Den Kommunen kommt eine zentrale Rolle in der Umsetzung von Baukultur zu, ob es um die Raumordnung und Siedlungsentwicklung geht, um die Genehmigung von Bauverfahren oder um ihre Rolle als Bauherren. Alle Kommunen zusammen sind Österreichs größter Bauherr, und kaum ein anderer Bereich hat in Bezug auf die Ausgaben der öffentlichen Hand dermaßen gravierende und langfristige Auswirkungen. Etwa 90 Prozent der österreichischen Gemeinden haben nicht mehr als 5.000 Einwohner und können daher bei Bauvorhaben in den seltensten Fällen auf fachliche Kompetenz innerhalb der eigenen Verwaltung zurückgreifen. Viele Bürgermeister bauen oft nur einmal und sind daher keine Bauprofis. Sie sehen sich aber in zunehmendem Maß mit einer Vielzahl an Hürden, Normen und Haftungsrisiken konfrontiert.
Eigene Ressourcen nutzen
Dabei wird oft vergessen, den Bedarf im kleinregionalen Kontext zu prüfen oder nachzusehen, ob es Raumangebote im leer stehenden Gebäudebestand gibt. Auch der Standort wird selten einer professionellen Eignungsprüfung unterzogen. Eine Ausnahme bildet die Steiermark, wo im Rahmen der kleinregionalen Zusammenarbeit beziehungsweise über die Gemeindefinanzierung des Landes auch Mittel für die Bedarfs- und Standortprüfung mitfinanziert werden. Gerade in Zeiten, in denen die öffentlichen Gelder immer knapper werden, muss danach getrachtet werden, die noch vorhandenen Ressourcen so effizient und qualitätsvoll wie möglich einzusetzen, und das beginnt bereits in der Phase der Ideenfindung eines Projekts.
Professionelle Bauberatung
Es ergibt daher Sinn, wenn Kommunen schon bei der Ideenfindung auf professionelle Beratungsangebote zurückgreifen. Manche Bundesländer, wie etwa Oberösterreich, bieten ihren Kommunen einen mobilen Gestaltungsbeirat an. Auf Anfrage der Gemeinde kommt ein dreiköpfiges, zumeist interdisziplinäres Expertenteam, um die ersten Schritte mit der Gemeinde zu besprechen und ihr beratend zur Seite zu stehen. Andere Kommunen wie das Vorarlberger Zwischenwasser leisten sich einen eigenen Gestaltungsbeirat, der nicht nur Bürgermeister und Gemeinderat unterstützt, sondern auch Beratungsangebote für private Bauinteressenten anbietet – noch bevor ein Plan vorliegt. Die vor ort ideenwerkstatt von nonconform architektur vor ort sammelt im Rahmen eines dreitägigen Workshops im Ort mit zahlreicher Bürgerbeteiligung neue Ideen, analysiert Problembereiche, entdeckt oft verborgene Potenziale und moderiert Diskussionen. Am Ende des Workshops werden die besten realisierbaren Ideen herausgefiltert und die nächsten Umsetzungsprozesse mit Bewohnern und Gemeinderat diskutiert.
Lebenszykluskosten
In der Impulsphase, also zwischen Projektidee und Vergabe der Planungsleistungen, erfolgen die wesentlichen Weichenstellungen. Hier rechnet sich jeder Cent, der in eine professionelle und interdisziplinäre Beratung beziehungsweise Projektentwicklung investiert wird. Neben der Klärung der eigentlichen Bauaufgabe und der sorgfältigen Aufbereitung der Projektgrundlagen ist die Festlegung der öko-logischen und energetischen Standards, der gestalterischen Qualität und des Ablaufs der Schlüssel zum späteren Erfolg – bis hin zu den enormen Auswirkungen auf die langfristigen Gebäudekosten. So sollten kommunale Investitionen nicht nach den reinen Errichtungskosten, sondern nach den Lebenszykluskosten bewertet werden. Denn schon geringe Mehrinvestitionen in eine hohe Planungsqualität sowie in ökologische Baumaterialien und Energieeffizienz können die Kosten in der Nutzungsphase um mehr als 60 Prozent reduzieren. Deshalb setzen große Kommunen wie die Stadt Graz nicht nur auf einen Fachbeirat, sondern betreuen alle ihre Objekte von der Impulsphase bis zum Architekturwettbewerb in einer fachlich sehr kompetenten Hochbauabteilung bzw. Stadtbaudirektion. Neben der freiwilligen Verpflichtung zu einer professionellen Vorbereitung und Abwicklung von Wettbewerben hat Graz für alle Bildungsbauten die Erreichung des Passivhausstandards zur Grundlage jeder Projektentwicklung gemacht. Und was ebenso wichtig ist, sie evaluiert nach Fertigstellung in der Nutzungsphase, ob die Projektziele erreicht wurden und wie sich die anfänglichen Mehrinvestitionen rechnen.
Eigenleistungen der Bevölkerung
Aber auch kleine Gemeinden setzen bei ihren eigenen Projekten auf nachwachsende Rohstoffe und hohe energetische Standards. So konnte der 2009 fertiggestellte Kindergarten in Bizau nach den Plänen von Architekt Bernardo Bader als Holzelementbau im Passivhausstandard hergestellt werden. Die höheren Mehrkosten für ein Wohlfühlklima und niedrigste Betriebskosten konnte die Gemeinde durch einen hohen Anteil an Eigenleistungen auffangen. Die Holzfassade und der Innenausbau in Weißtanne wurden zum Großteil durch die Mitarbeit vieler Bizauer realisiert. Das Projekt brachte der Gemeinde nicht nur Anerkennung durch mehrfache Auszeichnungen, sondern durch das Selbstbaupotenzial des Materials Holz auch noch eine enorm hohe Identifikation der Bürger mit ihrem Kindergarten.
Initiativen zur Förderung der Baukultur
plattform baukultur
www.plattform-baukultur.at
Österreichischer Baukulturreport 2011
www.baukulturreport.at
LandLuft – Verein zur Förderung der Baukultur in ländlichen Räumen
www.landluft.at
vor ort ideenwerkstatt
www.nonconform.at
Foto:
© Ignacio Martinez Suarez