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Energy-Station aus Holz

erschienen in
Zuschnitt 78 Ausbildung Holzbau, September 2020

Daten zum Objekt

Standort

Barcelona/ES, Monaco/MC, Spielberg/AT, Silverstone/UK, Hockenheim/DE, Budapest/HU, Spa/BE, Monza/IT und andere

Bauherr:in

Red Bull GmbH, Fuschl am See/AT, www.redbull.com

Statik

KPZT Kurt Pock, Klagenfurt/AT, www.kurtpock.at

Holzbau

Holzbau Saurer GesmbH & Co KG, Höfen/AT, www.holzbau-saurer.com

Planung

Claudio Hatz, Salzburg/AT, www.claudio-hatz.at

Fertigstellung

2019

Mit einem Bausatz durch Europa

Ein Formel-1-Rennen ist eine schnelle, hektische Sache. Wenn die Ferraris, McLarens und Red Bull Racings mit 350 km/h und 130 Dezibel ihre Runden drehen, dann sehnt man sich inmitten des Gewusels mitunter nach ein bisschen Ruhe und Abgeschiedenheit. »Genau das war eine der Grundüberlegungen unseres Entwurfs«, sagt der Salzburger Architekt und Designer Claudio Hatz, der für Red Bull schon seit über zwanzig Jahren Projekte betreut – von der mobilen Bar bis zu dieser 1.000 m2 großen Energy-Station. Das Resultat der Überlegungen ist ein schlichter Holzbau mit 33 Metern Länge und 13 Metern Breite. Hinter den großzügig dimensionierten Fensterbändern in der reliefartigen Lamellenfassade aus Silverwood verbergen sich zwei Vollgeschosse mit 3,2 Metern Raumhöhe, etlichen Lufträumen und einem aufgesetzten Penthouse samt Terrasse.

Lego für Erwachsene

Allein, die wahren Künste dieses Bauwerks sind für das ungeübte Auge unsichtbar. »Das ist weniger ein Gebäude als vielmehr ein mobiler Bausatz, der quer durch Europa tourt und in regelmäßigen Abständen auf- und abgebaut wird«, erklärt Hatz. »Wir haben uns sehr darum bemüht, die räumliche Atmosphäre, die Oberflächen und die Verbindungselemente so zu konzipieren, dass man beim Durchschreiten der Innenräume von der Modularität nichts mitkriegt.« Den Entwurfsprozess selbst bezeichnet der Architekt als »Lego-Technik für Erwachsene« – mit dem Unterschied, dass es für die Produktion und Montage des Bausatzes keinerlei Anleitung gab. Jedes einzelne Element, jeden einzelnen Steckknoten und jeden einzelnen Manipulationsschritt haben Architekt, Tragwerksplaner und Holzbauer entwickelt. Um Transportvolumen zu sparen, besteht die Energy-Station im Gegensatz zu den modularen Stahl-Containern der Konkurrenz nicht aus räumlichen, sondern aus linearen und flächigen Einzelelementen. Damit finden die Bauteile inklusive Möblierung Platz auf insgesamt 32 Lkws. »Umso wichtiger war es, den Auf- und Abbau so effizient wie möglich zu gestalten«, meint Tragwerksplaner Kurt Pock. »Wenn man einmal Einblick in den Formel-1-Betrieb bekommen hat, versteht man rasch, dass der Faktor Zeit bei so einem Projekt die mit Abstand wichtigste Kennzahl ist.« Sämtliche Steckverbindungen sind selbstzentrierend ausgeführt. Das heißt, die Elemente können mit V-Blechen und konischen Nut-und-Feder-Metallteilen schnell und unkompliziert ineinandergesteckt werden, ohne dabei kostspielige Kranzeit zu verschwenden. Die nachträgliche Verschraubung erfolgt unabhängig davon, nachdem die Elemente und Module bereits an Ort und Stelle platziert sind. Insgesamt nimmt der Aufbau rund 32 Stunden in Anspruch.

Vom Land aufs Wasser, von Süden nach Norden

Neben einigen kritischen Punkten wie dem Untergrund, den hydraulisch justierbaren Fundamentplatten oder der Tatsache, dass sowohl die montierten als auch die demontierten Elemente aufgrund der Transportwege auf Straße und Wasser einer Schiefstellung von bis zu 5 Grad statisch standhalten müssen, musste eine weitere Herausforderung gestemmt werden, die bei herkömmlichen Projekten keine Rolle spielt – und zwar das Handling mit unterschiedlichen Klimata.

»Wie behandelt man das Holz und welche Spielräume für Quellen und Schwinden berechnet man mit ein, wenn die Energy-Station heute in Barcelona bei 30 °C abgebaut, dann über die Pyrenäen transportiert und drei Tage später am Circuit de Spa-Francorchamps in Belgien bei Regen wieder zusammengebaut werden muss?«, fragt Daniel Elmer, Projektleiter bei Holzbau Saurer, und erwähnt dabei besondere Knoten sowie Lacke und Imprägnierungen gegen Schimmel und Insekten. »All diese Überlegungen müssen in der Planung und im Bau berücksichtigt werden.« Die technischen und chemischen Details jedoch sind Geheimsache – so wie übrigens auch die Baukosten. Darüber spricht man bei Red Bull nicht.


verfasst von

Wojciech Czaja

studierte Architektur an der TU Wien und arbeitet als freischaffender Buchautor und Journalist für Tageszeitungen und Fachmagazine, u. a. für Der Standard. Er ist Dozent an mehreren Universitäten und Fachhochschulen in Österreich.

Erschienen in

Zuschnitt 78
Ausbildung Holzbau

Vom Brett bis zum Haus, vom Handwerk bis zur hoch industrialisierten Fertigung – die Jobs im Holzbau sind vielfältig, spannend und modern.

8,00 €

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Zuschnitt 78 - Ausbildung Holzbau