Daten zum Objekt
Standort
Sütten/AT Google Maps
Architektur
bernardo bader architekten, Dornbirn/AT, www.bernardobader.comRoland Gnaiger, Linz/AT
Holzbau
Zimmerer Nenning, Hittisau/AT, www.zimmerer-nenning.com
Konstruktionsart
Blockbau (Wohnhaus), Pfosten-Riegel-Konstruktion (Stadel)
Fertigstellung
2011
Typologie
Ausbau in Etappen
Einerlei bäuerlicher Tage und Umtriebigkeit der Heuernte, staubiger Feldweg vor dem Haus und Sturzbäche der Schneeschmelze, Föhnhimmel und vom Schnürlregen verwebte Tage, Eisblumen am Fenster und Mücken im schweißtreibenden Sommer – so verging eine Kindheit zu Hause auf dem Bauernhof. Es folgte die Schule in der nächsten Stadt, dann das Studium in der Kapitale, schließlich Arbeit in ausländischer Metropole – und immer wieder: Sommer auf dem Hof, Weihnachten bei den Eltern, besondere Tage daheim. Als die Kräfte nachließen und anders Wirtschaften rentabler sein sollte, gab man die Landwirtschaft auf. Das Hinterhaus geräumt, das Vorderhaus weiter bewohnt, blieb das Haus ein Mittelpunkt, ist es geblieben über die Tage der Eltern hinaus, die beide in ihrem Haus gestorben sind.
Mittelpunkt aller konnte es werden, weil es Platz für das eigene Leben eines jeden bot. Während die Alten unbehelligt ihr altes Haus bewohnten, bauten sich die Jungen ihr neues. Raum bot der ehemalige Wirtschaftsteil; da entstand ein Lebensraum, der den Komfort städtischen Wohnens mit ländlicher Ungezwungenheit verband. Der Schnitt des Einbaus ist radikal und doch so selbstverständlich, weil er die alte Raumeinheit neu belebt – nicht nur den Maßen, sondern auch der Raumqualität nach. So wie frühe Wohnräume Le Corbusiers die Arbeitsräume von Pariser Handwerkerateliers variieren, greifen hier die privaten Räume im Obergeschoss und das Wohnen im Erdgeschoss durch einen galerieartigen Raum ineinander und lassen die alte Tenne aufleben.
Das Innere ist wie ein feines Zauberkästchen als ein Ganzes durchgebildet: Holzbau auf höchstem Niveau. Zu fein für ein Bauernhaus? Ein Kontrast, der nicht irritiert, denn der Baustoff spinnt wiederum fort, womit man hier die Innenräume gemacht hat: Weißtanne. Dass diese – sägerau mit Riftschnitt – anders verbaut wird als einst, betont die Lebendigkeit des Gebräuchlichen. Dazu gehört hier immer der Bezug nach draußen, zum Land: So ergibt die Glaswand Sinn. So wird der ebenerdige Wohnraum in der ehemaligen Tenne – einst landwirtschaftlicher Durchfahrtsraum – mit seinem Steinboden zum Teil des Gartens. Die oberen Räume, zurückversetzt und feiner ausgebaut, haben daran Anteil. Der in die Wand gezogene Raum der Treppe markiert fein den Unterschied zum Privaten, ähnlich bergend ein Alkoven.
Das Haus ist in zwei Richtungen offen: weit nach Süden, zurückhaltend, mit eingezogener Loggia nach Norden. Und wenn es wieder in die Stadt geht, wird ein einfaches Schiebetor vorgezogen, dann wird es Teil des Stadels mit seiner ungehobelten, senkrechten Schalung. Es zeigt sich, da ist noch mehr; die Wohnung ist nur eine feine Schatulle im großen Wirtschaftsteil, noch einmal so viel Raumvolumen bietet der ehemalige Heustadel.
Der blieb unangetastet, ist Refugium des Bauherrn, der das Scheunentor gelegentlich aufschiebt und in der Sonne eine Zigarre genießt – ein Unding im ordentlichen zeitgemäßen Wohnhaus. Dass solches Nebeneinander gelingt, liegt zu nicht unerheblichem Teil am mittlerweile schon sprichwörtlich erstklassigen Handwerk. Wenn der Zimmereibetrieb des Spielkameraden aus Kinderzeit fast gegenüber liegt, wenn die am Werktisch vorgefertigten Wandteile nur über die Straße geschoben werden müssen, dann wird ein Raum von makelloser Holzverkleidung möglich; dann entfaltet der Kontrast von Perfektion und Verlebtem seine eigene Würze. Ein wachsendes Haus in vielerlei Hinsicht – weiter gebaut, nie ganz zu Ende, mit Reserve für Späteres. Ein Bekenntnis zum Ort und Haus – offen für Zukünftiges, unverkrampft für Vergangenes, mitten im Wandel des Lebens.