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Pavillon aus Holz in Kärdla

erschienen in
Zuschnitt 85 Pause, Auszeit, Holz, März 2022

Daten zum Objekt

Standort

Kärdla/EE Google Maps

Bauherr:in

Gemeinde Hiiumaa (Hiiumaa Municipality Government), Kärdla/EE, www.vald.hiiumaa.ee

Architektur

Bornstein Lyckefors Arkitekter, Göteborg/SE, www.bornsteinlyckefors.se

Statik

T&I Insenerid OÜ, Tallinn/EE, www.insenerid.com

Holzbau

AS Merko Ehitus Eesti, Tallinn/EE, www.merko.ee

Landschaftsplanung

Mareld Landskapsarkitekter, Göteborg/SE, www.mareldlandskap.se

Fertigstellung

2020

Freizeit und Erholung am Marktplatz

Kärdla, eine Stadt mit ca. 3.150 Einwohner:innen, liegt an der nord­östlichen Küste der zweitgrößten estnischen Insel Hiiumaa. Als einziges urbanes Zentrum der ländlich geprägten Insel kommt ihr ein besonderer Stellenwert als Knotenpunkt des öffentlichen Lebens zu. Umso erstaunlicher, dass noch vor kurzem ein über­dimensionaler Parkplatz, ursprünglich ein Marktplatz, das Zentrum der Stadt dominierte. Heute herrscht dort wieder buntes Treiben.

Ausgangspunkt der Veränderung war ein nationales Programm zur Reaktivierung von Stadtzentren, das 2018 anlässlich des hundertsten Jahrestags der Unabhängigkeitserklärung des Landes ins Leben gerufen wurde. Bis dahin sollten in 14 teilnehmenden Städten Projekte zur Umsetzung kommen, die den öffentlichen Raum als Ort der Begegnung neu definieren und lebendige Zen­tren schaffen.

Das Zentrum als Ort des Austauschs

Für das Zentrum von Kärdla konnte das Team des schwedischen Architekturbüros Bornstein Lyckefors gemeinsam mit den Land­schaftsplaner:innen von Mareld 2015 einen offenen internatio­nalen Wettbewerb für sich entscheiden. Die detaillierte Planung ging 2017 mit einem Beteiligungsprozess in eine ent­scheidende Phase. Bürger:innen sowie Schulkinder der Grundschule (der einzigen auf der Insel) wurden bewusst adressiert und zur Teilnahme animiert, um die Platzgestaltung bestmöglich den tatsächlichen Nutzungswünschen entsprechend zu planen. Es galt, mehrere Funktionen zu verorten: Eine urbane Begegnungszone sollte es sein, die eine Verbindung zwischen den Nachbar­bezirken herstellt; ein Ort des Aufenthalts und der Erholung, der auch Funktionen des Alltags wie Einkaufsmöglichkeiten und Bereiche für Dienstleistungen beherbergt.

Ein Pavillon, zwei Seiten: außen lebendig, innen ruhig

Neben einer großzügigen, landschaftlich gestalteten Zone zum Spielen, Rollerfahren und Toben für Kinder und Jugendliche und einem (im Gegensatz zur Ausgangslage) drastisch verkleinerten Bereich für das Parken bekam der zentrale Platz Keskväljak ein urbanes Element, um die Größe des städtischen Raumes aufzubrechen: einen Pavillon aus Holz. Konzipiert als Hortus conclusus, als geschlossener Garten, wird er von acht überdachten, im Rechteck angeordneten Kiosk-Boxen, die sich nach außen orientieren, definiert: eine frei zugängliche, aber geschützte Fläche. Dieses begrünte und mit Bäumen bepflanzte Innere ist eine ruhige Insel inmitten des Platzes. Es bietet Raum für eine kurze Erholung vom turbulenten Alltagsgeschehen, für eine spontane Rast im Schatten oder um ein paar Seiten in einem Buch zu lesen. Die Kioske erinnern an Marktstände und werden zum Teil als ebensolche genutzt, andere dienen ­öffentlichen Funktionen, sind als Infopoint, Kultur­ort oder urbane Bühne gestaltet und bieten Programm für freie Nachmittage oder das Wochenende.

Da annähernd 65 Prozent der Fläche von Hiiumaa mit Wald bedeckt sind, war die Verwendung von Holz als Konstruktions- und Gestaltungsmaterial für den Pavillon eine natürliche erste Wahl. Für sämtliche Elemente wurde regionales Fichtenholz verwendet, einzig beim Boden der inneren Terrasse kam Lärche zum Einsatz. Die simple Holzriegelkon­struktion der Kioske verschwindet hinter einer Fassade aus Fichtenholzlamellen. Als gestalterisches Element bilden die halbtransparenten Wände den äußeren Ring des Pavillons. Holzstücke, die den Abstand zwischen den einzelnen Lamellen schaffen, sind nach einem Muster aus der lokalen Textil­­­industrie – einst die größte Industrie von Kärdla – angeordnet. Auch die Dachflächen, auf Trägern aus Brettsperrholz aufgelagert, bestehen aus dieser Lamellenstruktur. Sie sind jedoch zusätzlich mit Makrolon-Platten gedeckt. Durch deren glasartige Trans­parenz entsteht der Eindruck, unter einem zarten Holzstoff zu verweilen. So lädt der Pavillon auch an regnerischen Tagen zu ­einer kurzen Pause ein oder bietet Schutz vor einem plötzlich aufziehenden Sommergewitter.

Vorwiegend verwendetes Holz und Holzbehandlung:
Tragstruktur, Fassadenelemente und Lamellen sind aus regionalem Fichtenholz, ausschließlich für den Terrassenboden im inneren Hof wurde Lärche verwendet. Die Hölzer wurden mit einem wasser­verdünnbaren Holzschutzmittel zum vor­beugenden Schutz gegen Insekten und holzzerstörende Pilze behandelt und zum Schutz vor Wetter und Sonneneinstrahlung geölt.


verfasst von

Christina Simmel

leitende Redakteurin der Zeitschrift Zuschnitt

Erschienen in

Zuschnitt 85
Pause, Auszeit, Holz

Ob Freizeit, Ferien oder Wochenende – eine Pause vom Alltag muss nicht immer ein großes Spektakel sein. Wir zeigen Orte der Naherholung und Räume für eine Auszeit, geprägt von Holz.

8,00 €

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Zuschnitt 85 - Pause, Auszeit, Holz