Art, Santiago de Compostela
  • 2005 Roman Signer – Werke, O.K
    Centrum für Gegenwartskunst, Linz
  • 2004 Galerie Martin Janda, Wien (A)
    Château Gontier, Chapelle du Genêteil, Château Gontier

Kunst im öffentlichen Raum (Auswahl)

  • 2006 Flick Collection, Berlin
  • 2005 Jahresmuseum 2005: In den Wäldern, Kunsthaus Muerz, Mürzzuschlag
  • 2004 Camera/ Action, Museum of Contemporary Photography, Chicago
    Busan Biennale 2004 Contemporary Art Exhibition, Busan Metropolitain Art Museum, Busan, Korea

verfasst von

Stefan Tasch

Studium der Kunstgeschichte in Wien und Edinburgh, arbeitet als freier Kurator

Erschienen in

Zuschnitt 25
Aber sicher

... sollte man ab und zu etwas riskieren! Was aber ist Sicherheit, wenn es um’s Bauen geht? Ein subjektives Empfinden oder eine messbare Größe? Eine Frage von persönlicher Verantwortung aller Beteiligten oder von Politik und Gesetzgebung? Kaum ein anderer Begriff beinhaltet eine ähnlich große Bandbreite an Aspekten; denn niemand will, dass was passiert, doch wo verläuft die Grenze zwischen Unbesonnenheit und Überregulierung?

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