Es knarrt und knackt, es ächzt und singt: Holz gibt gerne mal ein Lebenszeichen von sich. Für das Auge meist unsichtbar, bewegt es sich, verschiebt es sich, dehnt und biegt es sich – man könnte sagen, es atmet still und leise, um hin und wieder zufrieden zu seufzen.
Tatsächlich wartet Holz im Vergleich mit Kunststoff, Metall oder Keramik mit ganz speziellen physikalischen Eigenschaften auf. Es ist porös, daher kann es auf das Umgebungsklima, genauer gesagt auf den Wasserdampfgehalt in der Luft, reagieren. Hygroskopizität nennt sich das natürliche Streben von Holz nach einer ausgeglichenen Luftfeuchtigkeit. Das führt zu einem Quellen und Schwinden des Gebälks, je nach Holz- und Raumfeuchte. Ist das Klima schwül und sind die Holzfasern nicht gesättigt, quillt es. In geheizten, trockenen Räumen gibt es die Feuchtigkeit wieder ab und schwindet. Eine ein Meter breite Tischplatte kann sich derart innerhalb eines Jahres um einen Zentimeter ausdehnen und wieder zusammenziehen – allerdings fast ausschließlich gegen die Faserrichtung.
Chemisch gesehen bedeutet das, dass die Plus- und Minuspole der Zellulose die jeweiligen Gegenpole der Wassermoleküle anziehen. Diese docken ans Holz an, dringen in die Poren ein und drücken die Hohlräume auseinander, füllen also die Lungen des Holzes, um bei entsprechendem Druck wieder zu entweichen. Besonders atemaktiv ist die Buche, die Eiche ist hingegen aufgrund ihrer dichten Zellstruktur deutlich schmalbrüstiger. Der Effekt sei aber nicht groß genug, um allein durch diese Vorgänge ein konstantes Raumklima zu schaffen, sagt Alfred Teischinger, Leiter des Instituts für Holzforschung an der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien.
»Dazu gibt es in der Regel zu wenige aktive, also vollkommen unbehandelte Flächen.« Zur Verstärkung des Klima-Effekts wären lamellenförmige Holzkonstruktionen vorstellbar oder mit feinen Bohrlöchern versehene Massivholzpaneele, um eine möglichst große Oberfläche zu schaffen.
Doch Wasser ist nicht der einzige Stoff, den Holz bindet. Kurzzeitig kann es auch die menschliche Lunge entlasten, indem es den im Zigarettenrauch enthaltenen Formaldehyd absorbiert und später wieder abgibt. Mit einer ausreichenden Menge Sägespäne könnte man durchaus ein verrauchtes Wirtshaus »entlüften«, meint Teischinger.
Aber nicht nur mit giftigen Substanzen, auch mit Bakterien und anderen Mikroorganismen kommt Holz aufgrund seiner »Atmung« ausgesprochen gut zurande – trotz des schlechten Images, das Holz in Hygienefragen teilweise immer noch hat. Neuere Untersuchungen haben bewiesen: Holz hat wesentlich bessere antibakterielle Eigenschaften als erwartet, was insbesondere beim Kontakt mit Lebensmitteln relevant ist. Weil Flüssigkeiten, in denen Bakterien leben, relativ schnell von den Zellwänden gebunden werden, entzieht das Holz den Keimen buchstäblich ihren Nährboden. Denn: Je weniger Wasser bereitsteht, desto schneller sterben sie ab. Mikrobiologische Studien haben gezeigt, dass sich auf Kunststoff, Metall oder Glas länger eine dünne Nährlösungsschicht hält und Bakterien in feinen Ritzen besser überleben können als auf Holzoberflächen. Einen wesentlichen Schutz gegen jeglichen Bakterien- oder Sporenangriff bietet auch der richtige Zuschnitt. Parallel zur Stammachse geschnittenes Holz ist widerstandsfähiger als quer geschnittenes. Abgesehen davon wissen sich bestimmte Hölzer mit einem natürlichen Antibiotikum zu helfen: Kiefern, Lärchen und Eichen beinhalten aromatische Gerbstoffe, die Keime nur so dahinraffen.
Die Ehre des hölzernen Jausenbrettls ist also gerettet – sofern man es möglichst rasch nach der Benutzung abwäscht, und zwar per Hand, da der Flüssigkeitsstress im Geschirrspüler Risse verursachen kann. So kann man auch geruchsintensive ätherische Stoffe, wie etwa von Zwiebeln, gleich wieder loswerden. Kräftige Farbstoffe, wie sie in manchen Früchten enthalten sind, können dagegen länger in den Zellhohlräumen überdauern, da sie sehr kleine Moleküle haben. Ob Schneidbrett, Kochlöffel oder sonstiges Holzgeschirr: Das kleinporige Ahornholz ist der Buche vorzuziehen, da es nicht so stark »arbeitet«, also nur ein geringes Quell- und Schwindmaß besitzt. »Das Wichtigste ist, dass Holz genug Zeit zum Trocknen hat«, betont Robert Stingl, Holzforscher an der boku. »Ein Schneidbrett braucht etwa sechs bis acht Stunden, eine Holzbadewanne mindestens zwölf Stunden.« In hygienesensiblen Bereichen wie im Badezimmer sollte man Holz generell nur an einsichtigen, gut durchlüfteten Stellen einsetzen, rät Stingl.
Bei richtiger Behandlung ist Holz jedenfalls äußerst langatmig: Das Quell- und Schwindvermögen bleibt über Jahrhunderte erhalten – und wird auch seit langer Zeit genutzt: etwa im Eichenfass, in dem der Wein die optimale Luftzufuhr von außen erhält, oder in Käsereien, in denen man auf Holz als Unterlage für einen gut gereiften Laib setzt. Auch als Transport- und Verpackungsmaterial hat sich Holz bewährt. Hölzerne Obst- und Salatsteigen nehmen überschüssige Feuchtigkeit auf und verhindern so ein Faulen. Nicht nur aus ästhetischen, auch aus praktischen Gründen wurde wohl das Fischgrät-Parkett erfunden. Durch die Anordnung der Stäbe im 45-Grad-Winkel verteilt sich die Größenveränderung optimal im Raum, ohne dass man allzu große Fugen einplanen müsste. Da nimmt man auch gern ein gelegentliches Knarzen in Kauf.
»Holz und Hygiene«
Studie am Institut für Holzforschung und Abteilung Lebensmittelmikrobiologie und -hygiene, beide an der Universität für Bodenkultur Wien
Links
zuschnitt 22 – Wasserkontakt
zuschnitt 23 – Holzarten
Foto
© Branchenverband Vacherin Mont-d‘Or; Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft, Institut für Pflanzenvirologie, Mikrobiologie und biologische Sicherheit, Braunschweig