Der 1961 in Tallahassee, Florida, geborene Künstler Leonardo Drew wuchs in Bridgeport, Connecticut, auf und begann seine künstlerische Laufbahn bereits in jungen Jahren. Drew stellte seine Werke erstmals im Alter von 13 Jahren öffentlich aus und seine zeichnerischen Arbeiten erregten sofort die Aufmerksamkeit von Talente-Scouts von DC und Marvel Comics. Nachdem er aber mit Werken von Künstlern wie Jackson Pollock in Berührung kam und die Abstraktion als Kunstrichtung kennenlernte, ließ er sich auch von anderen prozessorientierten Arbeiten der amerikanischen und europäischen Nachkriegskunst inspirieren. Drew beschloss daraufhin, sich auf seine Ausbildung in der bildenden Kunst zu konzentrieren und seinen Weg in der Abstraktion zu finden. Er besuchte die Parsons School of Design in New York und erwarb 1985 seinen BFA an der Cooper Union.
Heute arbeitet Drew an abstrakten Wandskulpturen und Installationen, die er mittels orchestrierter Anhäufung unterschiedlicher Materialien realisiert. Die spezifisch auf den jeweiligen Ort reagierenden additiven Werke zeigen große, dramatische Gesten, die durch komplexe, penibel ausgearbeitete Details ausgeglichen werden. In der Regel arbeitet der Künstler mit Holz, verwendet aber auch andere Materialien wie Lehm, Stroh, Metall und Keramikscherben. Durch Brennen, Verwitterung, Oxidation oder Bemalung unterwirft er sie einem bewusst herbeigeführten Alterungsprozess.
Im Mittelpunkt stehen Komposition und Form. Die Werke sind zudem von hoher symbolischer Bedeutung und verweisen auf Verfall, Erosion und dystopische Landschaften – sie evozieren Vergänglichkeit, den Zyklus der Natur und die Zeit.
Drews Skulpturen werden oft fälschlicherweise für Assemblagen aus gefundenen Objekten gehalten, tatsächlich bestehen sie aber aus neuen Materialien, aus Holz, rostigem Eisen, Baumwolle, Papier und Stroh. Unabhängig davon, ob seine Arbeiten aus einer Wand herausragen oder als freistehende Installationen platziert werden, fordern sie die Architektur des Raums, in dem sie gezeigt werden, heraus.
Letztlich sind Drews Arbeiten auch eine Auseinandersetzung mit seinen Erinnerungen an die Umgebung seiner Kindheit. Viele dieser Orte – vom Sozialbau, in dem er lebte, bis zur angrenzenden Mülldeponie – tauchen in den komplizierten Gittern und Konfigurationen seiner Werke auf. In Drews Händen werden diese Rohmaterialien so umgewandelt, dass sie wie Schutt aussehen.
Obwohl seine künstlerische Praxis in den Kunstrichtungen der 1950er und 1960er Jahre verwurzelt ist, beispielsweise im abstrakten Expressionismus, im Minimalismus und der Arte Povera, betrachtet Drew – beeinflusst von nicht westlichen philosophischen Traditionen – seine Arbeit als Reflexion auf die zyklische Natur der Zeit, die kontinuierlichen Prozesse der Transformation und die Verbundenheit aller Dinge. Dies zeigt sich vielleicht am deutlichsten in der Praxis des Künstlers, Teile früherer Werke in neuere Arbeiten zu integrieren.
Die hier abgebildete Arbeit „Number 48S“ von 2014, die aus Holz, Stroh, Blattgold und Gouache auf Papier besteht, zeigt die gesamte künstlerische Bandbreite im Werk von Leonardo Drew. Das verkohlte Holz und das schimmernde Gelb des Strohs und des Blattgoldes versinnbildlichen auf eindrückliche Weise die Kraft der Erneuerung, die, von der Natur ausgehend, alles vermeintlich Abgestorbene wieder zu neuem Leben erweckt.
Leonardo Drew
geboren 1961 in Tallahassee, Florida, USA, Studium an der Parsons School of Design und der Cooper Union, New York
Lebt und arbeitet in Brooklyn, New York
Einzelausstellungen (Auswahl)
- 2022
Goodman Gallery, London
Cycles, from the Collections of Jordan D. Schnitzer Foundation, Zuckerman Museum of Art, Kennesaw State University - 2021
Galerie Lelong & Co., New York
Two Projects, Wadsworth Atheneum Museum of Art, Hartford
Galerie Lelong & Co., Paris - 2020
Making Chaos Legible, North Carolina Museum of Art, Raleigh
Hammer Museum, Los Angeles - 2019
Galerie Lelong & Co., New York
Pearl Lam Galleries, Hongkong - 2017
CAM Raleigh, Raleigh
Talley Dunn Gallery, Dallas
Gruppenausstellungen (Auswahl)
- 2022
What’s Going On, Rubell Museum, Washington, D.C.
A Celebration of Trees, Southampton Arts Center, Southampton, New York - 2021
New Prints and Editions, Galerie Lelong & Co., New York
Hockney to Warhol. Contemporary Drawings from the Collection, The McNay Art Museum, San Antonio - 2020
Waking Dream, Ruby City, San Antonio
Polyphonic. Celebrating PAMM’s Fund for African American Art, Perez Art Museum Miami - 2019
Young, Gifted, and Black, OSilas Gallery at Concordia College, Bronxville, New York
Solidary and Solitary. The Joyner/Guiffrida Collection, Smart Museum, Chicago - 2018
Talisman In the Age of Difference, Stephan Friedman Gallery, London