Holz begleitet den Menschen von der Wiege bis zur Bahre (bzw. zum Sarg), buchstäblich und metaphorisch. Denn Holz ist nicht nur ein Stoff, dem wir im Alltag häufig begegnen, sondern auch ein unauffälliger Begleiter im täglichen Gespräch. Ohne es zu bemerken, nutzen wir Sprichwörter und Redewendungen, die mit Holz, seiner Herkunft und Nutzung in Verbindung stehen. Dabei ist es natürlich wichtig zu wissen, was diese Redewendungen bedeuten. Denn wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus, und man möchte bestimmt nicht als ungehobelter Mensch erscheinen. Genauso unangenehm ist es natürlich, wenn sich jemand einen Ast lacht, weil man sich in der Wortwahl vergriffen hat. Da wirkt man dann schnell einmal wie ein Hinterwäldler. Bei der erfolgreichen Kommunikation geht es natürlich nicht nur um die Wortwahl, sondern auch um den richtigen Zeitpunkt und die richtige Verwendung von Wörtern und Phrasen.
Zu einem Bewerbungsgespräch beispielsweise gehen Sie am besten astrein vorbereitet, geben sich formell, aber nicht hölzern. Haben Sie ein Brett vor dem Kopf, sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht und beginnen zu zittern wie Espenlaub? Dann lügen Sie bloß nicht, dass sich die Balken biegen! Raspeln Sie lieber ein wenig Süßholz und klopfen auf Holz.
Wer glaubt, dass sich diese Beispiele beliebig fortsetzen ließen, ist natürlich keineswegs auf dem Holzweg. Doch wie kommt eigentlich das viele Holz in die Sprache? Und warum verwenden wir im Alltag Redewendungen und Sprichwörter, von denen wir gar nicht mehr so genau wissen, woher sie kommen? Wie fast alles in der Sprache sind auch Sprichwörter und Redewendungen, die sich mit ähnlichen Phänomenen unter dem Ausdruck „Phraseologismen“ (bzw. „feste Wortverbindungen“) zusammenfassen lassen, reine Konvention. Die Bedeutung einer Phrase oder eines Wortes hat meist keinen natürlichen Ursprung, sondern beruht auf einer Vereinbarung zwischen den Sprecherinnen und Sprechern einer Sprache. Die Linguistik spricht hier von der „Arbitrarität“ (Beliebigkeit) der Wörter einer Sprache. So wäre theoretisch nichts dagegen einzuwenden, eine „Tasse“ plötzlich „Brett“ zu nennen. Da es aber allgemein anerkannt ist, dass eine Tasse ein Trinkgefäß mit Henkel ist und ein Brett ein glattes Stück Holz, verwenden wir, um erfolgreich zu kommunizieren, die Wörter, die in der Sprachgemeinschaft üblich sind. Gleich verhält es sich mit Phraseologismen: Irgendwann bürgert sich ein neuer Ausdruck ein und wird – wenn ihn immer mehr Menschen verwenden – in seiner neuen Bedeutung fest verankert. Man bezeichnet dieses Phänomen als „Sprachwandel“.
Trotz der Beliebigkeit ist es kein Zufall, dass gerade Holz so viele Spuren in der Alltagssprache hinterlassen hat. Die erwähnten festen Wortverbindungen sind meist Metaphern, also bildhafte Ausdrücke. Indem man etwas Bekanntes auf einen anderen Bereich überträgt, erweitert man die Grenzen des Sagbaren. Manchmal wird damit nur eine Benennungslücke gefüllt, oft aber auch besondere Expressivität erzeugt. Der bildspendende Bereich, jener also, dem die metaphorischen Ausdrücke entnommen sind, muss sowohl vielen Menschen vertraut sein als auch besonders ausdrucksstarke Bilder erzeugen können. Beides trifft auf Holz zu. Der Mensch arbeitet schon lange mit diesem Material und übernahm im Lauf der Geschichte viele Wendungen aus dem bildspendenden Bereich „Holz“ in den Sprachgebrauch. Diese Phraseologismen bleiben uns auch dann noch erhalten, wenn wir ihren Ursprung nicht mehr erkennen. Viele wie die Phrase „wie Espenlaub zittern“ lassen sich einfach herleiten. Die Blätter der Espe (auch Zitterpappel genannt) bewegen sich schließlich schon beim leisesten Windhauch. Weniger einfach ist es, sich die Redewendung „auf dem Holzweg sein“ zusammenzureimen. Hier muss man etwas recherchieren, um zur richtigen Herleitung zu gelangen: Ein Holzweg ist ein Weg, der der Holzabfuhr dient; er entstand wahrscheinlich dadurch, dass Pferde die geschlagenen Holzstämme aus dem Wald herauszogen und dadurch eine Schneise ins Dickicht schlugen. Wer nun aber von außerhalb diesem Weg folgt, landet in einer Sackgasse. Andere Phraseologismen lassen sich auf Gegenstände zurückführen, die wir im Allgemeinen nicht mehr benutzen: „Einen Stein im Brett haben“ geht auf das Tricktrackspiel zurück, bei dem man Spielsteine auf einem Brett gut platzieren muss, um zu gewinnen. „Etwas auf dem Kerbholz“ hatte man früher, wenn man Schulden bei jemandem hatte. Diese wurden auf einem Holzstück eingekerbt, das der Länge nach gespalten und zwischen Schuldner und Gläubiger aufgeteilt wurde. Die heutige Bedeutung „sich etwas zuschulden kommen lassen“ hat sich aus „Schulden haben“ entwickelt. Normalerweise verschwindet im Lauf der Zeit mit dem Gegenstand auch das Wort, das ihn bezeichnet. In einer festen Wortverbindung kann es sich in neuer Bedeutung dagegen erhalten, wie im Fall von „Kerbholz“ geschehen.
Einige Phraseologismen stammen auch aus literarischen Werken. Die Kastanien holt beispielsweise in einer Fabel von La Fontaine die Katze dem Affen aus dem Feuer, welcher die Früchte dann sofort auffrisst. „Den Balken im eigenen Auge nicht sehen, wohl aber den Splitter im Auge des anderen“ stammt aus der Bibel und „die Bretter, die die Welt bedeuten“ (die Theaterbühne) kommen aus einem Gedicht von Friedrich Schiller.
Auch in der Jugendsprache kommt übrigens ein Phraseologismus im Zusammenhang mit Holz vor, der sich zumindest zeitweise großer Beliebtheit erfreute: „Weil Baum“ ist eine Antwort auf eine Frage, auf die man keine Antwort hat. Beispielsweise: „Warum hast du noch nicht aufgeräumt?“ – „Weil Baum.“ Ob sich diese „Universalantwort“ über längere Zeit halten kann, wird sich noch zeigen.
Beschäftigt man sich mit Phraseologismen und Wörtern, die mit Holz zusammenhängen, lernt man etwas über die Vergangenheit und natürlich darüber, wie sich Sprache verändert. Dabei haben wir hier nur an der Oberfläche gekratzt: Es gibt noch viele weitere Wendungen, über die man etwas sagen könnte. Warum beispielsweise heißt ein Stammbaum „Stammbaum“? Wenn man es sich einfach macht: Weil Baum.