Daten zum Objekt
Standort
Schlins/AT Google Maps
Bauherr:in
Lehm Ton Erde Baukunst GmbH, Schlins/AT, www.lehmtonerde.at
Architektur
Lehm Ton Erde Baukunst GmbH, Schlins/AT, www.lehmtonerde.at
Statik
gbd Holding ZT GmbH, Dornbirn/AT, www.gbd.group
Holzbau
Dobler Holzbau GmbH, Röthis/AT, www.dobler-gruppe.at
Fertigstellung
2021
Typologie
Lehm und Holz in tragender Rolle
Seit fast vierzig Jahren betreibt Martin Rauch, weithin bekannter Lehmbau-Pionier und Träger des Global Award for Sustainable Architecture 2022, Atelier und Werkstatt in seinem Heimatort Schlins in Vorarlberg. Mit seiner Firma Lehm Ton Erde Baukunst arbeitet er daran, dass Lehm als universell einsetzbares, ökologisches, günstiges, überall verfügbares und nahezu rückstandslos entsorgbares Baumaterial wahrgenommen wird und der Lehmbau an Bedeutung gewinnt.
Von Anfang an ging es aber nicht nur darum, Lehmbauten zu realisieren, sondern fortwährend zu forschen, zu experimentieren, innovative Methoden und Konstruktionen zu entwickeln – oft als eigener Bauherr, denn einem Risiko, und sei es auch noch so gering, wollte Martin Rauch keinen Auftraggeber aussetzen.
Ein solches Pilotprojekt ist der Bau einer großen Produktionshalle zur Vorfertigung von Stampflehmelementen in Schlins. Dabei handelt es sich um eine Mischkonstruktion mit einer 67 Meter langen, bis zu 8 Meter hohen tragenden Außenwand aus mehreren zueinander versetzten Stampflehmscheiben an der Südseite. Ihre Dimensionen sind ebenso einzigartig wie die mechanische Belastung beim Stampfen von Lehmbauelementen.
Das Holztragwerk besteht aus einem Dachtragwerk aus Leimbindern mit abgedeckten und strohgedämmten Hohlkästen und einer Fachwerkrahmenbauweise. Aufgelagert ist das Dach einerseits auf der Stampflehmwand – hier gibt es einen Ringanker aus Beton mit Stahlkonsolen als Verbindungselement – und andererseits auf hölzernen V-Stützen. Diese prägen das Gebäude insofern, als es dadurch an der Nordseite schräg nach außen geneigte Wände gibt, die auch eine Galerie tragen und zugleich ein Gegengewicht zum Hallentragwerk bilden. Das Dach selbst ist extensiv begrünt, und zwar mit der Humusschicht, die ursprünglich das Grundstück bedeckte.
Eine Besonderheit ist das Rautenfachwerk zwischen den V-Stützen, das auf Vorschlag des Bauherrn umgesetzt wurde. Dieses traditionelle regionale Detail an Ställen kam hier als Aussteifung zum Einsatz. Es verursachte auch keine Mehrkosten gegenüber der ursprünglich vom Statiker vorgeschlagenen aussteifenden BSP-Platten. Diese Lösung verbraucht außerdem weniger Holz und kommt ohne Leim aus, was Vorteile hinsichtlich der Materialtrennung und -entsorgung bei einem etwaigen Abbau des Gebäudes mit sich bringt.
Doch Holz kam nicht nur konstruktiv zum Einsatz, sondern auch als Füllmaterial für das Fachwerk: Dieses besteht aus Holzleichtlehm, einer Mischung aus Hackschnitzeln und Lehmschlamm aus der Schotterwaschanlage, und ist wandbildend und schalldämmend. Außen ist die Oberfläche sichtbar belassen, im Inneren wurde direkt ein Akustikputz aus Lehm, Korkschrot und Kasein aufgespritzt.
Auch die Fassaden sind dort, wo sie nicht von Sichtlehmwänden gebildet werden, aus Holzelementen, die wiederum aus schuppenartig montierten Holzlatten bestehen und ein ornamenthaftes, von unten nach oben sich auflösendes Fassadenbild ergeben. Fugen und Schuppung werden vergrauen, sich verändern, und so wird es mit der Zeit eine optische Annäherung an die Lehmfassaden geben.
Dass Energieversorgung, Wasserkreislauf und Lüftungssysteme für die Halle und das im Anschluss daran erbaute Bürogebäude ebenso nachhaltig sind wie die Baumaterialien, versteht sich von selbst, dass das Gebäude eine weitere Pionierleistung von Martin Rauch ist, ebenfalls.