Daten zum Objekt
Standort
Kärdla/EE Google Maps
Bauherr:in
Gemeinde Hiiumaa (Hiiumaa Municipality Government), Kärdla/EE, www.vald.hiiumaa.ee
Architektur
Bornstein Lyckefors Arkitekter, Göteborg/SE, www.bornsteinlyckefors.se
Statik
T&I Insenerid OÜ, Tallinn/EE, www.insenerid.com
Holzbau
AS Merko Ehitus Eesti, Tallinn/EE, www.merko.ee
Landschaftsplanung
Mareld Landskapsarkitekter, Göteborg/SE, www.mareldlandskap.se
Fertigstellung
2020
Typologie
Freizeit und Erholung am Marktplatz
Kärdla, eine Stadt mit ca. 3.150 Einwohner:innen, liegt an der nordöstlichen Küste der zweitgrößten estnischen Insel Hiiumaa. Als einziges urbanes Zentrum der ländlich geprägten Insel kommt ihr ein besonderer Stellenwert als Knotenpunkt des öffentlichen Lebens zu. Umso erstaunlicher, dass noch vor kurzem ein überdimensionaler Parkplatz, ursprünglich ein Marktplatz, das Zentrum der Stadt dominierte. Heute herrscht dort wieder buntes Treiben.
Ausgangspunkt der Veränderung war ein nationales Programm zur Reaktivierung von Stadtzentren, das 2018 anlässlich des hundertsten Jahrestags der Unabhängigkeitserklärung des Landes ins Leben gerufen wurde. Bis dahin sollten in 14 teilnehmenden Städten Projekte zur Umsetzung kommen, die den öffentlichen Raum als Ort der Begegnung neu definieren und lebendige Zentren schaffen.
Das Zentrum als Ort des Austauschs
Für das Zentrum von Kärdla konnte das Team des schwedischen Architekturbüros Bornstein Lyckefors gemeinsam mit den Landschaftsplaner:innen von Mareld 2015 einen offenen internationalen Wettbewerb für sich entscheiden. Die detaillierte Planung ging 2017 mit einem Beteiligungsprozess in eine entscheidende Phase. Bürger:innen sowie Schulkinder der Grundschule (der einzigen auf der Insel) wurden bewusst adressiert und zur Teilnahme animiert, um die Platzgestaltung bestmöglich den tatsächlichen Nutzungswünschen entsprechend zu planen. Es galt, mehrere Funktionen zu verorten: Eine urbane Begegnungszone sollte es sein, die eine Verbindung zwischen den Nachbarbezirken herstellt; ein Ort des Aufenthalts und der Erholung, der auch Funktionen des Alltags wie Einkaufsmöglichkeiten und Bereiche für Dienstleistungen beherbergt.
Ein Pavillon, zwei Seiten: außen lebendig, innen ruhig
Neben einer großzügigen, landschaftlich gestalteten Zone zum Spielen, Rollerfahren und Toben für Kinder und Jugendliche und einem (im Gegensatz zur Ausgangslage) drastisch verkleinerten Bereich für das Parken bekam der zentrale Platz Keskväljak ein urbanes Element, um die Größe des städtischen Raumes aufzubrechen: einen Pavillon aus Holz. Konzipiert als Hortus conclusus, als geschlossener Garten, wird er von acht überdachten, im Rechteck angeordneten Kiosk-Boxen, die sich nach außen orientieren, definiert: eine frei zugängliche, aber geschützte Fläche. Dieses begrünte und mit Bäumen bepflanzte Innere ist eine ruhige Insel inmitten des Platzes. Es bietet Raum für eine kurze Erholung vom turbulenten Alltagsgeschehen, für eine spontane Rast im Schatten oder um ein paar Seiten in einem Buch zu lesen. Die Kioske erinnern an Marktstände und werden zum Teil als ebensolche genutzt, andere dienen öffentlichen Funktionen, sind als Infopoint, Kulturort oder urbane Bühne gestaltet und bieten Programm für freie Nachmittage oder das Wochenende.
Da annähernd 65 Prozent der Fläche von Hiiumaa mit Wald bedeckt sind, war die Verwendung von Holz als Konstruktions- und Gestaltungsmaterial für den Pavillon eine natürliche erste Wahl. Für sämtliche Elemente wurde regionales Fichtenholz verwendet, einzig beim Boden der inneren Terrasse kam Lärche zum Einsatz. Die simple Holzriegelkonstruktion der Kioske verschwindet hinter einer Fassade aus Fichtenholzlamellen. Als gestalterisches Element bilden die halbtransparenten Wände den äußeren Ring des Pavillons. Holzstücke, die den Abstand zwischen den einzelnen Lamellen schaffen, sind nach einem Muster aus der lokalen Textilindustrie – einst die größte Industrie von Kärdla – angeordnet. Auch die Dachflächen, auf Trägern aus Brettsperrholz aufgelagert, bestehen aus dieser Lamellenstruktur. Sie sind jedoch zusätzlich mit Makrolon-Platten gedeckt. Durch deren glasartige Transparenz entsteht der Eindruck, unter einem zarten Holzstoff zu verweilen. So lädt der Pavillon auch an regnerischen Tagen zu einer kurzen Pause ein oder bietet Schutz vor einem plötzlich aufziehenden Sommergewitter.
Vorwiegend verwendetes Holz und Holzbehandlung:
Tragstruktur, Fassadenelemente und Lamellen sind aus regionalem Fichtenholz, ausschließlich für den Terrassenboden im inneren Hof wurde Lärche verwendet. Die Hölzer wurden mit einem wasserverdünnbaren Holzschutzmittel zum vorbeugenden Schutz gegen Insekten und holzzerstörende Pilze behandelt und zum Schutz vor Wetter und Sonneneinstrahlung geölt.