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Wie viel Biomasse braucht der Wald?

Mit drei Verfahren wird auf Versuchsflächen im Mühlviertel getestet, wie eine intelligente Nutzung der Biomasse des Waldes aussehen kann. Geprüft werden Menge, Wertschöpfung und ökologische Auswirkung.

erschienen in
Zuschnitt 50 Konfektionen in Holz, Juni 2013
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Früher gingen die Bauern mit dem Rechen in den Wald, um sich die Nadeln, die kleinen Äste und das Laub, das auf dem Waldboden liegt, zu holen. Diese Streu war für sie ein notwendiger und günstiger Strohersatz. In Oberösterreich war eine solche intensive Streunutzung noch bis in die 1960er Jahre üblich, vor allem in hofnahen Waldbeständen. Das lässt sich bis heute an den exponierten Kuppenlagen mit ihren Kiefernbeständen ablesen. Denn mit der Streu wurden dem Wald viele wichtige Nährstoffe entzogen, die Qualität des Bodens verschlechterte sich und nur wenige genügsame Baumarten wie die Kiefer können auf so kargen Böden wachsen. Drei Viertel eines Baumes bestehen aus Stammholz, das restliche Viertel besteht aus Nadeln, Zweigen und Ästen. Der größte Teil der Nährstoffe aber befindet sich nicht im Stammholz, sondern in den Nadeln, Blättern, Zweigen und Ästen. Bei einer klassischen Durchforstung wird der Baum gefällt. Alle Zweige und Stammholz, deren Durchmesser kleiner als 8 cm ist, verbleiben im Wald. Dort werden sie durch Bodentiere und Bakterien zersetzt und wieder in Nährstoffe umgewandelt, die der Baum aufnehmen kann. Gesunde Wälder verfügen so über einen geschlossen Nährstoffkreislauf.

Die Streunutzung ist nun schon seit Jahrzehnten obsolet, in den letzten Jahren aber hat der Druck auf die Wälder erneut zugenommen: Neue Erntemethoden und eine erhöhte Nachfrage nach Biomasse führen dazu, dass vermehrt ganze Bäume inklusive dünnerer Äste, Feinreisig und Nadeln aus dem Wald entnommen werden. Man nennt das auch Ganzbaumnutzung. Je schlechter der Standort ist, desto eher wirkt sich diese Art der Waldnutzung auf die Bodenqualität aus. Das Bundesforschungszentrum für Wald in Wien hat Empfehlungen herausgegeben, bei welchen Bodenqualitäten beziehungsweise Standorten eine Ganzbaumnutzung vertretbar und bei welchen sie zu unterlassen ist.

Zahlreiche Untersuchungen haben bereits auf die ökologischen Auswirkungen einer Ganzbaumnutzung hingewiesen. Bei konsequenter Entnahme von Reisig- und Nadelmasse sind Zuwachsverluste von 10 Prozent nach 3 Jahren beziehungsweise von 20 Prozent nach 20 Jahren zu erwarten sowie eine Bodenversauerung und ein Nährstoffungleichgewicht. Besonders bei nährstoffarmen Böden macht sich eine solche Ganzbaumernte negativ bemerkbar. Johannes Wall und Michael Reh von der Landwirtschaftskammer Oberösterreich wollen die Mitglieder der Kammer – 40.000 Waldbesitzer gibt es allein in Oberösterreich – davon überzeugen, nicht alle Biomasse aus dem Wald zu entnehmen. Sie wollen erreichen, dass sie sich nicht von kurzfristigen Erträgen blenden lassen, sondern die langfristigen Folgen mitbedenken. Dafür wurden geeignete Versuchsflächen im Mühlviertel angelegt. Gemeinsam mit den Waldbesitzern und mit Professor Eduard Hochbichler vom Institut für Waldbau an der Universität für Bodenkultur Wien betreuen und begleiten sie diese. Ziel ist es, drei unterschiedliche Nutzungsverfahren (Ganzbaumernte, Sortimentsverfahren mit 4 und 8 cm Zopfdurchmesser) hinsichtlich Menge, Wertschöpfung und ökologischer Auswirkung zu vergleichen. »Wir sind nicht gegen Biomasse, sondern für eine intelligente Rohstoffnutzung«, betont Johannes Wall.

Die Versuche sind noch nicht ganz abgeschlossen, aber erste Ergebnisse kann Eduard Hochbichler schon jetzt nennen: »Es zeichnet sich ab, dass es ökonomisch keinen Vorteil bringt, auf den Deckungsbeitrag (Erlös weniger Erntekosten) bezogen, wenn man Holz mit weniger als 8 cm Durchmesser aus dem Wald herausnimmt.«

  Biomasse (%)  Nährstoffe (%)
Nadeln 8,35  41,19
Zweige 4,32 13,12
Äste, trocken 2,68 1,85
Äste, frisch 4,11 6,08
Rinde 5,67 17,97
Stammholz 74,88 19,79

Fotos:

© Michael Reh


verfasst von

Anne Isopp

ist freie Architekturjournalistin, -publizistin und Podcasterin in Wien. Sie war von 2009 bis 2020 Chefredakteurin der Zeitschrift Zuschnitt. In ihrem Architekturpodcast Morgenbau spricht sie mit Menschen aus der Baubranche über nachhaltiges Bauen.

Erschienen in

Zuschnitt 50
Konfektionen in Holz

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Zuschnitt 50 - Konfektionen in Holz