Den Wäldern kommt eine entscheidende Rolle im Kampf gegen den Klimawandel und beim Erhalt der Biodiversität zu. Und doch weiß man noch relativ wenig über den Zustand der Biodiversität in Österreichs Wäldern und welchen Einfluss die Waldbewirtschaftung auf die Biodiversität hat. Einig ist man sich aber, dass man den Wald nicht sich selbst überlassen darf, will man all diese Aufgaben bewältigen.
Biodiversität bedeutet Artenreichtum. Im Hinblick auf den Wald handelt es sich dabei um die Zusammensetzung der Baumarten – Mischwälder sind besser als Monokulturen – und die unterschiedlichen Lebensräume, die ein Wald für Flora und Fauna bietet. Aber wie ist es um die Biodiversität des österreichischen Waldes bestellt? Darauf erhält man unterschiedliche Antworten. »Gut bis sehr gut«, meint etwa Hubert Hasenauer. Er ist Professor an der Universität für Bodenkultur Wien am Institut für Waldbau und erklärt, dass es in Österreich für jeden Standort eine potenzielle natürliche Waldgesellschaft gibt. Je mehr die Waldbestände dieser natürlichen Vegetation entsprechen, desto höher ist die Biodiversität. Ein Trend zur natürlicheren Waldgesellschaft ist zu beobachten.
»Global gesehen haben wir leider eine Biodiversitätskrise«, sagt Katharina Lapin vom Bundesforschungszentrum für Wald (BFW). Sie ist die neue Leiterin des Instituts für Waldbiodiversität und Naturschutz. »Es findet ein massives Artensterben statt, hervorgerufen durch die zunehmende Urbanisierung und intensive Landwirtschaft.« Die Auswirkungen seien spürbar, sagt sie. Global gibt es weniger Insekten, invasive Arten und Schädlinge breiten sich zunehmend aus. Ob das auch auf Österreich zutrifft, ist allerdings unsicher.
Das BFW hat einen Biodiversitätsindex erarbeitet – eine Art ATX für den Wald – und damit Pionierarbeit für die Bestimmung der Biodiversität geleistet. Basierend auf den Daten der vom BFW durchgeführten Waldinventur zeigt sich, dass die Biodiversität im österreichischen Wald grundsätzlich gut ist und sich zudem verbessert hat. Indikatoren, anhand derer man schon heute Biodiversität messen kann, sind zum Beispiel die Anteile an Mischwäldern und Totholz.
»Wenn Sie in einem Wald tote Bäume sehen«, sagt der Waldbauexperte Hasenauer, »dann ist das ein Indikator für Artenreichtum im Wald, weil Totholz Lebensraum für Insekten, Würmer und vieles mehr ist.« Deshalb wird den Waldbesitzern schon seit Längerem empfohlen, Totholz und Veteranenbäume zu erhalten. Veteranenbäume, auch Habitatbäume genannt, sind meist alte große Bäume, die viele Nistlöcher haben oder Astgabelungen, in denen sich Wasser ansammelt. »Es gibt Tierarten«, erklärt Lapin, »die sehr sensibel auf Veränderungen reagieren, wie zum Beispiel das Auerhuhn. Dort wo es vorkommt, kann man sicher sein, dass die Biodiversität in Ordnung ist.«
Veränderung der Indikatoren in den Naturräumen
Als Lebensraum benötigt das Auerhuhn alte Bäume, die genügend Licht auf den Waldboden lassen und dadurch einen guten Bodenbewuchs und ein reicheres Insektenleben fördern. Wenn ein Waldstück konventionell oder gar nicht durchforstet wird, dann ist es dunkler.
»Durch die Waldbewirtschaftung kann man die Dichte des Waldes beeinflussen, die Wasserversorgung verbessern und Stressfaktoren abpuffern«, sagt Hubert Hasenauer. Dass der Wald nicht einfach sich selbst überlassen werden darf, darin sind sich die Fachleute einig. »Man darf da nicht romantisch sein«, sagt Katharina Lapin. »Wenn man den Wald ruhen lässt, weiß man nicht, was dann dort wächst. Oft stehen dabei die Bemühungen des Naturschutzes im Gegensatz zu denen um einen klimafitten Wald.« Der Klimawandel ist eine Größe, die alle Bemühungen überlagert. Der Wald ist dabei, wie Hubert Hasenauer es ausdrückt, Gestalter und Betroffener zugleich: »Durch den Klimawandel verändern sich die Wachstumsbedingungen für die Bäume, das verändert auch das Konkurrenzverhältnis zwischen den Bäumen.« Besonders betroffen vom Klimawandel ist in Österreich das Mühl- und Mostviertel. Hier leiden die Bäume unter den höheren Temperaturen und langen Trockenperioden. Würde man hier den Wald sich selbst überlassen, könnten dort auch Steppen statt Wälder entstehen. »Der Wald braucht als natürliches Ökosystem den Menschen eigentlich nicht«, sagt Gregor Grill von der Landwirtschaftskammer Salzburg. »Er wächst, zerfällt und bildet dann wieder etwas Neues. Das muss aber kein Wald sein, wenn der Klimawandel anderes bedingt. Wenn wir den Wald und alle Wirkungen, die die Gesellschaft vom Wald und der Kulturlandschaft generell braucht, erhalten wollen, ist es unsere Aufgabe, die Phase des natürlichen Zusammenbruchs flächig zu vermeiden und den Wald aktiv zu gestalten.« Eben das ist die Aufgabe der multifunktionalen Waldwirtschaft.
Indikatoren des Biodiversitätsindex Wald
Bei dem Index handelt es sich um ein Konzept, das aus bereits vorhandenen Daten (größtenteils aus der Österreichischen Waldinventur) die Waldbiodiversität in Österreich bestmöglich beschreiben soll.
Er setzt sich aus einem Einflussindikator sowie acht Zustands- und vier Maßnahmenindikatoren zusammen und wird auf einer Skala von 0 bis 100 gemessen. Ein gewichtetes Mittel aus allen 13 Einzelindikatoren ergibt den Index. Insgesamt zeigt das gewichtete, bundesweite Mittel mit einer Zunahme von plus drei Punkten eine positive Entwicklung.
Zustandsindikatoren
- Baumarten der potenziell natürlichen Waldgesellschaften
- neophytische Baumarten
- Totholz
- Veteranenbäume
- Vorhandensein notwendiger Verjüngung
- Verjüngungsart
- Natürlichkeit des Genpools
- Waldfragmentierung
Einflussindikator
- Verbiss und Weideeinfluss
Maßnahmenindikatoren
- Naturwaldreservate
- Generhaltungsreservate
- Saatguterntebestände
- Generhaltungsplantagen