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Gesund zwischen Buchen und Tannen
Wald – Holz – Klima

erschienen in
Zuschnitt 84 Gesundheitsbauten in Holz, März 2022

Waldbaden und andere waldbezogene Therapie- und Erholungsformen haben Konjunktur. Zugleich gewinnt auch die Wissenschaft immer mehr Erkenntnisse, die die gesundheitliche Wirkung von Naturumgebungen belegen.

Bei einer langsamen Wanderung durch den Wald legt man immer wieder Pausen ein, um die Naturumgebung auf sich wirken zu lassen. Die Spazierenden üben sich in Achtsamkeit, versuchen die Farben, Formen und Lichtspiele auf sich wirken zu lassen. Zugleich möchte man den Wald auch haptisch erfahren, erfühlt die Textur von Blättern oder gräbt die Hände in den moosigen Boden. Auf einem schönen Platz im Wald könnte man schließlich zur Ruhe kommen, um sich in bewussten Atemzügen und Meditationen zu verlieren.

So kann eine Übung in Shinrin Yoku aussehen – jener japanischen Therapieform, die in unseren Breiten als Waldbaden bekannt wurde. Die in der von großen urbanen Räumen geprägten Kultur Japans entstandene Form der bewussten Naturerholung wurde in den vergangenen zwei Jahrzehnten auch in Europa populär und verhalf dem – auch hier keineswegs neuen – Thema der Waldgesundheit zu einer starken Konjunktur. „Mit der Frage, wie erholsam die Natur für Menschen ist, beschäftigen sich auch Wissenschaftler in Europa und den USA bereits seit den 1980er Jahren“, erklärt Arne Arnberger, der sich an der Universität für Bodenkultur Wien unter anderem mit Erholungsnutzungen von Naturräumen aus­einandersetzt. „Der Trend aus Japan hat allerdings geholfen, die Ansätze der Waldgesundheit stark zu verbrei­ten und in konkrete Therapieprodukte zu gießen.“

In Österreich organisiert seit 2014 die Initiative Green Care Wald des Bundesforschungszentrums für Wald die vielfältigen wissenschaftlichen, therapeutischen oder pädagogischen Aktivitäten rund um das Thema – von der waldgestützten Suchtmittelentwöhnung bis zum Waldkindergarten. Arnberger war beispielsweise an einem kürzlich abgeschlossenen Green-Care-Wald-Forschungsprojekt beteiligt, das die Grundlagen für die Entwicklung eines Gesundheitswegs in Geras in Niederösterreich erarbeitete. „Der Naturpark möchte seine Angebote im gesundheitlichen Bereich ausbauen. Wir haben deshalb untersucht, welche Wanderroute im Naturpark gewählt werden sollte, um die besten Effekte zu ­erzielen“, skizziert der Erholungsplaner das Projekt. „Drei Routen wurden getestet: Eine ist von Laubwald dominiert, eine von Nadel­wald und die Offenlandroute führt an Wiesen, Äckern und einem Teich vorbei.“

Waldgesundheit – Stand der Forschung

Einem standardisierten Studiendesign folgend, wurden alle drei Wanderungen gemeinsam mit einer Gruppe von Proband:innen absolviert. Die jeweiligen Wirkungen erhoben die Forschenden mittels Fragebögen und medizinischer Tests. „Die Auswertung zeigte prinzipiell, dass alle drei Routen positive gesundheitliche Effekte auslösten, sowohl was Stressabbau und Konzentrationsfähigkeit als auch Kreislaufwerte betrifft“, erklärt Arnberger. „Abweichungen gab es nur in einigen Details.“ Beispielsweise zeigte der Nadelwald die besten Ergebnisse bei der Konzentration. Laubwald und Offenland konnten eine Reduktion der Pulsrate auslösen, während im Nadelwald der Blutdruck sank.
Die Ergebnisse fügen sich gut in den allgemeinen wissenschaft­lichen Erkenntnisstand zum Thema Waldgesundheit ein. „Dass der Aufenthalt in der Natur positiv auf den Menschen wirkt, ist empirisch mittlerweile zweifelsfrei nachgewiesen – und das auf mehreren Ebenen, beispielsweise was die mentale Gesundheit, die Stressreduktion oder das Herz-Kreislauf-System betrifft“, fasst Arnberger zusammen. „Möchte man allerdings zwischen verschiedenen Landschaftsräumen differenzieren und etwa ­danach fragen, ob Wald anders oder besser wirkt als eine Wiesenumgebung, dann wird die Aussagekraft der Studien dünner.“ Zwar liegen viele der positiven Wirkungen des Waldes – vom Feinstaubfilter bis zur kühlenden Wirkung im Sommer – auf der Hand. Zugleich handelt es sich häufig um Langzeiteffekte auf die Gesundheit, die mittels wissenschaftlicher Methoden nur schwer zu fassen sind.

Damit geht auch das Problem einher, dass manche Erholungs- und Therapieangebote zu große Versprechen machen. Für Arnberger ist es wichtig, auf die empirischen Nachweise hinter den Angebo­ten zu achten. Zudem wird hier ein neuer Nutzungsanspruch an den Wald gestellt. „Die Aktivitäten müssen gelenkt und geregelt sein. Wer sie ­gewerblich anbietet, muss sich mit den Waldeigentümer:innen absprechen, auch um Konflikte mit der Jagd oder mit anderen Nutzungsformen zu vermeiden“, erklärt der Wissenschaftler.

Die Herausforderung an die Forschung ist es indes, genauere ­Daten über die Gesundheitswirkung der Naturräume zu liefern. „Meine Idealvorstellung wäre, dass man irgendwann Landschafts­typen identifizieren könnte, die bei bestimmten Krankheits­bildern am besten helfen“, sagt der Erholungsplaner, „nach dem Motto: Bei Stresssymptomen geh am besten in den Buchenwald, bei Konzentrationsschwäche dagegen in den Fichtenwald!“

Universität für Bodenkultur
Institut für Landschaftsent­wicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung
Peter-Jordan-Straße 65
1180 Wien/AT
T +43 (0)1/47654-85315
Arne Arnberger
arne.arnberger(at)boku.ac.at
 

Initiative Green Care WALD
Bundesforschungszentrum für Wald
Seckendorff-Gudent-Weg 8
1130 Wien/AT
T +43 (0)1/878 38-0
www.bfw.ac.at/greencarewald
Dominik Mühlberger
dominik.muehlberger(at)bfw.gv.at


verfasst von

Alois Pumhösel

geboren 1976, ist freier Journalist mit Schwerpunkt Wissenschaft, Umwelt und Technologie. Er verfasst u. a. regelmäßig Beiträge für die Tageszeitung Der Standard.

Erschienen in

Zuschnitt 84
Gesundheitsbauten in Holz

Was kann ein Gebäude aus Holz zu Genesung, Gesundheit und Wohlbefinden beitragen? Antworten darauf finden Sie in diesem Zuschnitt.

8,00 €

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Zuschnitt 84 - Gesundheitsbauten in Holz