Zum Hauptinhalt springen

Waldkliniken Eisenberg

erschienen in
Zuschnitt 84 Gesundheitsbauten in Holz, März 2022

Daten zum Objekt

Standort

Eisenberg/DE Google Maps

Bauherr:in

Waldkliniken Eisenberg, Eisenberg/DE, www.waldkliniken-eisenberg.de

Architektur

Matteo Thun & Partners, Mailand/IT, www.matteothun.comHDR Germany, Düsseldorf/DE, www.hdrinc.com

Statik

R&P Ruffert Ingenieurgesellschaft mbH, Limburg/DE, www.ruffert-ingenieure.de

Holzbau

Holzbau Pfeiffer GmbH, Remptendorf/DE, www.holzbau-pfeiffer.com

Fertigstellung

2020

Der Patient als Gast auf Zeit

Seit den 1990er Jahren setzt sich die Erkenntnis durch, dass zum Heilungsprozess mehr notwendig ist als die optimale medizinische Behandlung. Farbe, frische Luft, Tageslicht und der Ausblick in die Natur – Healing Architecture – tragen wesentlich zur ­Genesung bei. Beim Neubau des Bettenhauses der Waldkliniken Eisenberg, einer kommunalen Fachklinik für Orthopädie, entschied man sich bewusst dafür, diese Erkenntnisse in die Gestaltung ­einzubeziehen.

Der Patient steht im Mittelpunkt der Überlegungen. „Hospes“ ist das Schlüsselwort, denn in diesem Wortstamm steckt sowohl das Wort „Gast“ als auch der Begriff Hospitality für die Gastfreundschaft. Die räumliche Konstellation der Waldkliniken ermöglicht die Trennung der Behandlungs- und Therapieräume von den Wohnbereichen. So wird aus der erzwungenen Behandlung im herkömmlichen Krankenzimmer ein auf Gastlichkeit und Komfort angelegter Aufenthalt auf Zeit. Der Clou liegt in der Weiterentwicklung des klassischen Patientenzimmers. Als kommunales Haus in öffentlicher Hand sind Zweibettzimmer als Mindest­belegung die Vorgabe. Durch den gestalterischen Kniff, die ­Betten diagonal zueinander versetzt aufzustellen, entstehen verschie­dene Raumzonen, die je nach Bedarf geöffnet oder über einen ­Vorhang voneinander separiert werden können. So ergeben sich intime Rückzugsmöglichkeiten, aber auch Raum für Interaktion. Je zwei Zimmer umschließen eine verglaste Veranda, die als ­zusätzlicher Kommunikationsort mit Ausblick auf die umgebende Natur dient. Diese inspirierte auch die Grüntöne für das ­Interior Design, die natürlichen Materialien und Farbkomposi­tionen der Flora und Fauna im Bettenhaus. Verschiedene Aufenthalts­bereiche, die ­Cafeteria und die Restaurants und Freiflächen ergänzen die individuellen Rückzugsbereiche. Doch nicht nur in Bezug auf die ­Patientenzimmer wurden neue Wege gegangen, auch die ­Arbeitsplätze der Mitarbeiter:innen sind in offenen Raumzonen in den Flurbereichen platziert. Das baut Barrieren ab, fördert die Transparenz und damit die Kommuni­kation zwischen den Patient:innen und dem Personal. Die kurzen Wege und die Orientierung im Gebäude sind ein günstiger Nebeneffekt.

Neue Ideen und nachhaltig Wege

Die Leitidee, sich am Wohlbefinden des Patienten als Gast zu ­orientieren, führte auch architektonisch zu einer typologischen Neuentwicklung. Die Kreisform erlaubt eine Anordnung aller Zimmer mit Blick ins Grüne, während die dienenden Funktionen sich zum introvertierten Innenhof ausrichten. Auch im Sinne des Materialeinsatzes gehen die Architekten neue Wege. Das Holz wird buchstäblich ins Haus geholt – nicht nur über die Ober­flächen der Einbauten und der Böden, sondern auch kon­struktiv. Holz ist in Thüringen und der Region Saale-Holzland-Kreis reichlich vorhanden. Laut Angaben des Thüringen Forsts und der ­dritten Bundeswaldinventur (BWI3) sind 34 Prozent der Fläche ­Thüringens mit Wald bedeckt, davon sind zwei Drittel Nadel­bäume wie Fichten, Kiefern, Tannen, Douglasien und ­Lärchen, die sich zur konstruktiven Verwendung von Bauteilen eignen. Zur Zukunftsfähigkeit der Waldkliniken gehört auch der nachhaltige Umgang mit Ressourcen. Aus Gründen der hohen Brandschutzanforderungen im Krankenhausbau entschieden die Planer sich für eine Holz-Beton-Hybridbauweise. Die auf ein Minimum reduzierte tragende Stahlbeton-Skelettkonstruktion erfüllt die Vorgabe nach nicht brennbaren Materialien und ermöglicht zugleich die benötigten großen Spannweiten für die Kreissegmente. Ein Teil der Betonkonstruktion wird über eine Betonkernaktivierung für die Temperaturregelung der Bettenzimmer nachhaltig verwendet. Ausfachungen, unter anderem der Außenwände in den Obergeschossen, werden als Holzrahmen-Konstruktion mit vorgehängter hinterlüfteter Holzfassade aus­geführt. Auskragende Betonfertigteile fungieren als Brandschotts bzw. verhindern einen Brandüberschlag.

Sicht- und erlebbar wird die Verwendung von Holz auch über die Fassadenbekleidung aus horizontal angeordneten, unbehandelten Lärchenholzlamellen vor der Glasfassade, die sich mit der Zeit silbergrau verfärben werden. Die Lisenen aus Lärchenholz laufen jeweils über zwei Geschosse und erzeugen so eine klare vertikale Gliederung des Bettenhauses. Die Vorteile der Vorfertigung konnten bei den Außenwandelementen in Holzrahmenbauweise sowie bei den Lärchenholzlamellen genutzt werden. Eine Herausforderung war hingegen die kreisförmige Gebäudekubatur. Verschiedene Anschlüsse an Verbindungsbauwerke zum Bestandsgebäude sowie die gewählte polygonale Form erforderten zahlreiche konstruktive Sonderlösungen und komplexe Anschlussdetails. Die Komplexität der Konstruktion bedingte eine enge Zusammenarbeit der Projektbeteiligten und die Abstimmung ­aller Details in der Planung und Umsetzung mit einem Fachgutachter für Brandschutz in Fassaden. Die Variabilität verschiedener Fensterformate, Materialien und Sturzhöhen und die zusätzliche partielle Ausführung mit nicht brennbaren Baustoffen sind dem Entwurf und der Integration in das bestehende Ensemble geschuldet.

So wie die Umsetzung der Patientenzimmer über ein Mock-up und die Einbeziehung der Mitarbeiter:innen optimiert wurde, wurden für die Holzkonstruktion viele Details anhand von gebau­ten Mustern überprüft. Auf diese Weise konnte unter den gegebenen Rahmenbedingungen die optimale Lösung für den Neubau des Bettenhauses gefunden werden. Neben der ökologischen ­Bilanz ist auch das spürbare gestalterische Potenzial des Materials relevant – in bester Übereinstimmung mit der ganzheitlich gedachten Healing Architecture.

Video


verfasst von

Eva Maria Hermann

Architektin und freie Journalistin. Architekturstudium an der Hochschule Darmstadt und der TU Graz, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in München. 2005 Gründung des Büros für Architekturkommunikation mit dem Schwerpunkt Vermittlung von Baukultur.

Erschienen in

Zuschnitt 84
Gesundheitsbauten in Holz

Was kann ein Gebäude aus Holz zu Genesung, Gesundheit und Wohlbefinden beitragen? Antworten darauf finden Sie in diesem Zuschnitt.

8,00 €

Zum Produkt   Download

Zuschnitt 84 - Gesundheitsbauten in Holz