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Methoden der Fälschung

erschienen in
Zuschnitt 32 Echt falsch, Dezember 2008
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Seit wann wird was von wem, wie und warum imitiert? Die Antworten auf diese einfachen Fragen sind alles andere als einfach. Faktum ist, dass die Imitation schon in der Natur Vorbilder hat. Mimikry, eine angeborene Form der Tarnung im Tier- und Pflanzenreich, bei der Gestalt, Färbung oder Zeichnung anderer Lebewesen zum Zweck des Selbstschutzes, des Anlockens von Beute oder der Vermehrung angenommen werden, gehört zu den bekanntesten.

Doch auch Holz wird seit Langem imitiert bzw. herangezogen, um andere Materialien zu imitieren. Eine Sonderform ist die Imitation von Holz durch Holz – also die visuelle Aufwertung einer Holzart durch bestimmte Techniken wie bemalen oder furnieren.

Wolfgang Baatz, Leiter des Instituts für Konservierung und Restaurierung an der Akademie der bildenden Künste Wien erzählt, dass bereits in der Antike mit Malereien bestimmte räumliche Wirkungen und verschiedene Materialien nachgeahmt wurden. Meist handelte es sich um konstruktive Elemente, wie etwa beim Grab der Valerier im 2. Jh. n. Chr. in Rom, in dem eine »Holzkassettendecke« aus Stuck erhalten ist. Warum das so ist, kann heute allerdings nicht mehr entschlüsselt werden.

Im Lauf der Zeit entwickelte das Malerhandwerk Methoden und Techniken des »Täuschens«, die zur Zeit des Historismus im 19. Jh. einen Höhepunkt erreichten. Damals gab es ähnliche Gründe wie heute, Holz nachzuahmen oder als Trägermaterial zu verwenden. So war es naheliegend, billiges, leicht verfügbares Holz zu bemalen, um eine edlere bzw. seltene Holzart vorzutäuschen. Ebenso verfiel man auf die Idee, Kassettendecken zu »basteln«, indem man einfache Leisten als »Feldbegrenzungen« auf eine simple Holzbalkendecke mit Bretteruntersicht nagelte. Elaborierter war da schon die Methode, echte Wurzelholzmöbel durch korrigierende Bemalung noch kostbarer zu machen und »Fehler« der Natur zu retuschieren.

Ein anderer Grund für die Imitation im 19. Jh. waren vor- bzw. frühindustrielle Methoden der Massenproduktion von Stuckleisten und -formen. Diese konnten viel schneller produziert und montiert werden als echtes Holz, und der Ehrgeiz der Maler bezog sich nicht nur auf eine perfekte Illusion, sondern auch auf die Geschwindigkeit, mit der diese erzeugt wurde. Dieser handwerkliche Aspekt existiert heute nicht mehr und kaum ein Maler und Anstreicher ist noch in der Lage, unterschiedliche Holzarten zu »malen«.

Methoden der Fälschung

 

Ein besonders bizarres Beispiel für eine Holzimitation befindet sich auf Kreta: Anfang des 20. Jhs. leitete Sir Arthur Evans die Ausgrabungen in Knossos, wobei viele verschiedene Zeitschichten freigelegt und für die Besucher gestalterisch dargestellt wurden. In diesem Zusammenhang wurde ein ursprünglich in Holz befundetes Tor aus Beton nachgebaut und dieser mit einem Holzimitationsanstrich versehen. Inzwischen ist die Farbe weitgehend abgewittert, und so steht nun ein ehemals braun gestrichenes Betontor inmitten antiker Ausgrabungen.

 

 Heute wird mehr Holz gefälscht denn je. Die Motive haben sich kaum verändert, wohl aber die Techniken. Nicht mehr handwerkliche Virtuosität steht im Vordergrund, sondern industrielle Produktion, und manche aufmerksame Leserin erinnert sich vielleicht an die schöne Internetseite It's (K)not Wood aus Zuschnitt 27, auf der ausschließlich »Fakes« zu sehen sind.

 

Die »Fälschungen« gingen jedoch in beide Richtungen. Ein besonders anschauliches Beispiel ist das Palais Epstein an der Wiener Ringstraße. Hier gibt es nicht nur Stuckdecken, die Holzdecken täuschend ähnlich sehen (s. Seite 8), sondern auch Türen mit Holzfüllungen, die aus Malachit zu sein scheinen. Dabei beruhen die Techniken des Maserierens und des Marmorierens auf demselben Prinzip: Auf eine hellere Grundierung wird eine Lasur in gewünschter Farbe und Struktur aufgetragen und zuletzt die Oberfläche mit einem schützenden Lack überzogen.

 

 

 

Text: 
 Eva Guttmann
 Leitende Redakteurin der Zeitschrift »zuschnitt«
 redaktion(at)zuschnitt.at  

 

Foto
 © Wolfgang Baatz

Erschienen in

Zuschnitt 32
Echt falsch

Kaum ein Material wird so oft nachgeahmt wie Holz. Was aber bedeutet die Imitation? Ist sie »Lüge« oder nur Werkzeug im ewigen Spiel zwischen Schein und Sein?

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Zuschnitt 32 - Echt falsch