Daten zum Objekt
Standort
Reckingen/CH Google Maps
Architektur
camponovo baumgartner architekten, Zürich/CH, www.cb-arch.ch
Holzbau
Weger Holzbau AG, Münster/CH, www.holzbauweger.ch
Konstruktionsart
Blockholzbau, erweitert mit einer Holzständerkonstruktion
Fertigstellung
2012
Typologie
Haus im Haus
Die baulichen Zeugnisse der historischen landwirtschaftlichen Kultur prägen weite Teile des Alpenraums. Viele Ortsbilder sind geschützt, doch die Lebensgrundlagen, die zu ihrer Entstehung geführt haben, haben sich fundamental verändert. Erhaltung ist dann am leichtesten, wenn die Nutzung dieselbe bleibt. Die Veränderung der Tierhaltung hat viele der bäuerlichen Ställe obsolet werden lassen, und selbst da, wo eigentlich noch Bedarf bestünde, verhindert der Tierschutz beispielsweise die Haltung in zu niedrigen Ställen.
So ist das Umnutzen von Ställen, Scheunen und anderen Ökonomiegebäuden zu einem wichtigen Thema geworden. Doch der Umbau zu Wohnzwecken ist aufwendig: Die historischen Holzbauten haben zumeist nur wenige Fenster, sind räumlich verschachtelt und überdies nicht isoliert. Ein hoher Grad an baulicher Intervention ist nötig, und doch darf das Gesamtbild nicht entscheidend verändert werden.
Auch wenn das Goms, ein sich vom Furkamassiv aus erstreckendes Hochtal des Oberwallis, noch immer zu den entlegenen Regionen der Schweiz zählt, hat der Strukturwandel seine deutlichen Spuren hinterlassen. Reckingen, auf 1.300 Metern Seehöhe gelegen, hat sich mit seinen sonnengeschwärzten Holzhäusern ein noch größtenteils intaktes Ortsbild erhalten, das von Wohnhäusern, Stallscheunen, Speichern und Stadeln dominiert wird. Wo möglich, werden aus den alten Bauten Ferienhäuser – im Allgemeinen lukrative Projekte für die ortsansässige Bauwirtschaft, fast immer aber ausgeführt ohne Architekten.
Eines der raren bemerkenswerten Projekte ist der Umbau der Casa C, der – als erster Auftrag – vom jungen Zürcher Büro camponovo baumgartner architekten durchgeführt wurde. Bei dem partiell baufälligen Gebäude aus der Zeit um 1890 handelte es sich um ein durch eine Trennwand in der Mitte geteiltes Doppelhaus mit dem typischen Aufbau aus niedrigem Stall im Sockel und den darüber befindlichen Heukammern samt abschließendem Satteldach. Für die Wände wurden, wie im Goms üblich, Kanthölzer im Blockbauverfahren verwendet.
Die Architekten inszenierten nicht den radikalen Bruch mit dem Vorhandenen, sondern wählten ein Verfahren, das zwischen Sensibilität, Selbstverständlichkeit und Selbstbewusstsein oszilliert. Der Bestand wurde so weit wie möglich beibehalten und ertüchtigt. Das mit Lärchenschindeln gedeckte Pfettendach musste weitgehend neu aufgebaut werden, die Struktur des Blockbaus war zu stabilisieren: beispielsweise durch die Verstärkung der Fundamente mit Beton und die Fixierung der Holzwände mit Stahlbändern. Aus Kostengründen wurde die Stallebene weitgehend im Rohbau belassen und harrt des späteren Ausbaus.
Die Wohnbereiche befinden sich nun im Bereich der Heuböden. Durchbrüche durch die Mittelwand sowie ein neu eingezogener Zwischenboden erlauben die Zirkulation auf zwei Ebenen. Dabei bestehen die Decken und Wände des mit Zelluloseflocken gedämmten Einbaus aus Birkensperrholz und umfassen diverse Einbauelemente.
Die wichtigste Entscheidung der Architekten bestand darin, den neuen Einbau nicht überall mit den bestehenden Wänden zu verbinden. So entstanden unbeheizte Zwischenzonen, die einerseits die Materialität und Dimensionen des Baubestands auch von innen erlebbar machen, andererseits die kleinen Innenräume größer erscheinen lassen, als sie in Wirklichkeit sind. Gewiss wird die eigentliche Nutzfläche aufgrund dieses Vorgehens verkleinert, doch handelt es sich um ein nicht auf Wohnflächenmaximierung angewiesenes Ferienhaus. Der Dialog zwischen der alten Hülle und dem neuen Innenleben erzeugt eine reizvolle Spannung, die sich im Wechsel zwischen offenen und geschlossenen, hohen und niedrigen, engen und weiten Raumzonen erfahren lässt.