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Schmuttertal-Gymnasium in Diedorf

erschienen in
Zuschnitt 65 Kreislauf Holz, März 2017

Daten zum Objekt

Standort

Diedorf/DE Google Maps

Bauherr:in

Landkreis Augsburg, Augsburg/DE, www.landkreis-augsburg.de

Architektur

Hermann Kaufmann+Partner zt GmbH, Schwarzach/AT, www.hkarchitekten.atFlorian Nagler Architekten, München/DE, www.nagler-architekten.de

Statik

Merz Kley Partner, Dornbirn/AT, www.mkp-ing.com

Holzbau

Kaufmann Bausysteme GmbH, Reuthe/AT, www.kaufmannbausysteme.atMerk Timber GmbH, Aichach/DE, www.merk.de

Fertigstellung

2015

Typologie

Bildung

Ökobilanz eines reinen Holzbaus

Was für Zeiten, Schulen zu bauen! War je mehr von Bildung die Rede als dieser Tage? Wurde dem Bauen je mehr zugetraut (zugemutet) als heute, da es die Hälfte des Klimaproblems lösen soll?

»Wenn wir den Wert des lebenslangen Lernens hochhalten, wenn mehr Flexibilität und Offenheit von den Lernenden und den Arbeitnehmern gefordert wird, dann sollten wir den Blick auf das Individuelle und die spezifischen Gaben einer Person lenken. Wir stehen vor der Aufgabe, Bildung und Erziehung neu mit Inhalt zu füllen«, so der deutsche Altbundespräsident, Joachim Gauck, kürzlich. Das bringt den Kern des Schulneubaus in Diedorf auf den Punkt: Persönlichkeitsentwicklung, neue Lernformen, damit neue Räume. Diese Räume für informelles Lernen – in Diedorf nennt man sie Marktplätze – und ihre Stellung im Raumgefüge zeichnen den Neubau zum Ersten aus.

Zum Zweiten springt gerade in diesen Räumen ins Auge, was in dieser Stringenz in einem Schulbau dieser Größenordnung erstmals gewagt wurde: ein reiner Holzbau. Klimawandel, CO2-Emission, Nachhaltigkeit – Stichworte, die mittlerweile ganz selbstverständlich für den Holzbau sprechen. Dritter Schwerpunkt: Die eingesetzten Baustoffe wurden alle akribisch auf ihre baubiologische Verträglichkeit hin überprüft.

Das Bemerkenswerte ist die Architektur, die diese Aspekte anschaulich zu einem Ganzen fügt. Die »Marktplätze« verdanken ihre offene, doch auch intime Qualität einem Holzbau, der – einem Wald ähnlich – sprechend wird; kompetent und unsentimental wird das ins Werk gesetzt auf dem Stand heutiger Technik; im Bund mit der Materialwahl entsteht ein Lern- und Raumklima, das Maßstäbe setzt: Architektur, die aufs Ganze geht.

Ein Gespräch mit Frank Schwindling, Kreisbaumeister und Leiter der Fachgruppe Bauen im Landratsamt Augsburg, über das Schmuttertal-Gymnasium Diedorf.

»Wir müssen nachhaltig bauen. Wir müssen den Jungen ein Vorbild sein"

Welchen Maximen folgt dieser Bau?

Wir müssen nachhaltig bauen. Gerade den Jungen müssen wir ein Vorbild sein. Nachhaltiges Lernen setzt nachhaltige Architektur voraus.

Seit einem Jahrzehnt befassen wir uns mit energetischer Sanierung unserer Schulen. Da haben wir für den Neubau in Diedorf die Messlatte besonders hoch gelegt – Passivhaus-Standard, mit der Photovoltaikanlage sogar Plusenergie-Standard. Dazu kommt die Lage – die Schule liegt inmitten eines Naturparks.

Was sprach für den Bau aus Holz?

Der städtebauliche Kontext – die Schmutterauen, die angrenzenden Wälder – und natürlich auch die Aspekte Klimaschutz, Ökobilanzierung, CO2-Neutralität durch den Einsatz von Holz als nachwachsendem Rohstoff, keine Schadstoffe, optimales Raumklima, regionale Kompetenz.

Wie wurde dieser Anspruch angepackt?

Wir haben uns einen Partner gesucht; mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) haben wir ein Modellvorhaben in baulicher und pädagogischer Hinsicht umgesetzt.

Weshalb Modellvorhaben?

Wir hatten hohe Ansprüche, wir hatten klare Vorstellungen, wir betraten Neuland. Die Anerkennung eines Forschungsvorhabens war Bedingung für die Befreiung von der VOF, der Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen. Dazu braucht es einen solchen Partner. Darüber hinaus hat die dbu die Planung mit ihrer Kompetenz unterstützt und mit 1,1 Millionen Euro für den Mehraufwand gefördert sowie bei der Auswahl kompetenter Partner für die Planung, bei der vertieften Suche nach Varianten und der Kooperation mit Hochschulen geholfen. Mit Holz bauen bedeutet intensive detaillierte Planung.

Wuchs die Wertschätzung für weitere Holzqualitäten?

Ja, vor allem für seine atmosphärischen Werte. Die Anmutung des Stoffes wird als positiv empfunden, gerade von Kindern. Dar Baustoff lässt sich gut formen, er riecht gut, ergibt eine erlebbar und spürbar gute Atmosphäre. Klima und Komfort sind als außerordentlich gut zu bewerten – so gut, dass teilweise Eltern mit dem Argument um einen Schulplatz für ihre Kinder nachsuchen, ihre Kinder seien Asthmatiker.

Wie bewerten Sie den Bau aus wirtschaftlicher Sicht?

Natürlich gibt es so einen Standard nicht zum Nulltarif. Man muss dranbleiben – auch nach der Fertigstellung. Bei den reinen Baukosten lagen wir etwas über dem Durchschnitt; stellt man den Luftkomfort in Rechnung, ist es auskömmlich; nimmt man die Lebenszyklusbetrachtung hinzu, wird der Bau günstig. Auch konnten wir durch die Bauweise Wartungskosten reduzieren. Alles in allem: Das Projekt ist wirtschaftlich.

Sein eigentlicher Mehrwert?

Eindeutig: die Atmosphäre und das Raumluftklima.

 

Ökobilanz
Betrachtungszeitraum: 50 Jahre für Gebäude ohne Betrieb

Holz Holzbauweise des realisierten Gebäudes, bei dem Holz für primäre Tragkonstruktion und zahlreiche andere Bauteile eingesetzt wurde

Standard Gebäude mit demselben Raumprogramm in Standardbauweise mit Bauprodukten weitgehend aus nicht nachwachsenden Rohstoffen (mineralisch, metallisch, synthetisch)

  • Treibhauspotenzial 2,41 kg CO2-equiv./m2NGFa
  • abiotisches Ressourcenpotenzial 0,0032 kg Sb-equiv./m2NGFa
  • Primärenergie, erneuerbar 43,3 kWh/m2NGFa
  • Primärenergie, nicht erneuerbar 2,1 kWh/m2NGFa
  • Berechnung Ökobilanz Ascona Gesellschaft für ökologische Projekte, Karlsfeld bei München/D, www.koenig-holger.de
  • nach folgender Richtlinie Simulation mit TRNSYS
  • Betrachtungszeitraum 50 Jahre für Gebäude und Betrieb
  • Baudatenbank Ökobaudat, www.oekobaudat.de, 2011

Gebäudekennwerte

  • Bruttogeschossfläche (BGF): 16.046 m2
  • Nettogeschossfläche (NGF): 14.048 m2
  • Bruttorauminhalt (BRI): 81.390 m3
  • Endenergiebedarf: 58,3 kWh/m2NGFa
  • Primärenergiebedarf: 62,9 kWh/m2NGFa
  • Stromerzeugung: Pelletheizung, Photovoltaikanlage

Konstruktion

  • Außenwand: Holzrahmenbau mit 24 cm Mineralwolldämmung und außen liegender Fichtenschalung
  • Wandstärke: 55,4 cm
  • U-Wert: 0,12 W/m2K

Dach

  • Sparren, insges. 40 cm Mineralwolldämmung, mit Holzlattung, EPDM-Folie, Vegetationsschicht
  • Dachaufbau: 55 cm
  • U-Wert: 0,10 W/m2K

verfasst von

Florian Aicher

geboren 1954, arbeitet als Architekt und Publizist und lebt im Allgäu

Erschienen in

Zuschnitt 65
Kreislauf Holz

Bauen mit Holz trägt zu Klimaentlastung und Ressourcenschonung bei. Wie die Umweltwirkung von Gebäuden genau beurteilt werden kann, beleuchtet diese Ausgabe des Fachmagazins Zuschnitt.

8,00 €

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Zuschnitt 65 - Kreislauf Holz