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Wohnbau »Krokodil« in Winterthur

erschienen in
Zuschnitt 78 Ausbildung Holzbau, September 2020

Daten zum Objekt

Standort

Winterthur/CH Google Maps

Bauherr:in

Implenia AG, Dietlikon/CH, www.implenia.comAnlagestiftung Adimora, Zürich/CH, www.pensimo.chgaiwo Genossenschaft für Alters- und Invalidenwohnungen, Winterthur/CH, www.gaiwo.chgesewo Genossenschaft für selbstverwaltetes Wohnen, Winterthur/CH, www.gesewo.ch

Holzbau

Implenia AG, Rümlang/CH, www.implenia.com

Planung

Baumberger & Stegmeier Architekten, Zürich/CH, www.baumbergerstegmeier.ch; KilgaPopp Architekten, Winterthur/CH, www.kilgapopp.ch

Statik und Brandschutz

Timbatec Holzbauingenieure Schweiz AG, Zürich/CH, www.timbatec.com

Fertigstellung

2020

Typologie

Wohnbauten

Digital geplant und computergesteuert gefertigt

In der sogenannten Lokstadt in Winterthur entsteht ein wegweisender Wohnbau, das sogenannte Krokodil. In dem zentrumsnah gelegenen ehemaligen Werksareal der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik werden umgenutzte Industriehallen bis ca. 2027 durch eine Reihe von Neubauten ergänzt. Das Krokodil – namensgebend war die legendäre, auf der Gotthard-Bergstrecke eingesetzte Elektrolok – wurde von den Architekten Baumberger & Stegmeier aus Zürich sowie KilgaPopp aus Winterthur entworfen, die einen Studienauftrag des Jahres 2016 für sich entscheiden konnten. Realisiert wird es als erstes Projekt des neuen Stadtteils, die ersten Bewohnerinnen und Bewohner sind bereits eingezogen.

Erst Holz, dann Beton

Allein die Abmessungen sind beeindruckend: Das orthogonale Gebäude misst 106 mal 65 Meter und umfasst einen Innenhof von 2.000 m2. Auf bis zu acht Geschossen stehen 30.000 m2 Nutzfläche stehen zur Verfügung, neben Gewerbeflächen im Erdgeschoss umfasst das Volumen mehr als 250 Wohnungen, davon 56 Eigentumswohnungen. Eine Realisierung in Holz war zwar im Studienauftrag nicht zwingend gefordert, doch legten die von der Eigentümerin des Geländes, der Baudienstleisterin und Totalunternehmerin Implenia, geforderten Kriterien der Nachhaltigkeit sowie der 2000-Watt-Gesellschaft diese Entscheidung nahe.

Nur die Untergeschosse und die Wände der Erschließungskerne wurden in Stahlbeton realisiert, für alles andere fand eine Skelettbauweise aus regional (Schweiz/Süddeutschland) gewonnenem Fichtenholz Verwendung. Benötigt wurden 5.500 m3 Brettsperrholzplatten, 1.500 m3 Brettsperrholz und 700 m3 Rahmenholz. Das entspricht ungefähr 2.200 Bäumen von 25 Metern Höhe, eine Menge, die in der Schweiz in 7 Stunden nachwächst. Gemäß Zertifizierung vom Frühjahr 2020 bindet das verbaute Holz genauso viel CO2, wie bei der Produktion des Stahlbetons angefallen ist. Im Gegensatz zur konventionellen Bauweise wurden bei den Treppenhäusern zuerst zwei Geschosse in Holz aufgerichtet und dann die Treppenhauswände als Schacht in den Holzbau einbetoniert. Dies beschleunigte den Bauprozess und ermöglichte eine Materialersparnis, da das Holz als verlorene Schalung diente. Dieses Konzept wurde hier erstmalig umgesetzt.

Planen mit BIM

BIM, Building Information Modeling, kann neben den Fragen der Nachhaltigkeit und der Ressourcenschonung als das wohl wichtigste – und überdies kontrovers diskutierte – architektonische Megathema der letzten Jahre gelten. Dabei ist festzuhalten, dass im Bereich des Holzbaus dank eines hohen Grads an Präfabrikation früh begonnen wurde, digital zu planen und computergesteuerte Fertigung zu praktizieren – gewissermaßen eine Vorform von BIM.

Wegweisend ist das Krokodil auch durch den konsequent in allen Phasen durchgehaltenen Einsatz von BIM. Das Krokodil wurde bereits ab Wettbewerb über alle Phasen als BIM-Projekt geplant. Für die Ausführung des Holzbaus erstellten Design-to-Production (die sich mit Nicht-Standardlösungen etwa für die Bauten von Shigeru Ban einen Namen gemacht haben, aber ihr Know-how auch verstärkt für Standardlösungen zum Einsatz bringen) auf Grundlage des Architekturmodells ein Produktionsmodell, mit dem sich die CNC-Fräsen und Abbundmaschinen ansteuern ließen. Gewissermaßen handelt es sich um ein Experimentalbauvorhaben, bei dem der konsequente Einsatz von BIM erprobt werden sollte. Den finanziellen Mehraufwand, der dadurch entstand, nahm Implenia in Kauf, um die Potenziale des Verfahrens zu evaluieren. Entsprechende Schwierigkeiten ergaben sich durchaus, erklären die Beteiligten: Bestimmte Ausschreibungen mussten noch herkömmlich erfolgen, und die Tatsache, dass Änderungen nach Abschluss der Werkplanung die digitale Kette reißen lassen können, bereitete einigen beteiligten Fachplanern Schwierigkeiten. Ob im Bereich der Planung in den Büros, der Herstellung in der Fabrik oder der Ausführung auf der Baustelle: Größere Unternehmen sind beim Handling der neuen Tools im Vorteil.


verfasst von

Hubertus Adam

ist freier Architekturkritiker, Architekturhistoriker und Kurator. Nach Jahren als Redakteur für Bauwelt in Berlin und archithese in Zürich leitete er von 2010 bis 2015 das S AM Schweizerisches Architekturmuseum in Basel. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher und ist für diverse Medien im In- und Ausland tätig.

Erschienen in

Zuschnitt 78
Ausbildung Holzbau

Vom Brett bis zum Haus, vom Handwerk bis zur hoch industrialisierten Fertigung – die Jobs im Holzbau sind vielfältig, spannend und modern.

8,00 €

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Zuschnitt 78 - Ausbildung Holzbau