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Die Zukunft der Fichte
Wald – Holz – Klima

erschienen in
Zuschnitt 78 Ausbildung Holzbau, September 2020

Wir wissen, dass der Klimawandel enorme Auswirkungen auf unsere Wälder hat. Besonders betroffen davon ist die Fichte, der Brotbaum der österreichischen Holzwirtschaft. Allein in den letzten zehn Jahren ist der Anteil der Fichten am Ertragswald um 4 Prozentpunkte auf 57 Prozent der Waldfläche gesunken. Wir wissen aber noch relativ wenig über die Anpassungsfähigkeit der Fichte an den Klimawandel. Dieses Wissen ist aber nicht nur für die Holzwirtschaft, sondern auch für die Schutzfunktion des Waldes von großer Bedeutung.

Wie kann das sein? Inmitten einer Fläche voller Schadholz hat ein Baum überlebt. Während die Borkenkäfer alle anderen Bäume zu Fall gebracht haben, lebt diese eine Fichte unbeeindruckt weiter. Immer wenn Mitarbeiter des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW) von solchen Bäumen erfahren, rücken sie aus, klettern in die Krone des Baumes und ernten dort Äste. Marcela van Loo, Leiterin des Projekts Fichte Plus am Institut für Waldgenetik am BFW, erzählt, dass sie diese vitalen Bäume vegetativ vermehren wollen. Sollte sich die Annahme bestätigen, dass diese Bäume über ein Erbgut mit einer höheren Widerstandsfähigkeit gegen Trockenheit und somit auch Borkenkäferbefall verfügen, könnten sie auf diesem Wege zu klimafittem Saatgut kommen. Schon mehr als 300 solcher Bäume haben sie für das Projekt Fichte Plus in Österreich gefunden.

Wie entstehen klimafitte Wälder?

Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wälder, das vermehrte Auftreten von Schädlingen, von Extremereignissen wie Trockenheit und Stürmen, beschäftigt nun schon seit Jahren die Forstwirtschaft. »Die Baumartenverteilung in Mitteleuropa wird sich stark verändern«, sagt Silvio Schüler, Leiter des Instituts für Waldwachstum und Waldbau am BFW. »Mit diesen Veränderungen sind ökonomische Folgen für die Forstwirtschaft verbunden, aber auch ökologische.« Daher stellt sich die Frage: Welche Baumarten soll man aufforsten? Dabei gibt es laut Schüler drei Möglichkeiten: Die Pflanzung nicht heimischer Arten, die Pflanzung heimischer Baumarten an neuen Standorten sowie die assistierte Migration, bei der man Saatgut einer Baumart, die durch eine fortschreitende Erwärmung verloren geht, aus wärmeren Regionen nimmt. Sein Institut hat sich in den letzten Jahren vor allem mit den letzten beiden Varianten beschäftigt, seit 2019 laufen auch Projekte zu nicht heimischen Baumarten.

Wie anpassungsfähig ist die Fichte?

Die Fichte wird es auch weiterhin ausreichend in Österreich geben, vor allem in höheren Lagen, sagt Schüler. Jedoch sind auch dort entsprechende Anpassungen erforderlich, denn auch in Höhenlagen über 900 Metern sind die Bäume einem Temperaturanstieg von bis zu 4 °C ausgesetzt. Deshalb müssen Fichtensämlinge aus tieferen Lagen eine bis zwei Höhenstufen (300 bis 500 Meter) weiter oben gesetzt werden.

Um die Fichte auch in Zukunft auf geeigneten Standorten erhalten zu können, ist es erforderlich, die Anpassungsfähigkeit dieser Baumart zu verstehen. Die Fichte hat die Eiszeiten überdauert, sich dann in ganz Europa ausgebreitet. Je nach Herkunft kann die Fichte mal besser, mal weniger gut mit Trockenperioden umgehen. »Wir wissen, dass die Trockenheitstoleranz der Bäume genetisch bedingt ist«, sagt Marcela van Loo. »Verantwortlich ist aber nicht nur ein Gen, sondern eine Kombination aus mehreren Genen.« Die Fichte hat ein sieben Mal größeres Genom als der Mensch. Diese Vielfalt birgt noch jede Menge Potenzial für Erkenntnisse und Innovationen für die Züchtung in diesem noch relativ jungen Forschungsbereich, der Genomik. Doch schon jetzt weiß Schüler, dass geeignetes Vermehrungsgut für Österreich eher in Ost- und Südeuropa zu finden ist. Vor allem das Saatgut aus Rumänien oder Polen ist besser geeignet für die zukünftigen Klimabedingungen in Österreich als vieles andere. Jedoch fehlen hier noch die wirtschaftlichen Verknüpfungen der Baumschulen und die entsprechenden Zertifizierungen, weshalb weiterhin vor allem Saatgut aus den westlichen Nachbarländern bezogen wird.

Assistierte Saatgut Migration

Forschungsprojekte

Quellen: Waldinventur 2016 – 18, Holzeinschlagsmeldung 2019, Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, Schwarzbauer/BOKU (2020), Waldschädigungsfaktoren (DWF)


verfasst von

Anne Isopp

ist freie Architekturjournalistin, -publizistin und Podcasterin in Wien. Sie war von 2009 bis 2020 Chefredakteurin der Zeitschrift Zuschnitt. In ihrem Architekturpodcast Morgenbau spricht sie mit Menschen aus der Baubranche über nachhaltiges Bauen.

Erschienen in

Zuschnitt 78
Ausbildung Holzbau

Vom Brett bis zum Haus, vom Handwerk bis zur hoch industrialisierten Fertigung – die Jobs im Holzbau sind vielfältig, spannend und modern.

8,00 €

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Zuschnitt 78 - Ausbildung Holzbau