Daten zum Objekt
Standort
Mitterbach am Erlaufsee/AT Google Maps
Bauherr:in
Evangelische Pfarrgemeinde Mitterbach, Mitterbach am Erlaufsee/AT, www.evangmitterbach.heimat.eu
Architektur
Ernst Beneder, Anja Fischer, Wien/AT, www.benederfischer.at
Statik
Reinhard Schneider, Wien/AT
Holzbau
Holzbau Dallago & Zefferer, Mariazell/AT, www.dallago-zefferer.at
Innenausbau
Bernhard Schnabl, Wildalpen/AT, www.meisterstrasse.com/de/tischlerei-schnabl
Restaurator
Peter Ledolter, Enzenreith/AT, www.atelier-peter-ledolter.at
Boden
Massivholzdielen aus Lärche, geölt mit Leinöl
Galerien
Leimholzbinder und Dreischichtplatte aus Lärche, geölt mit Leinöl
Decken
Freilegung der originalen handbehauenen Balken, Auffrischung (Empore), Lackentfernung und Behandlung mit Büffelbeize (Kassettendecke)
Türen
Lackentfernung, Behandlung mit Büffelbeize
Bänke
Lackentfernung, geölt mit Leinöl
Fertigstellung
2016
Typologie
Der Lack kommt ab
Die älteste evangelische Kirche Niederösterreichs, ein kleines Bethaus in Mitterbach am Erlaufsee, ist mit der Geschichte der Waldbewirtschaftung im Ötschergebiet eng verknüpft. Holzknechte aus der Dachsteinregion – mit Wäldern in Steilhanglage vertraut – wurden Mitte des 18. Jahrhunderts vom Zisterzienserstift Lilienfeld angeworben, um in den unwegsamen Forsten des Stifts Holz für Wien zu schlägern. Ihren Glauben mussten die »Geheimprotestanten« weiterhin im Verborgenen ausüben, bis sich im Zuge des Toleranzpatents durch Kaiser Joseph II. (1781) evangelische Gemeinden auch offiziell etablieren konnten. Das 1785 von den Holzknechten errichtete Bethaus in Mitterbach war wie alle »Toleranzkirchen« dieser Zeit äußerlich unscheinbar, durfte weder Turm noch Rundfenster aufweisen, der Eingang musste von der Hauptstraße abgewandt liegen. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die schlichte Saalkirche um einen Glockenturm ergänzt.
Die Niederösterreichische Landesausstellung 2015 nahm die Pfarrgemeinde Mitterbach zum Anlass, die längst anstehende Gesamtsanierung des KirchenInnenraums in Angriff zu nehmen. Ernst Beneder und Anja Fischer – zunächst mit einer Studie zur Bautradition evangelischer Bethäuser beauftragt – fanden in Mitterbach einen bedrückenden Sakralraum vor: mit feuchtem Mauerwerk und schlechten Lichtverhältnissen, behäbiger Lamperie an den Seitenwänden und Filzteppichen auf dem Boden. Die Architekten, die in allen ihren Neugestaltungen eine sachliche Herangehensweise schätzen, führten den Bestand an seine konzeptionellen Ursprünge zurück. Um den Bethauscharakter wieder klar zum Vorschein zu bringen, wurde die 1970 vorgezogene Mittelempore rückgebaut und um zwei (nach evangelischer Bautradition unterschiedlich lange) Seitenemporen ergänzt. Dadurch erhält die Orgel gebührende Präsenz und der Kirchenraum wieder mehr Tageslicht. Die brückenartigen Seitenemporen wurden zur Vermeidung sichtstörender Pfeiler mit schlanken Stahlzugstangen von Brettschichtholzträgern im Dachraum abgehängt und mit durchbrochenen Brüstungsgittern aus Lärchenholz versehen. Diese händisch sorgfältig nachgearbeitete Fräsarbeit ruft die Namen der ersten evangelischen Bekenner von 1782 dauerhaft in Erinnerung und stärkt die Gemeinde in ihrer historischen Identität.
Dass neben der Rückkehr zur Ursprünglichkeit die Verwendung von regionalen und ökologischen Baustoffen ein wesentlicher Bestandteil des Sanierungskonzepts war, zeigt sich auch an allen ergänzenden Maßnahmen. Über eine Bodendämmung aus Blähton wurde ein neuer Dielen-Massivholzboden aus heimischer Lärche verlegt, die Erhöhung zum Altarraum konnte dadurch auf eine Stufe verringert werden. Die Holzoberflächen der Kassettendecke, der Kanzel und der Sitzbänke, die zuvor unter dicken Lackschichten verborgen waren, wurden auf ihren ursprünglichen Charakter zurückgeführt. Die warmtonigen gewachsten Oberflächen der alten Hölzer und die helleren Flächen von Dielenboden und Hufeisen-Empore bilden nun mit den lichten Wand- und Deckenputzen (Sumpfkalkputz mit Leimfarben) ein nuancenreiches, »geklärtes« Ganzes.