Vielleicht ging es dem jungen Michael Thonet wie vielen Kindern beim Herumstreunen im Wald. Er fand einen Ast und wollte ihn auseinanderbrechen. Stattdessen bog sich das Stück Holz zu einer Kurve und wollte sich partout nicht entzweien lassen. Was auch immer die Initialzündung für Thonet war, seine spätere Erfindung, Holz in Kurvenform zu bringen, wurde nicht nur formal, sondern auch wirtschaftlich eine Weltsensation. Gegründet hatte Thonet sein Unternehmen vor ziemlich genau 200 Jahren, im Jahr 1819.
Vierzig Jahre später brachte Thonet sein wohl berühmtestes Möbel, den Sessel Nr. 14, heraus. Bis heute ist die unaufdringliche Ikone, die ursprünglich aus sechs Holzteilen, zwei Muttern und zehn Schrauben bestand, an vielen Enden und Ecken weltweit zu finden. Größtes Staunen löste jedoch aus, dass Thonet es schaffte, Holz wie von Zauberhand zu biegen. Gedämpft wird es bei mehr als 100 Grad. Durch den Druck wird der Wasserdampf in das Holz gepresst, bis dieses gesättigt ist. Die hohe Temperatur macht den Holzstab elastisch – die wichtigste Voraussetzung für den Biegevorgang. Dabei wird ein Metallband auf der äußeren Seite des Holzstücks befestigt, das verhindert, dass die Holzfasern im Außenradius gestreckt werden. Ohne diese Maßnahme würden sie reißen, das Holz würde brechen. Damit das gebogene Holz seine neue Form behält, wird es in seiner Biegeform für zwei Tage in einer Trockenkammer gelagert, anschließend geschliffen und lackiert oder gebeizt. Bis heute geistert die Idee Thonets in Köpfen von Designern und Künstlern herum. In ihrer Arbeit beschäftigt haben sich damit Größen wie Robert Stadler oder Sebastian Herkner ebenso wie Birgit Jürgenssen oder Bruno Gironcoli.

Die Ausstellung »Bugholz, vielschichtig. Thonet und das moderne Möbeldesign« mit 240 Objekten ist noch bis 13. April 2020 im Wiener Museum für angewandte Kunst zu sehen. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen. www.mak.at