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Holz(an)stoß
Jean-François Fourtou

erschienen in
Zuschnitt 85 Pause, Auszeit, Holz, März 2022

Für die siebte Ausgabe der Beaufort Triennale, die seit 2003 an der belgischen Küste stattfindet, entwickelte der französische Künstler Jean-François Fourtou 2018 eine Installation, die die Geschichte der maritimen Umgebung und deren Strandhütten aufgreift. Auf einer Strecke von 65 Kilometern, entlang der Deiche, Strände und Dünen, entstand über die Jahre eine der größten Freilichtausstellungen im öffentlichen Raum, mit über vierzig Kunstwerken, die zum Teil von den Küstengemeinden erworben wurden und die ganzjährig zu besichtigen sind.

Die von Fourtou konzipierte und hier abgebildete Arbeit „Beach Castle“ von 2018 steht in Knokke-Heist, einer Stadt an der belgischen Nordseeküste in der Provinz Westflandern unmittelbar an der Grenze zu den Niederlanden. Knokke-Heist gilt aufgrund zahlreicher Villen und Restaurants als mondänster Badeort an der belgischen Küste. „Beach Castle“ besteht aus unterschiedlichen Strandkabinen, deren Konstruktionstypen den ­einzelnen Regionen entlang der belgischen Küste zugeordnet werden können. Turmartig ragt die 12 Meter hohe Skulptur in den Himmel, eine ­Hommage an das Strandleben und seine Anfänge. Es waren die Engländer, die die Heilkraft des mari­timen Klimas erkannten und die Badekultur am Meer an der belgischen Küste einführten. Die ­be­kannten Bathing Boxes (Badeboxen) im australischen Brighton gibt es bereits seit 1862. Diese entwickelten sich aus den Bathing Machines (Bade­maschinen auf Rädern), mit denen in der ­viktorianischen Zeit die Sittsamkeit gewahrt werden sollte. Georg III. hatte diese gebilligt, als er in Weymouth zu den Klängen von „God Save the King“ ein medizinisches Bad nahm, und Königin Victoria installierte in den 1840er Jahren eine Bathing Machine in Osborne House auf der Isle of Wight.

Die britische Hafenstadt Felixstowe gilt als Geburts­ort des Beach Hutting. Darunter versteht man die kulturelle Aktivität, die darin besteht, die Zeit in einer kleinen Holzhütte am Strand zu verbringen und diese zu verschönern, um die Gemütlichkeit und das Wohlbefinden am Meer zu genießen. Beim Beach Hutting wickelt man sich warm ein, atmet die frische Seeluft ein, unterhält sich mit den Nachbar:innen und beobachtet die Wellen, während man heißen Tee trinkt und Fisch und Chips isst. Diese Zeit in der Strandhütte ähnelt der dänischen Erfahrung von Hygge.

Anfang des 20. Jahrhunderts galten Strandhütten als Ferienhäuser für die arbeitenden Klassen, doch in den 1930er Jahren lebte ihr Image wieder auf: Georg V. und Königin Mary verbrachten den Tag in einer Strandhütte in Sussex. Während des Zweiten Weltkriegs waren alle Strände im Vereinigten König­reich geschlossen, die Wiedereröffnung in den ­späten 1940er und 1950er Jahren führte zu einem Wiederaufleben des britischen Strandurlaubs und zur Blütezeit der Strandhütten. Auch an der belgischen Küste und an Orten wie Ostend setzte nach 1945 der Massentourismus ein, dessen Folgen ­heute kritisch gesehen werden. Seit einigen Jahren gibt es deshalb Bemühungen, die ökologische, ­funktionell zusammenhängende Region, den Strand, die Schlamm­ebenen, die Salzsümpfe und die Dünen besser zu schützen und auch Maßnahmen zum Schutz vor dem Klimawandel zu entwickeln.

Jean-François Fourtou

geboren 1964 in Paris
lebt und arbeitet in Marrakesch, Marokko

Einzelausstellungen (Auswahl)

  • 2019
    Le jardin enchanté, Vitrine d’automne, Maison Hermès Shanghai, Schanghai
     
  • 2018
    Château de plage [Beach Castle], Commande publiques, Knokke-Heist, Belgien
     
  • 2017
    Les Abeilles de Bruxelles, Parc Tournay-Solvay, Brüssel
     
  • 2015
    Merci Louisette, Galerie Mitterrand, Paris
     
  • 2014
    Merci Louisette, MAMO, Marseille
     
  • 2012
    Maison tombée du ciel, Festival Fantastic Lille 3000, Lille
    Vitrines Hermès, Rue de Sèvres, Paris

Gruppenausstellungen (Auswahl)

  • 2019
    Bêtes de Scène, Fondation Villa Datris, L’Isle-sur-la Sorgue/FR
    Figures de l’animal, Centre d’art contemporain, Meymac/FR
     
  • 2018
    Le beau, la belle et la bête, Château du Rivau, Lémeré/FR
     
  • 2017
    Alice twisted world, OÖ Kulturquartier, Linz
    Abstracted #1, Aeroplastics, Brüssel
     
  • 2016
    Tombée du ciel, Aéroplastics, Brüssel
    Design Shanghai, Schanghai
     
  • 2015
    Domaine du Muy, Le Muy/FR
    Constructeurs d‘absurde, bricoleurs d‘utopie, CAC, Meymac/FR
    Habiter, Domaine de Chamarande/FR

Video


verfasst von

Stefan Tasch

Studium der Kunstgeschichte in Wien und Edinburgh, arbeitet als freier Kurator.

Erschienen in

Zuschnitt 85
Pause, Auszeit, Holz

Ob Freizeit, Ferien oder Wochenende – eine Pause vom Alltag muss nicht immer ein großes Spektakel sein. Wir zeigen Orte der Naherholung und Räume für eine Auszeit, geprägt von Holz.

8,00 €

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Zuschnitt 85 - Pause, Auszeit, Holz