Daten zum Objekt
Standort
Olang/IT Google Maps
Bauherr:in
Gemeinde Olang, Olang/IT, www.gemeinde.olang.bz.it
Architektur
feld72, Wien/AT, www.feld72.at
Statik
Ingenieurteam Bergmeister, Neustift-Vahrn/IT, www.bergmeister.it
Holzbau
Holzelan GmbH, Olang/IT, www.holzelan.it
Innenausbau
Patzleiner Innenausbau, Innichen/IT, www.patzleiner.com
Boden
Massivholzparkett aus Birke, seidenmatt lackiert
Wand/Maßmöbel
Sperrholzplatten aus Birke, seidenmatt lackiert
Decke
Akustikdecke aus Weißtanne, unbehandelt
Fertigstellung
2016
Typologie
»Du siehst, mein Sohn, zum Raum wird hier die Zeit«
Mitten im Dorf Niederolang in Südtirol steht ein Kindergarten von feld72. Er ist von außen ein Haus aus Stein, hard shell, im Inneren aber ein Haus aus Holz, soft shell. Die massive Mauer der äußeren Hülle ist eine Antwort auf die städtebauliche Situation, ein permanenter Dialog mit dem, was in der Ortsmitte von Niederolang schon da ist: die Pfarrkirche, die Friedhofskapelle, die Grundschule. Der Freiraum für die Kinder ist optisch und funktionell von der Straße durch eine umlaufende Mauer getrennt, die das Wertvollste schützt, was wir haben: unsere Kinder. Im Inneren, wo die Kinder geschützt sind und sich frei bewegen können, herrscht Holz als Material vor. Schutz und Geborgenheit von außen, eine edle Schatulle im Inneren. Man könnte auch sagen: Der Schlichtheit der äußeren Form steht ein reiches, auch im Wortsinn archetypisches Innenleben gegenüber. Ein Kindergarten als hortus conclusus, zeitlos, sicher, schön und aufregend.
Was aber erzählt eine hölzerne Schatulle einem Kind? Man kann fühlen, dass das Holz lebt. Es knistert, riecht und fühlt sich gut an. Es hat eine wunderbare Transformation erlebt, vom Wald – dem dunklen Tann der Märchen – hin zur hell klingenden Stube. Das Holz hat etwas Schlichtes, Bescheidenes, Einheitliches, auch dann, wenn wie hier verschiedene Holzsorten nebeneinander verarbeitet wurden: Birke, Birkensperrholz, Weißtanne. Man merkt schon als kleines Kind, dass das gut funktioniert, weil es eben um Verwandtschaften geht. Die hölzernen Gruppenräume sind für die Kinder von Niederolang eine Art Basislager. Ort des täglichen Ankommens, des Spielens, Essens, Schlafens. Es gibt innerhalb der Gruppen kleine Rückzugsbereiche, große Fensternischen oder begehbare Möbel. Es sind Räume, die einfach und zurückhaltend gestaltet sind. Individuelle Veränderungen – zum Beispiel entlang der Jahreszeiten – sind immer möglich. Vor allem aber sind die Gruppenräume der Ort, von dem aus die täglichen Erkundungen, die Abenteuer, die Lernschritte in die Welt hinaus stattfinden, eine Welt, die hier, im Kindergarten von Niederolang, eine geschützte, ummauerte ist. Nach den Abenteuern draußen sind die vertrauten hölzernen Räume wiederum geschätzte Rückzugsorte.
In diesen hölzernen Schatullen lernen Kinder unbewusst, welche Eigenschaften Räume haben können, und werden diese nie wieder vergessen. Ein Holzgehäuse ist daher immer auch ein Lernraum, weil dem Holz als patinierfähigem Material Zeitqualitäten gleichsam eingeschrieben sind. Vermutlich sprach der alte, weise Lehrer Gurnemanz in einem hölzernen Saal zum thumben Toren Parsifal die Worte: »Du siehst, mein Sohn, zum Raum wird hier die Zeit.«