Daten zum Objekt
Standort
Bad Blumau/AT Google Maps
Bauherr:in
Orts- und Infrastrukturentwicklungs-KG, Bad Blumau/AT, www.bad-blumau-gemeinde.at
Architektur
Feyferlik/Fritzer, Graz/AT, www.nextroom.at/actor.php?id=19978
Holzbau
Strobl Bau – Holzbau GmbH, Weiz/AT, www.strobl.at
Fertigstellung
2010
Typologie
Lern-Werkstatt
Seit Jahren fordern engagierte Pädagogen und Bürger in Österreich eine Schulreform – das System mit Frontalunterricht, Stammklassen und Halbtagsunterricht hat längst ausgedient. Eine neue Schule bräuchte nicht nur neue Lehrmethoden, sondern auch neue Räume. Zurzeit wird viel geredet darüber, aber noch nicht viel getan.
In Bad Blumau in der Oststeiermark steht eine neu errichtete Volksschule, die zeigt, wie es mit großem Einsatz vieler trotzdem gehen kann, die einlädt zu konzentrierter Arbeit und freigeistigem Denken. Auch wenn das Raumprogramm konventionell war – fünf Stammklassen, ein Werkraum, ein Turnsaal, ein Raum für die Nachmittagsbetreuung –, so war doch schon der Anfang ambitioniert. Das Land Steiermark als Fördergeber empfahl, fünf Architekten zu einem Architekturwettbewerb einzuladen, der Bürgermeister entschied, aus den Beiträgen von mindestens zehn Teams die beste Auswahl zu treffen.
Die Schule der Grazer Architekten Feyferlik/Fritzer steht außerhalb des Ortskerns auf einem Plateau über dem Safenbach. Auf der anderen Seite der Zufahrtsstraße entstand ein neues Tribünengebäude für den Fußballplatz. Sportplätze, Schule und Schulvorplatz bilden ein kleines Ensemble der Ortserweiterung. Bei der Annäherung könnte man das Schulgebäude fast übersehen – ein lang gezogener Baukörper, nur ein Geschoss hoch und ohne Sockel, liegt flach in der Wiese. Kein mächtiges Dach krönt das Haus, kein Ehrfurcht gebietender Zugang mit Stufen oder Schwellen ist sein Entree. Morgens gehen die Kinder auf einen leicht nach hinten geneigten Vorbau zu, der mit der gleichen dunklen Folie gepolstert und tapeziert ist wie das flache Dach. Anstelle eines teuren Windfangs, dessen Türen zu Unterrichtsbeginn und -ende sowieso immer offen stehen, wurde ein einfacher Industrievorhang aus reißfesten Gummistreifen installiert. Manch einem Kind werden die von den Architekten eingesetzten einfachen industriellen Materialien – Folie, sägeraue Bretter, Sichtbeton – aus den landwirtschaftlichen Betrieben ihrer Heimat vertraut sein.
Schon hier zeigt sich eine besondere Qualität dieser Schule: Sie entspricht ganz und gar nicht dem Bild eines klassischen Schulhauses. Diese Schule will gar kein Autorität ausstrahlendes Bauwerk sein, fern von der Lebensrealität der Menschen im Ort. Sie hat Werkstattcharakter.
Betritt man die Schule, so wechseln Anmutung und Atmosphäre. Holz am Boden, an den Wänden und an der Decke prägt den ersten Eindruck. In so viel Materialwärme fügt sich die lange Sichtbetonwand harmonisch ein, die das Rückgrat der Klassenräume bildet. Der Klassentrakt, der aus Gründen eines optimalen, kostengünstigen Schallschutzes in Beton konzipiert wurde, bildet zugleich den konstruktiv tragenden Kern für die in Holz ausgeführte Dachkonstruktion aller übrigen Raumeinheiten. Werkraum, Direktion, Lehrerzimmer und Sanitärräume wurden mit Wänden aus Brettsperrholz ausgeführt.
Zwischen den lose verteilten Raumgruppen auf der einen und dem Klassentrakt auf der anderen Seite spannen die Architekten über die gesamte Gebäudelänge einen weit mehr als 100 m2 großen Raum auf, der sich über Garderobe und Flur zur großzügigen Pausen- und Mehrzweckhalle erweitert. Jedes Detail ist sorgfältig geplant und erfüllt mehr als eine Funktion: Die Verglasung vom Klassen- zum Pausenraum gewährt Durchblick und ist eine Ruhenische, die tief liegenden, breiten Fensterbänke aus Holz in den Klassen sind zugleich Sitz- und Arbeitsfläche, Ablage und Stauraum. Jeder Klasse ist eine wind- und teils regengeschützte Terrasse für den Unterricht im Grünen vorgelagert. Hier finden wir auch eine Fichtenschalung in einer Oberflächenbehandlung, die Feyferlik/Fritzer in Pionierarbeit erprobt haben und seit langem anwenden. Die sägerauen Holzbretter werden monatelang im Freien aufgelegt und können so gleichmäßig schön vergrauen.
Vieles an dieser Schule ist ungewohnt und unkonventionell – der Materialeinsatz ebenso wie der Prozess der Planung. Bürgermeister Franz Handler erzählt: »Die sägerauen Bretter stießen zuerst auf totale Ablehnung. Auch für die Betonwand, die nach nunmehr vier Jahren im Gebrauch noch immer wie neu ausschaut, haben wir viel an Überzeugungskraft gebraucht. Und erst für die schwarze Folie an der Fassade!« Allen Beteiligten wurde nicht nur großes Engagement abverlangt, sondern auch Offenheit, Toleranz, Mut – und Vorstellungskraft. Wieder und wieder wurde das Raumprogramm hinterfragt, wurden Mehrfachnutzungen für Räume gefunden, die nur selten benützt werden, und andere weggelassen. Nur so konnte die Fläche für das »Herz« der Schule, den großzügigen Pausenraum mit Rampe, Sitzstufen und Bücherinseln, gewonnen werden. Er wird täglich von Neuem in Besitz genommen – anders als jeder sonst im Schulraumprogramm vorgesehene Mehrzweckraum, der nur als Festsaal dient. Kinder brauchen das Laufen, Springen und Toben, um dann wieder konzentriert und kreativ arbeiten zu können. Dieser pädagogischen Erkenntnis folgt diese »Schule der Bewegung«. Kein Zweifel, solch mannigfaltige Freiräume vergrößern nicht nur den physischen Aktionsraum, sondern auch den kreativen Vorstellungsraum von Schülern und Lehrern. Und tatsächlich: Die vielfältigen Qualitäten und Potenziale dieser Schule werden täglich ausgeschöpft.