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Wohnen im Pariser Hinterhof

erschienen in
Zuschnitt 66 Dichter in Holz, Juni 2017

Daten zum Objekt

Standort

Paris/FR Google Maps

Bauherr:in

Siemp, Paris/FR, www.siemp.fr

Architektur

koz architectes, Paris/FR, www.koz.fr

Statik

evp ingénierie – paris, Paris/FR, evp-ingenierie.com

Holzbau

cmb, Mauléon/FR, www.cmb-bois.fr

Fertigstellung

2013

Typologie

Wohnbauten

Wenn alle Bauteile durch eine Durchfahrt passen müssen

Der von dem Pariser Architekturbüro koz geplante Wohnbau »Tête en l’air« befindet sich in einer engen Straße im nördlichen Teil der Stadt Paris, der Rue Philippe de Girard. Historisch gesehen handelt es sich um ein Arbeiter- und Einwandererviertel südlich der ehemaligen Industriegebiete von Saint-Denis. Im Zuge der Sanierung des Stadtviertels ­hatte die Siemp, die Immobiliengesellschaft der Stadt Paris, das Gebäude übernommen, das sechsgeschossige Bestandsgebäude zur Straße renoviert und in dem schmalen, lang gestreckten Hinterhof einen Neubau mit fünf Geschossen und 15 Wohnun­gen errichtet. Der Neubau setzt sich als Holzbau in seiner Materialität und Form stark vom Bestandsgebäude ab.

koz Architekten hatten schon in den ersten Jahren ihrer Selbstständigkeit ihr Interesse für den Holzbau entdeckt. Die Wettbewerbsbeiträge in Holzbau­weise, die sie in den folgenden Jahren einreichten, blieben jedoch ohne Erfolg. Erst der ­Entwurf für das Bauvorhaben in der Rue Philippe de Girard traf auf die Zustimmung des Bauherrn. Dazu muss man ­wissen, dass die Architekten kurz vorher ein kleineres Wohngebäude in Massivbauweise mit einer Holzfassade zur Zufriedenheit der Siemp fertig­gestellt hatten und dass sich zu dem Zeitpunkt generell die Stimmung in Frankreich in Bezug auf nachhaltiges Bauen verändert hatte. Im Jahr 2007 hatte eine politische Diskussionsreihe zum Thema Nachhaltigkeit, le Grenelle Environnement, auch  für die Vorteile des Holzbaus in Bezug auf die CO2-Speicherung sensibilisiert.

Das Projekt besteht konstruktiv aus der Tiefgarage, dem Bestandsgebäude zur Straße und dem Holzbau im rückwärtigen Bereich. Der Erhalt des Bestands war trotz seiner begrenzten architektonischen Qualitäten von der Stadt Paris gefordert. Das bedurfte einer Verstärkung der Fundamente, Erneuerung der Geschossdecken und Teilerneuerung der Hoffassade. Der Anbau im Hof wurde bis auf die vertikale ­Erschließung als Holzrahmenbau ausgeführt. Auch wenn das Projekt konstruktiv gesehen keine Innovation ist, stellte 2009 ein größerer Holzbau in Paris doch noch eine Ausnahme dar. Um den Erfolg der Ausschreibung und des Baus sicherzustellen, wurden schon während der Planung Kontakte mit Baufirmen aufgenommen. Dabei stellte sich heraus, dass die interessierten Holzbaufirmen weder die Rolle des Generalunternehmers übernehmen noch eine Unternehmensgemeinschaft eingehen wollten. Daher wurden zwei getrennte Baulose für den Holzbau und die anderen Gewerke ausgeschrieben. Zu diesem Zeitpunkt waren die in Paris arbeitenden Holzbaufirmen größtenteils in der Renovierung ­aktiv, während sich von auswärts kommende Firmen von einer Baustelle in der dicht bebauten Stadt ­abschrecken ließen. Letztendlich gab es zwei An­gebote für das Baulos Holzbau. Beauftragt wurde die Holzbaufirma cmb.

Für die Baustellenlogistik entschloss sich cmb, die vorgefertigten Holzpaneele mit Sattelzügen von ihrem Standort im Departement Vendée südlich von Nantes bis zur Stadtgrenze von Paris zu bringen und dort auf kleinere Lastwagen umzuladen, die dann die Baustelle belieferten. Die Sperrung der engen Rue Philippe de Girard konnte dadurch auf einmal zwei Stunden pro Woche begrenzt werden. Die Paneele mit einer Größe von bis zu 3 mal 6 Metern wurden durch die auf zwei Geschosse ­erhöhte Durchfahrt in den Innenhof gebracht.

Inzwischen ist in Frankreich Bewegung in den Holzbau gekommen, und gerade in den letzten Jahren vervielfachen sich die Initiativen. Doch 2009 waren Holzbauten in den Innenstädten noch selten. ­Deshalb lagen die Herausforderungen des Projekts weniger im konstruktiven Bereich als im kulturellen Zusammentreffen der durch die Vorfabrikation ­vorausplanenden Holzbaufirmen und der vor Ort agierenden Gewerke.


verfasst von

Christian Horn

  • 1991 – 98 Architekturstudium an der RWTH Aachen, in Paris und London
  • lebt und arbeitet als Architekt in Frankreich und leitet seit 2001 das Architektur- und Stadtplanungsbüro CH Architekten in Paris mit Projekten in Frankreich und Deutschland
  • unterrichtet an der Architekturhochschule Straßburg und wurde 2007 als junger Stadtplaner vom französischen Bauministerium ausgezeichnet

Erschienen in

Zuschnitt 66
Dichter in Holz

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Zuschnitt 66 - Dichter in Holz